Orientierungshilfe für einen diagnostischen Beruf
Gerade bei der zahnärztlichen Individualprophylaxe (IP) haben sich in den letzten Jahren die diagnostischen Möglichkeiten gewaltig erweitert. Die Entscheidung, was im Rahmen der präventiven Betreuung von Patienten konkret zu tun ist und was nicht, ist durch die Fortschritte in der Zahnmedizin komplizierter geworden. Zahnmedizin hat sich mehr und mehr zu einem diagnostischen Beruf entwickelt, und dabei kommt vor allem der Prävention eine besondere Bedeutung zu. Im Rahmen des BZÄK-Konzeptes der präventionsorientierten Zahnheilkunde hat sie gleichsam die Funktion eines Dreh- und Angelpunktes der zahnärztlichen Berufsausübung übernommen.
Um diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen, hat die Bundeszahnärztekammer ihre Publikation „Qualifizierte Prophylaxe in der Zahnarztpraxis – Ein Leitfaden für Zahnärzte“ völlig neu bearbeitet. Der IPLeitfaden hat vor allem ein neues Kapitel aufgenommen, um dem Leser fundierte Hinweise zu entscheidenden Fragen der Patientenbetreuung zu geben. Dazu gehören Befunderhebung, Risikomonitoring oder die therapeutische Interventionsplanung. Der Grundsatz eines optimalen Recall-Managements zählt ebenso dazu wie die Beobachtung grundlegender psychologischer Prinzipien zur Patientenführung und Verhaltensbeeinflussung.
Der Leitfaden wendet sich an Zahnärzte und Prophylaxeassistentinnen, die daran interessiert sind, ihr Wissen über Prävention Gewinn bringend in den Praxisalltag zu integrieren. Außerdem sind Kollegen angesprochen, die vielleicht den Perspektiven, die eine professionelle präventionsorientierte Praxisphilosophie dem gesamten Praxisteam eröffnen kann, bisher noch zögerlich gegenüberstehen.
Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer und Vorsitzender des BZÄK-Ausschusses präventive Zahnheilkunde, erklärt, dass die Individualprophylaxe als ein Baustein in einem umfangreichen Gesamtkonzept zu verstehen sei, das klinisch-medizinische Erfordernisse mit den Herausforderungen zur Patientenführung und Verhaltensänderung kombiniere. „Dies ist die Ebene, auf der der niedergelassene Zahnarzt mit hoher Kompetenz arbeiten kann“. Individualprophylaxe verstehe sich nicht als Konkurrenz zur Kollektiv- oder Gruppenprophylaxe oder zu anderen Bereichen der Zahnmedizin, sondern sei eine bedarfsgerechte Ergänzung in diesem Gefüge.
Praktische Unterstützung
Der Leitfaden soll dem Zahnarzt als strukturierende Orientierungshilfe praktische Unterstützung und Anleitung bieten. Er gliedert sich in folgende Themenblöcke:
•Qualifizierung des zahnärztlichen Teams:
Sowohl der Zahnarzt wie auch seine Prophylaxeassistentin benötigt bestimmte Kernkompetenzen, um prophylaxeorientiert zu arbeiten. Der Zahnarzt braucht zum Besipiel profunde Kenntnisse der präventiven Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Er muss die Organisation einer Prophylaxepraxis beherrschen und sich mit betriebswirtschaftlichen Aspekten auskennen. Hinzu kommt die Beherrschung aller Bausteine einer professionellen Zahnreinigung. Die Assistentin muss fit sein bei der Mitarbeit in der Gesundheitsberatung und der psychologischen Führung des Patienten. Hinzu kommt beispielsweise auch die Mithilfe bei der Ermittlung des individuellen Prophylaxebedarfs und der Erstellung von Arbeitsunterlagen. Kenntnisse über Instrumentenkunde sind genauso notwendig wie über die Organisation eines Recall-Programms.
•Kommunikation:
Präventionsorientierte Zahnheilkunde baut auf der Information und Kooperation des Patienten auf. Deshalb ist es wichtig, entsprechende Kommunikationstechniken zu beherrschen. In diese so genannte „sprechende Zahnheilkunde“ muss das gesamte Team eingebunden sein.
