Patienten-Motivation durch Prophylaxe

Oral Wellness

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Die moderne Zahnheilkunde ist ohne nachhaltige und regelmäßige Prophylaxe nicht denkbar. Es gibt eine Reihe von verschiedenen Prophylaxe- Konzepten, die den Therapieerfolg der Parodontologie oder der Implantologie sichern können. Heute stellt sich nicht mehr die Frage, ob Prophylaxe sinnvoll ist, sondern es stellt sich die Frage, wie man die Motivation des Patienten für Prophylaxe über Jahre gewährleisten kann. „Oral Wellness“ ist ein praktikables Konzept, das in der Praxis Anwendung finden kann.

Moderne Behandlungskonzepte gliedern sich in drei Behandlungsphasen, in die Initialtherapie, die eigentliche Therapiephase und die Erhaltungsphase. Gerade die Erhaltungsphase gewährleistet die langfristige Sicherung des Therapieziels. Eine Erhaltungsphase ohne Prophylaxe macht keinen Sinn. Der Praktiker wird beobachten, dass die Motivation der Patienten nach Therapieende relativ hoch ist, wenn es darum geht die Prophylaxe-Termine wahrzunehmen. Mit der Zeit fällt die Regelmäßigkeit drastisch ab.

Es stellt sich die Frage, in wieweit sich die Motivation des Patienten für Prophylaxe im Laufe der Zeit ändert und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Ein neues Prophylaxe-Konzept könnte es möglich machen, eine hohe Motivation zur Teilnahme am Prophylaxeangebot in der täglichen Praxis zu sichern.

Terminfrequenz

Die Entwicklung des Konzeptes „Oral Wellness“ begann mit einer Fragestellung: Zu welchem Zeitpunkt ändert sich die Terminfrequenz bei der Prophylaxe? Das Patientengut einer Zahnarztpraxis wurde hinsichtlich dieser Fragestellung überprüft. Zusätzlich sollten mehr als 500 Patienten auf einem Fragebogen die subjektiven Gründe für Prophylaxe angeben. Das Ergebnis der Auswertung sehen Sie in Abbildung 1.

Die Motivation nimmt zwölf Monate nach Therapieende deutlich ab. Das heißt: Die Patienten nehmen das Angebot zur Prophylaxe nahezu viermal im Jahr an. Nach zwölf Monaten ist die Bereitschaft zur Prophylaxe nicht mehr ausgeprägt.

Anhand dieses Ergebnisses wurden die vorliegenden Fragebögen in zwei Gruppen aufgeteilt. Bei der ersten Gruppe (Gruppe 1) lag das Therapieende bis zu zwölf Monaten und in der zweiten Gruppe (Gruppe 2) über zwölf Monate zurück (Abb. 2).

Mehr als drei Viertel der Befragten (Gruppe A) kommen zu den Prophylaxe-Terminen, um Karies, Parodontitis oder Perimplantitis zu vermeiden. 18 Prozent (Gruppe B) gaben an, wegen schöner, weißer oder sauberer Zähne das Angebot wahrzunehmen. Konzentriert man sich auf die beiden Hauptaussagen, so fällt auf, dass Gruppe A aus rational geprägten Gründen zur Prophylaxe erscheint. Bei Gruppe B sind eher emotionale Gründe ausschlaggebend.

Hier lassen sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Motivationen feststellen. Die Erkrankungsvorbeugung stellt eine rational begründete Motivation dar. Die Erfahrungen während der Therapie und die Aussagen der Behandler sind präsent. Die zweite Aussagegruppe ist stärker durch Emotionen geprägt. Das bedeutet: Der Patient möchte gut aussehen, sich etwas Gutes tun – oder beides. Lässt sich diese Beobachtung auch über zwölf Monaten hinaus feststellen? Die Abbildung 3 zeigt das Ergebnis der Auswertung.

Elf Prozent der Befragten geben an, zur Prophylaxe zu kommen, um Karies, Parodontitis oder Periimplantitis zu vermeiden – also aus rationalen Gründen. 86 Prozent der Befragten geben an, wegen schöner, weißer und sauberer Zähne zu kommen. Wie unschwer zu erkennen ist, steht nicht mehr die rational geprägte Motivation im Vordergrund, sondern die emotional geprägte Motivation. Nach zwölf Monaten sind Ästhetik und Wohlfühlen die wichtigsten Gründe für Prophylaxe.

Hieraus ergeben sich einige praktische Konsequenzen für die Patientenansprache:

• Bis zu zwölf Monaten nach Therapieende lässt sich der Patient mit rationalen Gründen motivieren. So ist es in diesem Zeitraum wichtig, auf die medizinischen Aspekte der Prophylaxe hinzuweisen und dem Patienten die Folgen aufzuzeigen.

