Raucher, Ex-Raucher oder Nie-Raucher
Es besteht kein Zweifel, dass Rauchen epidemiologisch betrachtet in Mitteleuropa eine der bedeutendsten Ursachen für vorzeitigen Tod und für Krebsleiden ist. Die gravierenden Auswirkungen des Tabakrauchs auf das Parodont konnten mehrfach übersichtlich dargestellt werden [Schenkein, 1995; Müller HP, 2000; Karbakhsch 2001; Petersilka G, 1998; Bergström J, 1989]. Das Rauchen gilt als Risikofaktor für die Etablierung und Progression von entzündlichen parodontalen Erkrankungen (Risikokompendium Parodontitis, DGP 2002). Eindeutige Assoziationen zwischen Tabakkonsum und parodontalem Attachmentverlust wurden in zahlreichen Querschnitts- und Longitudinalstudien belegt [Haber, 1994; Haber u. Kent, 1992; Haber et al., 1993; Horning, 1992; Machtei et al., 1997; Preber, 1990; Preber et al., 1992; Stoltenberg et al., 1993; Hashim et al., 2001; Horning et al., 1992].
Seit langem wird eine anamnestische Erfassung des Tabakkonsums befürwortet, da er als einer der bedeutendsten Risikofaktoren für die verschiedensten Mundhöhlenkarzinome gilt [Allard, 2000; Moreno-Lopez et al., 2000; Reichart, 2000; Reichart, 2001].
Die Anamnese – der Rauchstatus
Das anamnestische Erfragen von Rauchgewohnheiten ist ein komplexes Unterfangen, wobei man sich auf die wahrheitsgemäßen Angaben der Patienten verlässt, was aber häufig mit falschen, herabgespielten Angaben der Patienten endet [Jarvis et al., 1987; Hill P et al., 1983; Wagenknecht et al., 1992]. Es ist ein Eindringen in ein weites Spektrum psychosozialer Probleme. Gelegentlich ist das Suchtproblem mit familiären Problemen, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Straffälligkeit, Verschuldung, beruflicher Unzufriedenheit und sozialer Isolation verknüpft. Ein verlässliches Verfahren zum Überprüfen der Patientenangaben wäre für den Praktiker hilfreich.
Ende der 1960er Jahre wurde eine große Anzahl von Studien mit verschiedenen Ansätzen und willkürlich konstruierten Rauchklassifikationen durchgeführt, um das Rauchverhalten und die Abhängigkeit besser darstellen zu können [Tomkins, 1968; Ikard et al., 1968; McKennell, 1970]. Die verwendeten Testmethoden stießen bei praktischen Ärzten häufig auf Ablehnung, da sie kompliziert und primär für klinische experimentelle Untersuchungen geeignet waren [Russel et al., 1974].
Messmethoden des Tabakkonsums
Es haben sich verschiedene quantitative Messmethoden etabliert, die die konsumierte Tabakmenge zu reflektieren und die eine Unterscheidung zwischen Raucher und Nichtraucher erlauben.
1. Der Kohlenmonoxidgehalt (CO)des Blutes kann indirekt durch die Bestimmung des Kohlenmonoxidgehalts der Exspirationsluft bestimmt werden, der in parts per million (ppm) angegeben wird. Nichtraucher haben nicht zwingend einen Nullwert, jedoch können die Werte kaum mit den Werten von Rauchern verwechselt werden. Der CO-Gehalt bei Rauchern ist zeitabhängig, abhängig von der Anzahl der gerauchten Zigaretten am Testtag, der Inhalationsdauer sowie von der Inhalationstiefe. Bei Rauchstopp fällt er deutlich ab.
