Erste Erfahrungen mit Cerec 3D

3D-CAD/CAM für jedermann in Praxis und Labor

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Heftarchiv Zahnmedizin
Die Entwicklungsschritte bei Cerec 1 bis 3 zwischen 1980 und 2003 brachten stets Neues, aber die 3D-Software übertrifft als Innovation alle Erwartungen.
Die Anschaulichkeit des 3D-Modells und der einfachen Bedienungswege sowie die verbesserte Oberflächen- und Randqualität der Restaurationen dürften das System auf dem Weg zum universellen CAD/CAM-Produktionsgerät für keramische Restaurationen, Inlays, Veneers, Teil- und Vollkronen bis zu mehrgliedrigen Gerüstbrücken einen deutlichen Schritt voranbringen. Der vorliegende Bericht fasst die Erfahrungen eines Teams in Klinik und Unterricht zusammen.

Die restaurative Zahnmedizin spielt sich in einer dreidimensional farbigen Umwelt ab. Cerec 3D (Sirona) erzeugt ein dreidimensional farbiges, quasi-reales Arbeitsmodell in zwölffacher Vergrößerung und übertrifft damit als Arbeitsunterlage das physische Modell. Die Präparation präsentiert sich maßgetreu mit der räumlichen Auflösung von 25 Mikrometern. Das 3D-Modell ist frei im Monitorraum dreh- und verschiebbar, wodurch der Zahnarzt seine Präparationen und die von ihm konstruierten Restaurationen von allen Seiten kontrollieren kann. Damit übertrifft das digitale Modell das Gipsmodell auch in der Handlichkeit. Der Hochleistungscomputer (Pentium 4) der aktuellen Cerec 3 Geräte setzt mit der 3D-Software mehrere optische Abdrücke in wenigen Sekunden zu einem Zahnreihenmodell mit Gegenbiss zusammen. Dadurch kann die Okklusion in Zentrik berücksichtigt werden [1]. Während sich die Softwaredarstellungen der Vorgängerversionen bei Cerec 1 bis 3 noch zweidimensional am technischen Zeichnen orientierten [2-4], bringt Cerec 3D die gewohnte Welt des Zahnarztes und Zahntechnikers unmittelbar auf den Bildschirm [5]. Allein die Anschaulichkeit des 3D-Modells ist faszinierend (Abb. 2) und erlaubt der zahnmedizinischen Normalperson, mit dem System zurecht zu kommen, CAD/CAM-Experten sind dazu nicht erforderlich.

Selbsterklärende Bedienungselemente

Durch das Anwählen der anatomischen Standardansichten mit farbkodierten Richtungspfeilen für mesial, distal und mehr ist die Orientierung des Modells im dreidimensionalen Raum jederzeit gewährleistet (Abb. 2). Aus dem Modell lässt sich der präparierte Zahn durch das Einzeichnen approximaler Trennlinien im Sinne eines Sägeschnittmodells von den Nachbarzähnen separieren. Die Nachbarzähne können je nach Bedarf auch mit der „Trim”-Funktion aus- und wieder eingeblendet werden (Abb. 3). Die Stärke der approximalen und okklusalen (Abb. 4 und 6) Kontakte kann mit den Funktionen „Contact” und „Antagonist” mittels Farbkodierung perfekt eingestellt werden. Das Okklusionsbeziehungsweise Funktionsregistrat wird eingeblendet (Abb. 5). Die Anlagerung der Antagonistenfläche an die Kronenkaufläche kann im Schnittbild kontinuierlich von mesial nach distal im gesamten okklusalen Kontaktbereich abgefahren werden (Abb. 5).

