Praxismarketing für das Jahr 2000X
Die Notwendigkeit eines professionellen Praxismarketing ergibt sich aus den schwerwiegenden Veränderungen im Gesundheitswesen. In den letzten Jahren sind die Kosten stark gestiegen. Sie werden durch die älter werdende Gesellschaft weiter in die Höhe gehen. Im 20. Jahrhundert verdoppelte sich die Lebenserwartung. In fast 25 Jahren wird jeder 3. Bürger älter als 60 Jahre sein. Setzt sich der aktuelle Zuwachs fort, so wird in 60 Jahren die durchschnittliche Lebenserwartung 100 Jahre betragen. Begleitet wird diese Entwicklung von einem zunehmenden Abbau der Leistungen im Bereich des Sozialwesens, einem Mehr an Zahnärzten und somit einer Intensivierung des Wettbewerbs. Gleichzeitig sind die Patienten informierter, kritischer und anspruchsvoller geworden. Dienstleistungen, die sie in anderen Branchen gewohnt sind, werden auf die Zahnarztpraxis übertragen und gefordert.
Die typische Form des Angebotsüberhangs zahlreicher Märkte hat sich nunmehr auch im zahnmedizinischen Bereich eingestellt. Die Folge ist eine so genannte „Käufermarkt-Situation“. Je stärker sich ein Angebotsüberhang herausbildet, desto höher wird auch die damit einhergehende Wettbewerbsintensität. Die einzelnen Anbieter versuchen sich über Leistungen, Preise, Werbung, Angebotsdifferenzierungen und eine Vielzahl anderer Maßnahmen im Wettbewerb zu profilieren.
Einen strategischen Managementansatz, mit dieser neuen Situation fertig zu werden, liefert das Marketing im Sinne einer ganzheitlichen Konzeption der Unternehmensführung. Kerngedanke des Marketings ist ein marktorientiertes Entscheidungsverhalten. Diese Einstellung kann unabhängig von der Unternehmensgröße praktiziert werden. Sie bietet somit grundsätzlich auch dem Zahnarzt eine konzeptionelle Basis, um seine Praxis erfolgreich zu führen. Die besondere Rolle und Aufgabe des Zahnarztes sowie die speziellen „Spielregeln“ des Gesundheitsmarktes erfordern jedoch eine Modifizierung des primär gewinnorientierten Marketing-Gedankens. Man spricht dann von Praxismarketing.
Mancher Patient wandert von Zahnarzt zu Zahnarzt, von Kieferorthopäde zu Kieferorthopäde, lässt sich beraten und Heil- und Kostenpläne erstellen. Aus dem Angebot wählt er dann die Therapie und die Praxis aus, die für ihn das schlüssigste Konzept und die tragbarsten Kosten hat. Dabei spielt es für ihn keine Rolle, wer ihn zuerst berät. Wichtiger ist ihm vielmehr das Gefühl, die beste und kompetenteste Therapie beziehungsweise „Dienstleistung“ zu bekommen.
Praxismarketing wird einen nicht unerheblichen Umdenkungsprozess beim Zahnarzt in Bezug auf die Führung seiner Praxis auslösen. Bei dieser Gratwanderung steht nicht mehr der Zahnarzt im Mittelpunkt einer Zahnarztpraxis, sondern sein „Kunde“, der Patient. Er wird in Zukunft zum Engpassfaktor für die Praxis. Damit werden Patientenorientierung, Kundenzufriedenheit und Empfehlungsmarketing zu strategischen Optionen auch in der Zahnarztpraxis.
Mehr als zufriedene Patienten
Vor diesem Hintergrund ergibt sich folgendes Leitbild für das Praxismarketing:
„Wir orientieren uns an den Patienten, an deren Bedürfnissen und an unseren Zielsetzungen für die Praxis. Wir bieten unseren Patienten das an, was sie wünschen oder was ihren wahrscheinlichen Wünschen optimal entsprechen wird. Dabei ziehen wir auch künftige Entwicklungen bei den Patienten und im Medizin- und Gesundheitsbereich so in unsere Konzeption mit ein, dass wir patientenorientiert flexibel mit unserem Praxisangebot und unseren Praxisleistungen auf die Bedürfnisse unserer Patienten reagieren können. Je besser uns dies gelingt, umso erfolgreicher sind wir und umso mehr erreichen wir die gesetzten Praxisziele. Wir können erst dann zufrieden sein, wenn unsere Patienten mehr als zufrieden sind.“
Besonderheiten des Praxismarketings
Marketing für Zahnarztpraxen ist grundsätzlich dem Dienstleistungsmarketing zuzurechnen. Der Zahnarzt als „Produzent“ ist selbst Teil des Marketings. Er muss sich mit seinem Verhalten und Auftreten gegenüber den Patienten und seinem Team einerseits an den Erfordernissen des Marktes und seiner Zielsetzungen, sowie insbesondere an denen seiner Patienten orientieren. Andererseits muss der Zahnarzt neben der fachlichen Qualifikation auch die Fähigkeit besitzen den Patienten zu „führen“, zu beraten, mit ihm seine Probleme zu erörtern, sozial kompetent zu agieren und darüber hinaus allgemein zu kommunizieren. Der Patient ist in diesem Prozess ein ambivalentes Marketingproblem. Von der Bereitschaft mit dem Zahnarzt zusammenzuarbeiten, der„Compliance“, hängt der Erfolg der zahnärztlichen Dienstleistung wesentlich ab. Er muss also doppelt motiviert werden: einmal dazu, den Zahnarzt aufzusuchen und dann bei der Behandlung, sowohl bei der Diagnose wie auch bei der Therapie, mitzuarbeiten. Dabei ist es ausschlaggebend wie überzeugt und motiviert der Zahnarzt selber ist.