Der durchschnittliche CO-Gehalt bei Nichtrauchern liegt bei zirka 2,5 ppm, wobei Werte bis fünf ppm üblich sind. Werte zwischen sechs und zehn ppm sind seltener und lassen auf eine Belastung durch Kohlenmonoxid in der Umgebungsluft schließen. Werte über zehn ppm sind bei Nichtrauchern bedenklich und sollten Nachforschungen bezüglich möglicher Umweltbelastungen (wie Passivrauchen, Autowerkstatt, schlecht ziehende Ofenheizung) nach sich ziehen. Der durchschnittliche CO-Wert von Rauchern liegt bei 33 ppm, wenn der Raucher die letzten Tage kontinuierlich rauchte und am Testtag schon mindestens zehn Zigaretten geraucht hat. Starke Raucher erreichen CO-Werte von über 50 ppm, jedoch auch erst im Verlauf des Tages mit zunehmender Zahl von konsumierten Zigaretten. Werte über 70 ppm CO werden fast ausschließlich von inhalierenden Zigarillo- beziehungsweise Pfeiferauchern erreicht. Bei der Erstellung von Kohlenmonoxidintervallen in Studien wurde immer davon ausgegangen, dass die Raucher den Rauch inhalieren. So genannte Paffer, die den Rauch nur wenig oder gar nicht inhalieren, können hinsichtlich der Rauchmenge nicht sicher zugeordnet werden [Gaadt, 1987; Jamrozik et al., 1984; Jarvis et al., 1980; Rietbrock, 1992; Wald et al., 1981].
Die Messung des Kohlenmonoxids hat den Vorteil, dass sie schnell und noninvasiv erfolgen kann (Abb. 1). Sie ist für Tabakentwöhnungen die Methode der Wahl und zur Steigerung der Motivation bei Rauchentwöhnungsseminaren geeignet. Man kann eindeutig differenzieren, ob es sich um einen Ex-Raucher, einen reduzierten Raucher oder einen Rückfälligen handelt [Fagerström, 1989].
Da die Halbwertszeit von Kohlenmonoxid im Körper mit vier bis sechs Stunden relativ kurz ist, kann es schon bei kurzen Abstinenzphasen des Rauchers zu Falschinterpretationen kommen. Besser geeignet scheint Serumcotinin mit einer Halbwertszeit von bis zu 20 Stunden zu sein, was differenzierte Aussagen zulässt.
2.Neben der Atemgasbestimmung des Kohlenmonoxids kann dertranskutane Sauerstoff-Partialdruck (tcpO2)Hinweise zur Quantität des Tabakkonsums Auskunft geben. Diese Messmethode ist aufwändig, die Ergebnisse im Hinblick auf die gerauchte Tabakmenge nicht sicher interpretierbar, aufwändig und für die zahnärztliche Praxis nicht geeignet.
3.Die zurzeit praktischste Methode ist der Nachweis vonCotinin (Metabolit des Nicotins)mittels der Immunchromatographie- Technik im Urin (Abb. 2) Diese Methode kann als Schnelltest mit einer entsprechenden Analyse-Testkarte in der Praxis unproblematisch durchgeführt werden. Sie erlaubt eine sehr sichere Unterscheidung zwischen Rauchern und Nichtrauchern. Ist für Studienzwecke oder zur Sicherung des Untersuchungsergebnisses eine quantitative Bestimmung notwendig, kann die Gaschromatographie (GC) beziehungsweise Massenspektrometrie (MS) [Pharmacia Internal Bioanalytical report No. C0027456, 2001; Owen, 2001] eingesetzt werden (Abb. 3). Mit diesen labortechnischen Messverfahren können auch Passivraucher deutlich abgegrenzt werden. Als Proben haben sich Urin oder venöses Blut durchgesetzt. Mit den gleichen Messmethoden lässt sich über das Thiozyanat der Umfang des Tabakkonsums erfassen.
In den 1990er Jahren wurden in Langzeitstudien in Süddeutschland Messungen falsch interpretiert. Höhere Cotininspiegel bei Ex-Rauchern gegenüber Nie-Rauchern ließen die Vermutung zu, dass es sich um aktuelle Raucher mit niedrigem Tabakkonsum handelte. Daher führte man seit der Verfügbarkeit der exakteren labortechnischen Untersuchungsmethoden zahlreiche Dosisfindungsstudien durch [Heller et al., 1998]. Raucher mit einem Tageskonsum von mehr als zehn Zigaretten pro Tag hatten Cotininspiegel von über 200 μg/l und schwächere Raucher mit weniger als zehn Zigaretten pro Tag einen Spiegel von 107 bis 157 μg/l. Rauchstopper, die Nicotinpflaster (15 mg Nicotin über 16 Stunden und 21 mg Nicotin über 24 Stunden) verwendeten erreichten Cotinin Plasmaspiegel von 150 bis 200 μg/l [Tonnesen et al., 1988].