•Betriebswirtschaftliche Aspekte:
Eine erfolgreiche Patientenbetreuung funktioniert nur unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Aspekte der Praxisführung. Von der Bundeszahnärztekammer wurden nach geltender Rechtslage Modelle zur Abrechnung unterschiedlicher Prophylaxeleistungen entwickelt. Diese können im Sinne von Bausteinen zur individuellen Therapie kombiniert werden.
•Praxisausstattung:
Für manche Praxen kann eine Ergänzung der Ausstattung und Einrichtung sinnvoll sein, um sprechende Zahnheilkunde im Rahmen der Prophylaxe zu ermöglichen. Sinnvoll sind zum Beispiel spezielle Bereiche für die Beratung und Übung von Mundhygienemaßnahmen.
•Organisation und Interaktion im Team:
Neue Organisations- und Interaktionsstrukturen können in der Praxis erforderlich sein. So müssen beispielsweise Termine in zeitlicher Abfolge darauf abgestimmt werden, welche Behandlungsschritte durch den Zahnarzt und welche durch die Mitarbeiterin durchgeführt werden. Diagnose- und Therapieentscheidungen erfolgen durch den Zahnarzt. Aber auch bei der Delegation spezieller Prophylaxemaßnahmen ist eine Kontrolle durch den Zahnarzt erforderlich und sollte terminlich eingeplant werden.
•Evaluation der eigenen Prophylaxetätigkeit:
Sinnvoll ist es, einen kritischen Blick auf das präventive Leistungsgeschehen in der Praxis zu entwickeln. Das gilt nicht nur für das eigene Handeln, sondern auch für das des Patienten. Nur aus einem optimalen Zusammenspiel zwischen zahnärztlicher Prophylaxetätigkeit und Patientenkooperation lässt sich ein stabiler Betreuungserfolg aufbauen.
Kompakter Problemaufriss
Die erste Ausgabe des IP-Leitfadens stammt aus dem Jahr 1998. Die jetzt überarbeitete Version bietet nun einen kompakten Problemaufriss auf dem Gebiet der Individualprophylaxe auf dem neuesten Stand. Darin ist auch der aktuelle wissenschaftliche Forschungsstand berücksichtigt. Der Ausschuss präventive Zahnheilkunde der Bundeszahnärztekammer hat die Überarbeitung initiiert. An der fachlichen Ausarbeitung waren Prof. Dr. Elmar Reich, Biberach, Prof. Dr. Dr. Lutz Stößer, Erfurt, Dr. Herbert Michel, LZK Bayern, Dr. Dietmar Oesterreich, BZÄK, Dr. Wolfgang Micheelis, IDZ, Köln, und Dr. Sebastian Ziller, BZÄK, beteiligt.
BZÄK-Spektrum der Leitfäden
Der jetzt aktualisierte IP-Leitfaden gehört zum Spektrum der BZÄK-Leitfäden, die sich mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Fortbildungsarbeit der Kammern entwickelt haben. Neben der neuen Publikation existieren weitere Leitfäden zu den Themen „Gruppenprophylaxe“ und „Präventionsorientierten Zahnmedizin unter den besonderen Aspekten des Alterns“. Der Gedanke der Betreuung eines Patienten über den gesamten Lebensbogen hinweg zieht sich wie ein roter Faden durch die Veröffentlichungen. Das Ganze dient der verstärkten Entwicklung hin zu einer Patientenmotivation im Sinne der „oral health self care“.
Dr. Oesterreich erläutert dazu: „Die Leitfäden sind alles in allem ein von der Kollegenschaft sehr gut akzeptiertes Orientierungspaket im Rahmen unseres lebensbegleitenden Prophylaxekonzeptes und sind auch nach draußen – also im Hinblick auf die gesundheitspolitische Öffentlichkeit – ein sehr gut einsetzbares Dokumentationspaket über die vielfältigen Fortbildungsanstrengungen der deutschen Zahnärzteschaft“.
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Kindheit
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• Fissurenkaries
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• Zahnstellungs- und Bisslagefehler
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Jugend
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• Approximalkaries
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• Gingivitis
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Erwachsenenphase
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• Sekundärkaries
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• Parodontitis
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Altersphase
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• Wurzelkaries
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• Mundschleimhautveränderungen
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• Folgen von Zahnverlust
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Quelle: IDZ
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