Praxismarketing erlebbar machen
Im Praxismarketing haben oft Kleinigkeiten Symbolcharakter, die auf die Bewertung der Praxisleistung ausstrahlen.
Freundlichkeit ist zum Beispiel eine Grundvoraussetzung des Patienten an jede Praxis und nicht eine Zusatzleistung. Der Umgang im Praxisteam, die Termintreue bei Behandlungen, die Gestaltung des „Wartezimmers“ – sofern zu fragen ist, ob dieser Ausdruck überhaupt noch zeitgemäß ist – Art, Zustand und Aktualität des Lesestoffes oder des Kinderspielzeugs, der Pflegezustand der Pflanzen in der Praxis, die Sympathie erweckende, einheitliche Kleidung des Praxisteams und das allgemeine Ambiente sind Hilfs-Indikatoren für den Patienten, um die Praxisqualität in menschlicher und fachlicher Hinsicht zu beurteilen. Eine qualitative Studie zeigt, dass fachliche Kompetenz eng mit sozialer Kompetenz verknüpft ist. Tritt eine kompetente Praxis unfreundlich auf, so stellt der Patient die fachliche Kompetenz in Frage. Sie wird als geringer eingestuft als bei einer freundlichen Praxis. Diese wird wiederum als deutlich kompetenter erlebt.
Internes Praxismarketing
Patientenbeziehungsweise „Kundenorientierung“ nach außen kann nur funktionieren, wenn diese Orientierung intern in der Praxis ihren Anfang findet. Das Mitarbeiterteam muss diese Praxisphilosophie verinnerlichen, um sich marketingorientiert verhalten zu können, sowohl den Patienten gegenüber, als auch seinem „Chef“ und den Kollegen und Kolleginnen.
Dabei darf das marketingorientierte Teamverhalten jedoch nicht als Summe der Verhaltensweisen, zum Beispiel aller Helferinnen und Laborangestellten in der Praxis, betrachtet werden. Es kommen zusätzliche Aspekte unter anderem der gemeinsamen „Sprache“, der Kommunikation, des einheitlichen „Auftretens“ hinzu. Auch hier gilt die Maxime der „Kunden“-Orientierung im Innenverhältnis.
Dieser Ansatz bedeutet mehr als verbindliche Umgangsformen, gleiche Arbeitskleidung oder Namensschilder. Internes Praxismarketing heißt, dass an den Schnittstellen des arbeitsteiligen Praxisprozesses eine Beziehung – analog zur „Kunden-Lieferanten“-Beziehung in anderen Wirtschaftszweigen – zwischen den Mitgliedern des Praxisteams aufgebaut und gepflegt wird.
Zwischen den einzelnen Bereichen der Praxis sollte gleiches kundenorientiertes Qualitäts- und Servicedenken herrschen wie dies nach außen zum Patienten hin angestrebt wird. Man praktiziert interne Kundenorientierung in dem Sinne, dass man seine Kollegen genauso bedarfsgerecht, freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend behandelt, wie man dies aus Patientensicht ebenfalls erwartet. Der Nutzen des internen Marketings spiegelt sich dann unter anderem auch in einer höheren Zufriedenheit der externen Kunden, der Patienten wider.
Je konsequenter und besser der Marketing-Gedanke innerhalb der Praxis umgesetzt wird, desto einfacher wird sich auch die Marketing-Orientierung zum Patienten nach außen hin gestalten lassen.
Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Sabine NemecRosenstr. 1263450 Hanauww.snhc.de
Prof. Dr. Helmut BörkircherÖtisheimer Str. 2375443 Ötisheim