Anatomie aus der Datenbank

Die Zahnanatomie wird vom 3D-System bei Inlays, Teilkronen und Vollkronen aus verschiedenen Zahndatenbanken mittels digitalisierten Zahnformen zur Verfügung gestellt. Alternativ kann die Okklusalmorphologie einer funktionell suffizienten Goldkrone (Abb. 1) für die neue vollkeramische Krone im Modus „Korrelation” mit einem optischen Abdruck kopiert und unverändert in die formgeschliffene Keramikkrone übernommen werden. Im nachfolgenden Fallbericht übernahmen wir die digitale Morphologie zur Neugestaltung der Krone aus der Zahndatenbank, und die Okklusion gestalteten wir unter Berücksichtigung des Antagonisten. Das System fügt die Zahndatenkrone exakt auf den zervikalen Rand der Präparation und im Sinne eines Vorschlages in die Zahnreihe ein. Übrigens, die Eingabe des Präparationsrandes unterstützt Cerec 3D mit einer verblüffenden automatischen Kantenfindung. Für die Feinanpassung der Datenkrone an die individuelle Morphologie und das Gebrauchsgebiss des Patienten in Position, Größe, Gestalt und in Bezug auf die approximalen und okklusalen Kontakte, wird das „Design”-Werkzeug eingesetzt (Abb. 2).

Anpassen der Krone mit „Design”

Das Designwerkzeug symbolisiert die Zahnflächen (mesial, distal und mehr) mit Kreissegmenten, die mit denselben Farben wie die Standardansichten des Modells kodiert sind (Abb. 2). Soll die Krone in eine dieser Richtungen neu positioniert („Position”), rotiert („Rotate”), als Ganzes oder in Teilen vergrößert/verkleinert beziehungsweise erhöht/ abgesenkt („Scale”), oder Bereiche der Oberfläche nach Außen oder Innen verändert werden, so ist dies intuitiv schrittweise durch Anklicken der Richtungs-Schaltflächen mit Sichtkontrolle auf dem Modell möglich. Die gewohnte additive und subtraktive Arbeitsweise des Zahnarztes beziehungsweise Zahntechnikers ermöglicht ein zusätzliches Werkzeug („Drop”), mit dem der tropfenweise Auftrag von Material möglich ist. In einer zweiten Funktionsstufe kann das aufgetragene Material wieder geglättet und reduziert werden. Dieses Werkzeug eignet sich vorzüglich zum Ausgleichen kleiner Unebenheiten oder zum Anpassen von Konturen und erfreut sich der besonderen Beliebtheit der Anwender. Mit der Schaltfläche „Edit” können die elementaren Gerüstlinien, die Boden-, Äquator-, Höckerrandleisten- und Fissurlinien einer Krone, sichtbar gemacht und editiert werden. Bei Inlays und Teilkronen sind auch die Linien-Ansatzpunkte editierbar.

Die Lernkurve

Die Lernkurve ist bei Studenten, Zahnärzten und Zahntechnikern gegenüber allen früheren Software-Versionen stark verkürzt und bewegt sich auf dem gleichen Niveau wie bei anderen zeitgemäßen Geräten. Der Benutzer wird nicht mehr auf das Glatteis einer ihm fremden CAD-Arbeitsunterlage geführt. Die Benutzung des CAD/CAM-Systems artet nicht in einen technischen oder manuellen Intelligenztest aus, der zu fürchten wäre. Im Gegenteil machen die Automatismen des Präparationsrandfinders und des darauf folgenden Designvorschlages für das fertige Inlay die Konstruktion mit den ergänzenden Anpassungen zu einer spielerischen Angelegenheit. Die Umsetzung der digitalen Konstruktionen in saubere, exakt passende keramische Werkstücke durch die verfeinerte Steuerung der Formschleiftechnik auf der Basis des 3D-Systems ist stets verblüffend (Abb. 7). Das Lernergebnis unserer eintägigen 3D-Intensiv-Kurse für Zahnärzte und Zahntechniker ermöglicht den direkten Einstieg in die Anwendung von Inlays, Teil- und Vollkronen in der Praxis oder im Labor. Im propädeutischen Studentenkurs wenden wir 15 Stunden für die Fertigung von Inlays und Teilkronen inklusive der adhäsiven Befestigung auf. In den klinischen Semestern ist die direkte beziehungsweise indirekte CAD/CAM-Restauration (Cerec) fester Bestandteil des Curriculums, alle Arbeiten sind testatpflichtig.

