Parasiten in Sushi und Sashimi – Viren gegen multiresistente Bakterien
Dass man – besonders bei Fernreisen in exotische Länder – seine Lebensmittel „kochen, schälen oder lassen“ sollte, hat sich inzwischen herumgesprochen. Aber inzwischen werden Essensbräuche aus fernen Ländern auch nach Deutschland importiert, so genannte Ökotouristen suchen bei einsamen Bergvölkern Innerasiens bewusst die Tuchfühlung mit den Einheimischen (auch in deren Lebensgewohnheiten) und nicht einmal ein idyllischer Badesee hier zu Lande ist frei von Gefahren durch Parasiten.
Einige Informationen und deren praktische Konsequenzen seien hier zusammengetragen:
•Gerichte mit rohem Fisch:Die Gefahren lauern nicht so sehr im „verdorbenen“ Fisch. Ob ein Fisch „frisch“ ist, schmeckt man besonders bei rohem Fischfleisch sofort. Nicht erkennen kann man die mikroskopische Mitgift in vielen Fischen, die etwa für Sushi, Sashimi oder auch – in Madrid ein Nationalgericht – Gerichte aus eingelegten rohen Anchovis verwendet werden. Prof. Nawa berichtet, dass praktisch alle in Sushi verwendeten japanischen Süßwasserfische mit Wurmlarven infiziert sind. Das hat Folgen: Japaner sind gewohnt, dass sie häufig und transient gastrointestinale Beschwerden haben. Nirgendwo sonst in der Welt werden so viele Mittel gegen Magen- oder Darmleiden eingenommen. Aber, in einer wachsenden Zahl von Fällen verlaufen diese Infektionen schwer. 1994 kamen 50 Verdachtsfälle in Nawas Institut, im Jahre 2000 waren es bereits mehr als 400. In etwa der Hälfte der Fälle gingen die schweren gastrointestinalen, kardiovaskulären oder neurologischen Symptome der Patienten auf Parasiten zurück. Prof. Ignacio Moneo von der Universität Madrid berichtet Ähnliches von eingelegten Anchovis. Der Verzehr des dort geläufigen Fisches exponiert die Konsumenten dem Fischwurm Anisakis. Seine Aufnahme mit der Nahrung führt in der Regel zu einige Wochen anhaltenden allergischen Symptomen, kann aber auch Schockzustände oder schwere gastrointestinale Symptome auslösen. Allein in Madrid sind nach neueren Erhebungen etwa 400 000 Personen gegen Anisakis sensibilisiert.– Ein Ratschlag der Experten: Gehen Sie möglichst noch vor Ort zum Arzt, wenn nach Fischmahlzeiten etwas nicht stimmt. Er kennt wahrscheinlich die Symptomatik und eine wirksame Therapie. Und: Rechnen Sie auch mit Spätsymptomen. Schließlich gehen offenbar viele „Nahrungsmittelallergien“ nicht auf die verteufelte „Chemie“, sondern auf natürliche Antigene von Parasiten zurück. – Nichts zu hören war in Prag über deutsche Gerichte mit rohem Fisch, wie Rollmops oder Bismarckhering.
•Wassergemüse:Die Schweizer Parasitologin Dr. Sophie Odermatt-Biays, Vientiane, Laos, ging neben all’ den Zoonosen aus dem Umgang mit Schweinen, Hunden oder Hühnern beziehungsweise dem Verzehr von rohen Schnecken und Fischen noch auf eine unerwartete Variante von nahrungsbedingten Parasitosen ein: In Laos werden Wasserpflanzen kultiviert, die dann als Salat gegessen werden. Die verschmutzen Gewässer enthalten viele Leberegel, deren Larven mit dem Salat in den Verdauungstrakt des Menschen gelangen. Vor allem Kinder erkranken daran recht schwer. Diagnostisch ist eine Eosinophilie im Blutbild pathognomisch, das Wurmmittel Paraziquantel, das hier zu Lande nicht erhältlich ist, wirkt zuverlässig – man braucht vor Ort nur einen kundigen Arzt. Grundsätzlich gilt: Auch bei viel gesuchter Naturnähe in alternativen Reiseplänen sollte die Hygiene (siehe oben) nicht vernachlässigt werden.
•Badedermatitis:Die Professorin Libuse Kolarova von der Universität Prag führte die Zuhörer schließlich wieder in heimische Gefilde. Hier lauern die Larven des Pärchenegels, Zerkarien also, die besonders dort reichlich im Wasser zu finden sind, wo Wasservögel brüten oder überwintern und auch Wasserschnecken als Zwischenwirt zur Verfügung stehen. In der Regel bleiben die Zerkarien in der Haut und führen dort – bei guter Abwehrlage des Betroffenen – zu allergischen oder später auch zu pustulösen entzündlichen Reaktionen, die von sich aus wieder abklingen. Verdacht auf eine solche Badedermatitis besteht immer dann, wenn alle dem Wasser ausgesetzten Hautpartien betroffen sind. Bei anfälligen Personen gelangen die Zerkarien aber durch die Haut und über die Blutbahn in Leber, Lunge oder ZNS und richten dort – obwohl nur einige Wochen zugegen – erheblichen Schaden an. Diese Patienten zeigen übrigens in der Regel keine Hautreaktionen (!). Abwehrschwache sollten also aus Vorsichtsgründen ein Bad im Freien meiden.