Die Bestimmung des Cotinins und des Thiocyanats haben keinen Aussagewert bei Menschen, die sich gerade in der Tabakentwöhnung befinden und Nicotinpräparate (Pflaster, Kaugummis, Nasenspray, Sublingualkapseln) verwenden [Seersholm et al., 1999]. Bei der Bewertung der Cotininspiegel im Blut darf der Einfluss der Umgebungsluft nicht außer Acht gelassen werden (Industriestandort, Großstadt, und andere). In einer amerikanischen Untersuchung stellte man fest, dass bei Nichtrauchern in 88 Prozent Cotininspiegel messbar waren. Eine Spezifität des Thiocyanats ist es, dass die Konzentration im Körper durch Nahrungsmittel, wie Broccoli, Mandeln, Bier und Blumenkohl, gesteigert werden kann, was zu erhöhten Spiegeln führt und einen stärkeren Tabakkonsum vortäuscht [Velicer et al., 1997]. Auch aus diesem Grund hat das Thiocyanat gegenüber dem Cotinin als Biomarker, besonders in großen Versuchsanordnungen, an Stellenwert verloren.
Die bisherigen Messmethoden stützen sich auf Kohlenmonoxid, Nicotin und seine Abbauprodukte, die von der Gesamtmenge der Rauchbestandteile nur einen verschwindend geringen Teil der schädigenden Substanzen ausmachen. Es ist nahezu unmöglich und unpraktikabel direkt schädigende Stoffe für die Ermittlung des Rauchstatus aufzuspüren. Die Anzahl dieser Stoffe zu ist groß, manche dieser Stoffe können nur aufwändig labortechnisch nachgewiesen werden und diese lassen bisher keine eindeutigen prognostischen Aussagen bezüglich potenzieller Erkrankungen zu. Benzpyren war ein anschauliches Beispiel dafür, dass der Krebs auslösende Stoff (Adenokarzinome der Lunge) selbst durch die ersten Zigarettenfilter nicht reduziert oder verändert werden konnte. Man nahm dies anfänglich an (!), da die Konzentration des messbaren Nicotins scheinbar und messtechnisch durch zusätzliche Lüftungseinlässe in den Zigarettenfiltern verringert werden konnte, was fälschlicherweise als Erfolg gewertet wurde.
Conclusio
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aussagefähige Tests vorhanden sind, mit deren Hilfe mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Raucher von Nichtrauchern unterschieden werden können. Das Kohlenmonoxid ist sehr einfach und ohne großen Zeitaufwand bestimmbar. Die Biomarker Cotinin und Thiocyanat sind auch quantitativ messbar, wobei diese Messwerte die Menge des Tabakkonsums widerspiegeln und nicht als Äquivalent der Stärke der Nicotinabhängigkeit angesehen werden können [Chambers et al., 2001; Archbold et al., 1995; Morabia et al., 2001; Klebanoff et al., 1998; Feyerabend et al., 1986; Neurath et al., 1987].
Die Messungen zum Nachweis des Tabakkonsums sollten eine weite Verbreitung in Zahnarztund Arztpraxen finden, da die Frage, ob es sich um einen Raucher handelt, von entscheidender Bedeutung für die Therapiewahl und für das zu erwartende Therapieergebnis ist. Mündliche Angaben seitens des Patienten sind in vielen Fällen falsch oder entsprechen nicht der Wahrheit. Besonders Ex-Raucher gaben in etwa zehn Prozent an, dass sie niemals geraucht hätten (Nie-Raucher waren) [Heller et al., 1998; Nafstadt et al., 1996]. Die Kohlenmonoxidmessung der Exspirationsluft stellt eine sehr verlässliche Methode zur Feststellung des Tabakkonsums dar. Die Messung symbolisiert den Patienten, dass man primär um seine Gesundheit bemüht ist und sich mit messbaren Fakten beschäftigt, die medizinische Konsequenzen nach sich ziehen.
Das einfachste Mittel, einen Raucher zum Stopp zu bewegen, ist die kurze mündliche Information. Die individuelle Beratung stellt ein fortgeschrittenes Mittel dar, deren Ziel es ist, eine Hilfe für die Bewältigung des Problems anzubieten (Rauchen – Intervention in der Zahnarztpraxis, DGP 2002).
Dr. Gregor GutscheGemeinschaftspraxis Henrich & HankeKapersburgweg 5, 61350 Bad Homburggregorgutsche@tiscali.de