Klinischer Fall: Präparation und optischer Abdruck

Eine 57-jährige Patientin (G. A.) wünschte den Austausch sämtlicher Goldrestaurationen durch keramische Restaurationen aus ästhetischen Gründen. Wir versorgten zuerst die mesialen und distalen Nachbarzähne der Goldkrone (Zahn 46) (Abb. 1a), entfernten die Goldkrone und stellten das gesunde Restdentin dar (Abb. 1b). Der Zahn reagierte im Kältetest mit CO2-Schnee positiv. Die Kronenränder lagen supragingival (Abb. 1b). Wir präparierten eine ein Millimeter breite zirkuläre Stufe. Der Substanzdefekt im Stumpfbereich wurde nicht aufgebaut (reduzierte Präparation) [7]. Die Konstruktion führten wir mit dem Modus „Zahndatenbank“ mit Zentrikregistrat durch. Wir trimmten das Zentrikregistrat (Metal-Bite, R-Dental) approximal mit dem Skalpell derart, dass die Nachbarzähne nur noch knapp überdeckt waren und reponierten es mit exaktem Sitz (Abb. 1c). Die Nachbarzähne mattierten wir mit weißem Puder (Vita), nahmen den optischen Abdruck vom Registrat und ergänzten diesen durch eine mesiale und eine distale Erweiterungsaufnahme [6]. Dann nahmen wir das Registrat ab, sprühten das alte Puder ab, puderten die Präparation und die Nachbarzähne erneut und nahmen je einen optischen Abdruck von der Präparation und von den mesialen und distalen Nachbarzähnen.

Konstruktion der Krone im Detail

Das System verrechnete alle sechs Aufnahmen zum 3D-Modell (Abb. 2). Die Nachbarzähne stellten wir mit der „Trim“-Funktion frei und gaben die zervikale Kantenlinie ein (Abb. 3). Die Kantenlinie kontrollierten wir auf dem 3D-Modell von allen Seiten und riefen mit dem grünen „Weiter“-Pfeil die betreffende Kronenform aus der morphologischen Zahndatenbank ab (Abb. 4). Mit Hilfe der Funktionen „Rotation“ und „Position“ passten wir die Datenkrone in die Zahnreihe ein. Im Modus „Aufnahmen korrigieren“ trimmten wir das Okklusionsregistrat bis auf die Impressionen der tragenden Höcker und der Hauptfissur und wählten in der Funktion „Antagonist“ den Modus „Antagonistenfläche“ (Abb. 5). Die Antagonistenfläche kann in die registrierte Kontaktposition bewegt, aber auch wieder in Disklusion gebracht werden. In vollständigem Kontakt zeigte sie, im Sinne einer virtuellen Kontaktfolie, zu hohe Areale an den bukkalen Höckern und am mesio-lingualen inneren Höckerabhang (rot: >100 Mikrometer; gelb: 50-100 Mikrometer; grün: 0-50 Mikrometer) an (Abb. 5, 6). Um diese zu korrigieren, reduzierten wir beide bukkalen Höcker mit dem „Scale“-Werkzeug. Feinkorrekturen nahmen wir mit den Werkzeugen „Glätten“ und „Shape“ vor. Beim Übergang von Grün nach Blau liegt konstruktiv kein Vorkontakt mehr vor. Nach 15 Minuten Formschleifzeit entnahmen wir die Krone (Mk II Keramik, Farbe 2 M 1 C; Vita Zahnfabrik) aus der Schleifkammer und schliffen den Ansatzzapfen manuell ab.

