Bieten und Steigern vom Sessel aus

Spektakuläre Angebote, wie ein U-Boot für 100 Millionen (Kauf gestoppt) oder diverse Kampfjets, gelangen bei Internet-Auktionen an die Öffentlichkeit, genauso wie skurrile Artikel. Die alte MIG 21 etwa fand für 250 000 Euro einen Käufe. Das angebissene Brötchen lag zwar irgendwann bei der Summe von 10 000 Euro, der Kaufabschluss kam aber nicht zu Stande, da es sich ganz offensichtlich um einen Jux handelte. Die Rede ist von ebay, einem der Deutschen liebsten Kinder. Mittlerweile sind mehrere Millionen Bundesbürger beim Internetauktionshaus ebay – unter allerlei zum Teil peinlichen Namen, wie roter Pushuphase oder Stinkbärchen, – registriert, um Ramsch und Krimskrams zu verhökern. Nicht ganz, schließlich liegt ebay in vieler Hinsicht voll im Trend. So manche Ich-AG verdankt rasantem Umsatz ihr Leben.

Dabei sind bei ebay nur eherne Grundsätze von Angebot und Nachfrage neu belebt worden. Andere Internetauktionen (etwa OneTwoSold.de oder Zahnarzt-Auktion.de) haben bei weitem nicht den Zuspruch. Der Kauf respektive das Bieten kann bequem von zu Hause aus erledigt werden. Der Verkäufer muss keine teuren Verkaufsräume vorhalten, sondern lagert kostengünstig im Keller oder in irgendwelchen Randgebieten. Was als Kunstaktion gestartet wurde, hat längst weite Bereich des allgemeinen Lebens erreicht. Natürlich deckt der Kunstund Hobbybereich noch heute weite Teile ab. Ob man Sammelfiguren aus Überraschungseiern, Swatchuhren oder die Rolex sucht, hier ist das Angebot am Größten.

Auch der professionelle Bereich wächst. So finden sich regelmäßig zwischen 1 000 und 2 000 Angebote allein für den zahnärztlichen Bereich. Der Zugang ist relativ einfach. Man startet auf der Startseite von „ebay.de”. Von dort gibt es weitere Verzweigungsmöglichkeiten und man gelangt via Business & Industrie auf die Unterverzweigung Medizinbedarf & Zahnmedizin. Hier findet der Zahnarzt die Angebote fein säuberlich in weitere Gruppen untergliedert.

Vor allem Verbrauchsartikel lassen sich hier leicht verhökern. Auch Ersatzteile für längst nicht mehr hergestellte Gerätschaften sind beliebte Artikel. Spricht man aber ein richtiges Dentaldepot auf die Auktionspreise an, erfährt man schnell von der Kehrseite der Medaille: keine Garantie, keine Beratung, auch dubiose Anbieter, die im Streitfall nicht greifbar sind, der Kundendienst sowieso gleich null und ein Angebot, das stark vom Zufall geprägt ist. Das ist natürlich alles nicht verkehrt. Aber die Firmenphilosophie, die auf dem Guten im Menschen basiert, ist schon interessant, und tatsächlich ist zu erleben, dass die überwiegende Zahl der Transaktionen seriös über die Bühne geht.

Ein ausgeklügeltes Bewertungssystem der ebay-Mitglieder sorgt für eine gewisse Transparenz, schwarze Schafe werden zwar relativ schnell erkannt, nur für den Betroffenen ist es dann zu spät. Klagen bei Summen unter 250 Euro sind meist sehr mühsam, wenn sie nicht gleich wieder eingestellt werden. Zudem wird mit dem Bewertungssystem der Datenschutz aufgeweicht. So ist es unter Umständen sehr leicht möglich, das Kauf- oder Verkaufsverhalten einzelner ebay-Mitglieder nachzuvollziehen. Schließlich geht es eigentlich niemanden etwas an, ob man Pampers oder Kaviar über das Internet bestellt hat oder die alte Stereoanlage verkaufen möchte.

Der Umsatz des Auktionshauses ist mittlerweile so groß geworden, dass sich das Finanzamt mit einer eigens entwickelten Software um die Transaktionen kümmert. Und für so manchen, der sich in den Weiten des Webs sicher fühlte, gab es ein böses Erwachen. Wem nachzuweisen ist, dass er Ware gewerblich anbietet, der kommt in den Genuss der gleichen Steuer-Maßstäbe wie andere Gewerbetreibende auch. Dafür reichen unter Umständen wenige Angebote. Glück hatte jener, der für den Verkauf seiner großen LP-Sammlung Umsatzsteuer zahlen sollte. Da das Angebot nicht unendlich war, und es sich um eine einmalige Aktion handelte, traf das Attribut „gewerblich” nicht zu. Ansonsten sind die Gedankengänge unserer Finanzbehörden nicht immer nachvollziehbar. Wie schnell erleben wir, dass ein verlustträchtiges Unternehmen dem Signet „Hobby” anheim fällt. Betrachtet man aber den Aufwand, der für die Überwachung des Bietens und des Zahlungsverkehrs notwendig ist, dazu den Aufwand für die Abwicklung von Verpacken und Versand, dann bedarf es allerdings einer ordentlichen Kalkulation, um damit einen überlebensfähigen Erlös zu erzielen.

Mittlerweile rankt sich so manche Geschichte aus dem Reich der Fabeln um ebay. Die Auktionen zeigen letztlich, dass zuweilen selbst der Unterhaltungswert des Angebots recht groß ist – auch im zahnmedizinischen Bereich. Vielleicht gehört nur etwas Mut dazu, wenn man ein Dentallabor über eine Auktion aussucht und den Preis für eine Keramikkrone abseits von BEL über die Steigerung bestimmt (Artikel 2568926889).

Praxisinterne Fortbildungen lassen sich schon ab einem Euro ersteigern. Und wer seine alte Behandlungseinheit nicht gleich auf den Schrott werfen will, kann sich das Angebot eines Kollegen mal näher betrachten, der seinen alten Stuhl als „sm-tauglich“ anpreist (was immer auch darunter zu verstehen ist). Von Vorteil ist, den gesunden Menschenverstand auch im Eifer des Gebots zu bewahren: Sobald sich Bieter gegenseitig bei gebrauchten Waren über den Neupreis hochsteigern, sollte dies schon zu denken geben. Das genaue Lesen des Angebots ist sehr wichtig. Häufig liest man: „wird als defekt verkauft“, auch dies spricht ja eigentlich schon Bände. Die Zweifel werden groß, wenn man etwa bei einer kompletten Praxis mit drei Behandlungseinheiten – ab einem Euro wohlgemerkt, liest, dass man nur für die 15 MB-große Bilddatei der Praxis bietet. Die Praxis selber kann man dann für 15 000 Euro vor Ort kaufen. Dass Satire kaum Grenzen kennt und die Realität oftmals die beste Satire ist, dürfte damit täglich zu belegen sein.

Tobias BauerHauptstraße 4278224 Singen