• Danach muss der Patient emotional aktiviert werden. Eine ständige Aufklärung über die Pathogenese von Karies oder Parodontitis ist sicherlich sinnvoll, hat aber über den Zeitpunkt von zwölf Monaten nach Therapieende nicht die entscheidende Wirkung. Ab diesem Zeitpunkt ist es besser, den Patienten über seine Emotionen anzusprechen. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Patienten emotional zur Prophylaxe zu motivieren. Angst stellt einen wirkungsvollen, aber sehr kurz anhaltenden Motivator dar. Um eine ständige Motivation zu erzielen, müssen die Angstszenarien gesteigert werden – ein Beispiel wäre das Angstszenario „Zahnverlust“. Diese Motivationsmöglichkeit ist natürlich überhaupt nicht mit der zahnärztlichen Berufsethik vereinbar.

Belohnungseffekt

Eine weitere Möglichkeit einer emotionalen Aktivierung stellt der Belohnungseffekt dar. Er ist nachhaltiger und stärker in seiner Wirkung. „Ich gönne mir etwas Gutes“ ist eine Aussage, die den Belohnungseffekt beschreibt. In diesen Bereich fällt die Motivation der Patienten für ästhetische Zahnheilkunde, aber auch für die Implantologie. Wenn sich der Patient für eine aufwändige Veneer-Versorgung entscheidet, um sein Aussehen zu verbessern, tut er das nicht aus rationalen Gründen. Nein – das neue, bessere Erscheinungsbild tut ihm gut. Ähnlich verhält es sich mit der Entscheidung für eine Implantatversorgung. Einer der Hauptgründe für eine implantatgetragene Prothese das sichere Gefühl beim Essen – das heißt, wieder „ohne Angst“ essen zu können. Die Sicherheit im sozialen Zusammenleben führt zu einem Wohlgefühl. Lee et al. (J Periodontol 2002 Sep; 73(9): 1037-42) konnte in seiner Studie über den Vergleich zwischen der präoperativen Erwartung und postoperativen Zufriedenheit des Patienten feststellen, dass Schmerz- und Angstfreiheit während der Behandlung für die Zufriedenheit des Patienten entscheidend sind. Wichtig ist also, wie angenehm die Behandlung durchgeführt wurde.

Weil ein Wohlfühlgefühl am Besten durch Entspannung und Entspannung wiederum am schnellsten durch Massage erreicht wird (Engle VF, J. Nurs Scholarsh 2000; 32(3): 287-93; De Marco-Sinatra, Holist Nurs Pract 2000 Apr; 14(3): 30-9) wurde für die Zahnarztpraxis eine spezielle Massage entwickelt, die eine Reihe von Vorgaben erfüllen muss, um den Aufwand in der Praxis so gering wie möglich zu halten. Es sollten keine oder nur geringe Investitionen in neue Geräte oder in bestehende Räumlichkeiten notwendig sein. Die Entspannungstechnik sollte leicht erlernbar sein und keine zusätzliche Ausbildung zum Physiotherapeuten erforderlich machen. Die Prophylaxe- Mitarbeiterin soll nach detaillierter Einweisung die Massage selbstständig durchführen können. Weiterhin sollte der Aufwand für den Patienten einer einfachen Prophylaxe-Sitzung entsprechen. Und: Die Massage soll eine hohe Effektivität besitzen. Eine Entspannung soll in relativ kurzer Zeit erreicht werden.

In Zusammenarbeit mit einem staatlich geprüften Masseur und medizinischen Bademeister sowie einer Krankengymnastin wurde eine spezielle Form der Entspannungs- Massage entwickelt, die einfach und bequem im Behandlungsstuhl durchzuführen ist. Das Verständnis einer Massage wird dabei weiter gefasst als herkömmlich, da es sich nicht nur um die klassischen Streichungen, Knetungen und „deep frictions“ handelt. Vielmehr gehören auch Akkupressuren und die sanfte Stimulation von neuralgischen Punkten dazu.

Ziel ist eine Entspannung, die für den Patienten angenehm ist. Der Patient soll nach der „Oral Wellness“-Sitzung nicht müde sein und es darf ihm nicht schwerfallen, sich aus dem Behandlungsstuhl zu erheben. Hierbei ist die Massagedauer von entscheidender Bedeutung. Die subjektiv empfundene Entspannung (beziehungsweise Zufriedenheit) ist abhängig von der Massagedauer. (Abb. 4)

Man sieht, dass eine längere Massage nicht unbedingt zu einer höheren Zufriedenheit des Patienten führt. Der Belohnungseffekt kann verloren gehen. Es hat sich eine Entspannungsmassagedauer von zirka 15 bis 20 Minuten bewährt. Dabei wurde die Erfahrung gemacht, dass auch bei einer Gesamtlänge von mehr als 90 Minuten für die Prophylaxe-Sitzung der Entspannungseffekt verloren geht.

„Oral Wellness“ setzt sich aus zwei Abschnitten zusammen – einer professionellen Zahnreinigung (PZR) und einem Wellness- Massage-Teil. Der Massage-Teil (oder Wellness-Teil) wird immer erst nach der PZR durchgeführt. Die Reihenfolge der einzelnen Behandlungsschritte im Wellness-Teil sollte genau eingehalten werden, da es für den Erfolg der Behandlung relevant ist.