Adhäsives Einsetzen

Das Arbeitsfeld legten wir mit Kofferdam absolut trocken. Wir polierten die in feiner Vorpoliturqualität formgeschliffene, matte Kronenoberfläche approximal mit flexiblen Disks (Sof-Lex, 3M), setzen die Krone probeweise ein und kontrollierten die approximalen Kontakte sowie die zervikale Passgenauigkeit (Abb. 7). Die Innenfläche der Krone ätzten (Ceramics Etch, Vita) und silanisierten wir (Monobond S, Ivoclar Vivadent) und versiegelten den Zahnstumpf mit dem Syntac-Heliobond-System (Ivoclar Vivadent) [8]. Die Krone setzten wir mit Variolink Ultra Base (Variolink Ultra, lichthärtende Komponente, Ivoclar Vivadent) ein und härteten das Befestigungskomposit sechs Minuten mit einer Polymerisationslampe (Astralis 10, Ivoclar Vivadent). Nach Entfernen des Kofferdams glätteten wir Kompositüberschüsse im Fugenbereich mit 40 Mikrometer- und acht Mikrometer-Proxoshape P2 Feilen (Intensiv) und polierten die Fugenoberfläche mit flexiblen Disks (3M). Zentrische Vorkontakte, falls noch vorhanden, markierten wir mit Hanelfolie und schliffen diese ein. Die Protrusion, Mediotrusion und Laterotrusion kontrollierten wir und schliffen diese falls erforderlich ein, um eine störungsfreie Okklusion in Statik und Dynamik zu erzielen. Wegen der realitätsnahen 3D-Konstruktion reduzierte sich das Einstellen der interferenzfreien Okklusion auf etwa fünf Minuten. Die Kronenoberfläche polierten wir mit flexiblen Disks, einer Occlubrush Bürste (Kerr Hawe) und mit Diamantpolierpaste (Vita) auf Hochglanz (Abb. 8, 9).

Diskussion

Dentales CAD/CAM zur Produktion von keramischen Restaurationen in der eigenen Praxis oder im eigenen Labor wurde in der Vergangenheit von der Mehrheit der Zahnärzte und Zahntechniker als exotisch, in Technik und Ergebnis unvollkommen, zu wenig erprobt und in der Anwendung zu aufwändig und kompliziert angesehen. Aktuell sieht das Bild anders aus: Im Januar 2003 arbeiteten mehr als 50 Praxen in der Stadt Zürich (12,5 Prozent) mit Cerec, mit stark zunehmender Tendenz seit der Präsentation von Cerec 3D. Die Gewährleistung für Werkstück-Arbeiten beträgt in der Schweiz zehn Jahre. Die seit 1985 in unserer Klinik angewendete defektorientierte Restauration mit Inlays, Teilkronen [2] und später Vollkronen [7, 8] bei adhäsiver Befestigung mit Kompositmaterialien [9-14] hat sich klinisch bewährt. Die sorgfältige Umsetzung und der klinische Erfolg keramischer CAD/CAM Restaurationen ist in mehreren Langzeitstudien über zehn Jahre in privaten Zahnarztpraxen in Deutschland, der Schweiz und international dokumentiert [15-23]. Eine hohe Akzeptanz der Cerec 3D chairside Anwendung ist auch in USA erkennbar [24-28]. Das hohe Interesse der Zahntechniker an Cerec 3D inLab zeigt sich bei Veranstaltungen in unserem Hause. Sie fertigen speziell Gerüstkronen und Brücken unter Verwendung von In-Ceram YZ Cubes Zirkonoxid Hochleistungskeramik, die mit VM 9 Keramik (Vita) verblendet werden, aber auch vollkeramische Primärteleskope [29]. Unsere Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem zahntechnischen Labor erstrecken sich auf über 70 Seitenzahnbrücken und sind durchwegs positiv. Seit das gesamte inLab 3D-Programm für die Zahntechnik zur Verfügung steht, wird es von dieser Seite als fachlich und ökonomisch vollwertige Alternative zu den etablierten dentalen Produktionswegen angesehen. Nach unserer Ansicht macht die Cerec CAD/CAM-Technologie durch die 3D-Darstellung einen entscheidenden Schritt zur allgemeinen Anwendung in der restaurativen Zahnmedizin. Ein Amerikaner bringt es auf den Punkt: „dentists will need this revenue-generating technology just to keep up” [28]. Dies dürfte nach unserer Erfahrung in Zukunft auch für Zahnärzte und Zahntechniker in Deutschland und in der Schweiz zutreffen.

Prof. Dr. Dr. Werner MörmannDr. Andreas BindlUniversität Zürich, Zentrum für Zahn-,Mund- und KieferheilkundePlattenstraße 11, PostfachCH-8028 Zürich

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