Multiresistente Erreger
Seit Jahren beobachten Fachleute weltweit mit großer Sorge, dass immer mehr Erreger verbreiteter Infektionserkrankungen, wie der Lungenentzündung oder der Tuberkulose, gegen gängige Antibiotika resistent werden. Beispielsweise ist Streptococcus pneumoniae in weiten Teilen Zentral- und Westeuropas in etwa der Hälfte der untersuchten Proben gegen das gängige Antibiotikum Erythromycin resistent (Abbildung 1). Der Bedarf nach neuen Antibiotika, aber auch nach völlig neuen Behandlungsansätzen, ist so groß, dass Firmen wie Bayer – einstmals Pioniere auf diesem Gebiet – wieder in die Antibiotikaentwicklung einsteigen. So wurde auf dem Prager Kongress mit BAY 73-7388 der erste Vertreter einer neuen Antibiotikaklasse (Aminomethylzykline = AMCs) vorgestellt. Das mit Paratek zusammen weiterentwickelte Antibiotikum ist nach i.v.-Gabe auch bei multiresistenten Keimen wirksam, gleichgültig ob es sich um gram-positive, gram-negative, atypische oder anaerobe Bakterien handelt.
Schwieriger ist die Situation bei der Tuberkulose (Tb). Hier sind vier Antibiotika im Einsatz, eine Resistenz gegen bis zu drei von ihnen wird vor allem aus der Russischen Föderation, Usbekistan, Kasachstan und den baltischen Republiken gemeldet. Dagegen haben Zentral- und Westeuropa sowie Afrika (noch) kaum Resistenzen zu vermelden. Doch die Öffnung der Grenzen macht eine Vorbereitung auf Multiresistenzen bei der Tb erforderlich – mangels neuer Antibiotika wird man hier vor allem auf die Hygiene und gute Abwehrkräfte setzen müssen.
Es sei denn, ein lange Zeit spekulativer Ansatz in der antibakteriellen Schlacht wird spruchreif: Der Einsatz von speziellen Viren, die Feinde der besonders gefährlichen Bakterien sind, also von Bakteriophagen. Diese Viren lassen sich relativ leicht gerade aus den besonders gefährlichen Subspezies der geläufigen Erreger isolieren, kultivieren und dann oral, intravenös oder topisch auf der Haut beziehungsweise über Aerosole applizieren. Sie haben den Vorteil, dass sie hoch spezifisch nur den eigenen Wirt befallen, also nur ihr Zielbakterium, nicht aber zum Beispiel eukaryontische Säugetierzellen. Auf der ECCMID wurden solche Bakteriophagen diskutiert, die gegen Staphylococcus aureus oder Verotoxin-1-haltige Escherichia coli gerichtet sind. Ersterer ist auch bei schweren Atemwegsinfektionen virulent, letztere verursachen weltweit die gefürchtete hämolytische Kolitis und das hämorrhagische Fieber. – Eine praktische Anwendung von Bakteriophagen am Patienten wird allerdings wohl noch einige Jahre auf sich warten lassen.
Tödlicher Sprung über Speziesgrenzen
Erwähnt werden soll noch der wegweisende Plenarvortrag von Prof. Albert Osterhaus, Universität Rotterdam. Seine „Hot topic lecture“ hatte den Titel „Catastrophes after crossing species barrier: lessons from SARS, influenza ...“. Nach seinen Ausführungen gehen viele der durch Viren bedingten großen Seuchenzüge von Erregern aus, die aus anderen Lebewesen (Spezies) auf den Menschen übergegangen sind. Hierbei werden bekannte, humanpathogene Viren durch ihre vom fremden Wirt entlehnte Hülle zunächst für das Immunsystem des Menschen weitgehend „unsichtbar“. Bis das menschliche Abwehrsystem diesen fatalen Fehler erkennt, hat sich der Erreger oft schon unerreichbar eingenistet.
Osterhaus erinnerte an die Influenza-Pandemie vor knapp 90 Jahren, an der mehr als 20 Millionen Menschen starben. Ziemlich sicher wurden die Viren über Hühner, die speziell in Fernost sehr eng mit dem Menschen leben, „geschärft“. Ähnliche Verhältnisse haben wir bei Aids, beim Dengue-Fieber, BSE, SARS, der Hühnergrippe oder dem West-Nil-Virus. Bisweilen sind die tierischen Reservoire unklar, wie etwa bei SARS, wo Wildtiere und ausnahmsweise nicht die Hühner der Ursprung sein sollen.
Was können wir tun – außer einen sorgsamen weltweiten Beobachtung der Seuchenzüge mit dem Versuch, rechtzeitig Vakzine zu produzieren? Sicherlich ist immer auch Hygiene angesagt, bei Reisen in Länder mit geringerem Standard auch eine gute Distanz zu Tieren. Für den Hausgebrauch hier zu Lande: Osterhaus neigt dazu, Eiern von frei laufenden Hennen zu misstrauen, da diese Tiere sehr viel mehr Möglichkeiten haben, sich durch Erreger aus anderen Spezies zu infizieren. Doch, mit dieser Meinung dürfte er in Kreisen, die für eine artgerechte Tierhaltung plädieren, auf wenig Gegenliebe stoßen.
Till Uwe Keil