9. Schlossgespräch in Westfalen-Lippe

Wenig Lust auf Lahnstein II

„Etwa zehn Jahren plus x“ – so sieht SPD-Parlamentarier Eike Hovermann die Zeitachse für eine gesamtkonzeptionelle Gesundheitsreform. Beim traditionellen Schlossgespräch von KZV und ZÄK Westfalen Lippe am 24. Februar auf Schloss Wilkinghege in Münster war der SPDler der einzige offensive Verfechter parteiübergreifender Reformmodelle à la „Lahnstein“.

„Wirkliche strukturelle Änderungen brauchen ein Lahnstein II“, warb der von SPD-Traditionalisten wegen seiner progressiven Thesen kritisch beäugte Hovermann auf dem zum 9. Mal mit Journalisten geführten Schlossgespräch für parteienübergreifende Gespräche und einen Konsens für eine umfassende Gesundheitsreform. Seine Maßstäbe – darunter mehr „echter“ Wettbewerb, Europakompatibilität und Versorgungsqualität – weichen von denen der SPD-Gewerkschaftler deutlich ab. Denn er kann sich Festzuschüsse und eine Option auf Kostenerstattung ebenso vorstellen wie ein Einfrieren des Arbeitgeberbeitrages für die GKV oder den Wegfall sektoraler Budgets.

Für schwierig hält Hovermann Mischformen aus Einzelverträgen und kollektivem System. Ein solches strukturelles Nebeneinander sei nur möglich, wenn die Krankenkassen auch den Sicherstellungsauftrag übernähmen. Kritisch sieht Hovermann dagegen die von der CDU/CSU zur Prüfung vorgeschlagene Herausnahme der gesamten zahnärztlichen Behandlung aus dem GKVLeistungskatalog. Zwecks Schaffung von Transparenz fordert Hovermann die Einführung einer intelligenten Chipkarte, einer elektronischen Patientenakte und eines Datentransparenzgesetzes. Grund für deutliche Kritik seitens der Zahnärzteschaft: „Was in den Gesetzentwürfen steht, hat mit personenbezogener Datensammelwut zu tun,“ konterte KZBV-Vorstandsmitglied Dr. Günther E. Buchholz. Sehr wohl vorstellen kann sich Buchholz allerdings die Herausnahme der Behandlung aus der GKV nach dem systemneutralen Modell der Zahnärzteschaft – gerade wegen der Vorteile für Prävention und Planbarkeit zahnmedizinischer Versorgung.

Zwang zur Vernunft

Das „Was, warum und wie“ des zahnärztlichen Modells hat BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich den Journalisten in seinem Eingangsreferat ausführlich dargestellt. An der GKV-Problematik – mangelnde Einnahmen und zunehmende Alterung der Gesellschaft – trage die Zahnärzteschaft keine Schuld. Ganz im Gegenteil hätten Deutschlands Zahnärzte in den vergangenen Jahren ihren Beitrag geleistet, dass Deutschland in Sachen Prävention „kein Entwicklungsland“ mehr sei: „Wir liegen mit an der Spitze der europäischen Kariesliga“. Ein Dorn im Auge ist dem BZÄK-Vize die systembedingte „soziale Ungerechtigkeit, weil nur bestimmte Therapien GKV-unterstützt“ seien. Wenig Verständnis für die derzeitige von immer wieder neuen Vorschlägen getragene Gesundheitspolitik der Bundesregierung zeigte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn: „Jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben, keiner weiß, in welche Richtung.“ Spahn zur Qualitätsdiskussion: „Wer im Ausland erkrankt, tut nichts lieber, als in die Heimat zurückzukehren.“ Der CDUler forderte definitiv die Herausnahme bestimmter medizinischer Leistungen. Kleine Risiken solle der Staat – sozial richtig ausbalanciert – den Einzelnen tragen lassen. Ein „Lahnstein II“ sei gegenwärtig nicht der richtige Weg, gebraucht werde ein Gesetzesentwurf der Regierung, der dann diskutiert werden müsse. Hinderlich für die Diskussion sei die große Divergenz der gesundheitspolitischen Vorstellungen innerhalb der Bundesregierung selbst.

Obwohl FDP-MdB Detlef Parr gegenwärtig einen „Zwang zur Vernunft“ in der Gesundheitspolitik konstatierte, sei ein „Lahnstein II“ und die Klärung der Grundsatzfragen durch eine große Koalition kein Grund, „Hurra zu schreien“. Wichtiger sei, dass jetzt bestimmte Freiheiten umgesetzt werden. Angesichts der anhaltenden Diskussion um die Wirtschaftlichkeit des Systems und die Folgen weiterer Kürzungen nach ihrem „Menschenbild“ im Gesundheitssystem befragt, äußerten sich insbesondere die westfälisch-lippischen Gastgeber aus der Zahnärzteschaft eindeutig: „Die kommunikative Information zwischen Zahnarzt und Patient funktioniere genau so gut wie das übergeordnete Informationsangebot der Zahnärzteschaft für die Bevölkerung“, versicherte ZÄK-Präsident Dr. Walter Dieckhoff. Sein Kollege und KZV-Vorsitzender Dr. Dietmar Gorski betonte seine Hoffnung „auf einen Weg, der allen, der Bevölkerung, der Wissenschaft und der Ärzteschaft, gerecht wird“.

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