Grundsätzlich wird von der Schulter über den Hals zum Gesicht hingearbeitet. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Streichungen, Zirkelungen und Knetungen in einer fließenden Bewegung ausgeübt werden. Ruckartige Bewegungen und ein zu starker Kraftaufwand sind zu vermeiden. Die Position des Patienten entspricht einer bequemen Rücklage. Die Mitarbeiterin nimmt am Kopfende des Behandlungsstuhls Platz, um eine guten Zugang zu allen relevanten Massagebereichen zu haben. Die Nackenbehandlung geht grundsätzlich der Kopfbehandlung voraus, eingeleitet mit Streichungen. Diese stellen den ersten Kontakt zwischen Mitarbeiter und Patient dar und haben eine leicht hyperämisierende Wirkung.

Streichen und kneten

Konkret wird die kraniozirkuläre Muskulatur wie folgt behandelt: Zunächst wird die Nackenregion ausgestrichen; inklusive der oberen Schulterblattregion. Von der Schultergürtelmuskulatur – insbesondere muskulus deltoideus – wird mit Streichung kranialwärts, Handwurzelzirkelungen und Knetungen fortgefahren. Die Gesichtsmassage dient zur Detonisierung/Beruhigung und wird vorsichtig ausgeführt. Man arbeitet von der Gesichtsmitte nach lateral mit Streichung, gefolgt von Fingerspitzenzirkelungen über die Stirn, besonders am Haaransatz, an der Nasenwurzel und an den Schläfen. Es folgt eine Ausstreichung und leichte Knetung der Augenbrauen. Nach Streichung und Fingerzirkelung der Nase werden die Jochbögen von der Nasenwurzel zu den Schläfen ausgestrichen. Mit leichten Streichungen des Pars orbitales des m. orbikularis oculi wird diese Region abgeschlossen. Weitere Streichungen und Knetungen vom Kieferwinkel zum Kiefergelenk werden mit leichten Fingerzirkelungen im Bereich des m. masseter sowie leichter Akupressur des F. infraorbitale abgeschlossen. Zum Abschluss der Massage wird der Unterkieferrand zur Claviculargrube ausgestrichen. Als zusätzliche Maßnahme zur Entspannung können Entspannungsmusik, Duftöle und gedämpftes Licht eingesetzt werden.

Zur Überprüfung des Entspannungserfolgs wurde eine weitere Befragung von rund 400 Patienten durchgeführt. Die Ergebnisse im Überblick:

• 94 Prozent empfanden „Oral Wellness“ als entspannend;

• fünf Prozent fanden die Massage nicht sonderlich entspannend, wobei diese Patienten nach eigenen Angaben durch äußere Einflüsse in der Entspannung gestört wurden;

• ein Prozent empfand die „Oral Wellness“- Sitzung als nicht entspannend, wobei diese Patienten angaben, sich bei Massagen im Allgemeinen unwohl zu fühlen;

• 98 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Behandlung wiederholen werden;

• 74 Prozent möchten diese Behandlung drei bis vier Mal im Jahr durchführen lassen.

Lassen sich diese Aussagen auch tatsächlich in der täglichen Praxis wiederfinden? Eine Analyse des Recall-Verhalten bezüglich Prophylaxe bestätigte dies (Abb. 5).

Es ist deutlich zu erkennen, dass es nicht mehr zu dem typischen Abfall der Prophylaxe-Termine nach zirka zwölf Monaten kommt. Der Durchschnittswert für einen Ideal-Recall auf vierundzwanzig Monate beträgt 4,5. Der tatsächliche Recall-Terminwert beträgt 4,43. Somit lässt sich die Aussage treffen, dass „Oral Wellness“ eine effiziente Möglichkeit darstellt, die Motivation und Compliance der Patienten bezüglich der Prophylaxe innerhalb der Erhaltungsphase deutlich zu verbessern.

Fazit: „Oral Wellness“ bietet dem erwachsenen Patienten einen zusätzlichen Nutzen und die Möglichkeit, sich „verwöhnen zu lassen“. Dem Zahnarzt bietet sie eine Argumentations- und Überzeugungshilfe, den Patienten an präventive Leistungen heranzuführen. Eine repräsentative Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte zum Thema Prophylaxe zeigt, dass 94 Prozent der befragten Zahnärzte mehr Spaß am Beruf haben, wenn der größte Teil der Patienten eine gute Mundhygiene betreibt.

Das vorgestellte Konzept ermöglicht es, die emotionale Bindung des Patienten an die Praxis zu erhöhen und ihre Authentizität zu steigern. Denn ein erlebtes „zum Wohle unserer Patienten“ hat eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit als ein lediglich ausgesprochenes. Der Zahnarztbesuch lässt sich durch „Oral Wellness“ positiv belegen – und führt zu einem deutlichen Angstabbau der Patienten.

Dr. Martin NemecRosenstr. 12, 63450 HanauM.Nemec@t-online.de

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