Arbeitsmarkt Gesundheitswesen
Keine Branche hat in den letzten Jahrzehnten einen Beschäftigungszuwachs verzeichnet wie die Heilberufe, stellte Gertrud Stöcker vom Berufsverband für Pflegeberufe in ihrer Begrüßung zur Diskussionsveranstaltung zwischen Politikern, Presse und Vertretern der 37 angeschlossenen Gruppierungen des Gesundheitswesens fest. Angesichts der schwierigen Sachlage appellierte Stöcker an Bundeskanzler Schröder, sich für ihre Branche einzusetzen „wie früher für die Firma Holtzmann und andere“.
Krankt Deutschland wirklich am Problemfeld Gesundheitswesen? Prof. Dr. Eberhard Wille vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen stellte heraus, dass Deutschland seit Mitte der 60er Jahre im internationalen Vergleich keineswegs ein überdurchschnittliches Abgabenwachstum (Steuern und Sozialabgaben) verzeichne, hier vielmehr ein Gemisch aus struktureller Arbeitslosigkeit, demografischer Überalterung und beständigem medizinischen Fortschritt mit der Furcht vor steigenden Beitragssätzen in der gesetzlichen Krankenversicherung einhergehe. „Das Gesundheitswesen muss effizient und effektiv sein, um als Wachstumsmotor zu funktionieren,“ forderte der Ökonom und plädierte für weitere markante Reformschritte: „Systeme, die nicht änderungsfähig sind, sind mittelfristig auch nicht stabil.“
Vertrauen wird zerstört
In der anschließenden Diskussion gingen die anwesenden Vertreter der Parteien nur bedingt auf die arbeitsmarktpolitischen Aspekte des Gesundheitswesens ein. So verteidigte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gudrun Schaich-Walch vorrangig das seit Januar geltende GKV-Modernisierungsgesetz, kritisierte aber auch den Einsatz des Bündnisses für den Arbeitsmarkt der Heilberufe: „Arbeitsplätze im Gesundheitswesen waren für mich immer mit der Versorgungsnotwendigkeit verbunden und nicht mit der Jobmaschine Gesundheitswesen.“ Ärztekammerpräsident Prof. Jörg-Dietrich Hoppe erinnerte, dass die Heilberufe nicht dafür plädierten, den Arbeitsmarkt Gesundheitswesen vorrangig innerhalb des GKVSystems zu schaffen. Notwendig sei vielmehr die Differenzierung zwischen notwendigen (GKV-) Leistungen und wünschenswerten, außerhalb des Systems zu zahlenden Leistungen. Ute Repschläger von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände stützte Hoppes Forderung: „Wir brauchen eine langfristige Balance zwischen Solidarität und Eigenverantwortung.“ Der gesundheitspolitische Sprecher der CSULandesgruppe Wolfgang Zöller bekräftigte die Notwendigkeit des GMG-Kompromisses: „Es ging darum, einen Beitragssatz von 15 Prozent zu verhindern.“ Während Birgit Bender von Bündnis 90/Die Grünen für die Bürgerversicherung warb, plädierte Dr. Dieter Thomae (FDP) für den stufenweisen Aufbau eines Prämiensystems innerhalb der kommenden drei bis zehn Jahre. Ein entsprechendes Papier werde man auf dem FDPParteitag im Mai präsentieren.
Prof. Hoppe monierte, dass die jüngste Gesundheitsreform in der Öffentlichkeit nicht gut erklärt worden sei und Verwirrung geschafft hätte. Mit Blick auf die jetzt noch anstehende Diskussion um Bürgerversicherung oder Prämienmodelle verlangte Hoppe, dass endlich Ruhe einkehren müsse. Er erinnerte daran, dass das Gesundheitswesen nicht als purer Kostenfaktor gesehen werden dürfe: „Gesundheit steht an erster Stelle bei der Bereitschaft der Bürger, Geld auszugeben.“ Das müsse man in eine wachstumsorientierte Politik umsetzen. In einem Schlusswort zur Veranstaltung bekräftigte der Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Dr. Dietmar Oesterreich für das Bündnis Gesundheit, dass das Gesundheitswesen nicht nur Kostenfaktor sei, sondern Gesundheitspolitik auch Arbeitsmarktpolitik sein müsse, und forderte „eine vernünftige und sachbezogene Diskussion um das, was wichtig ist“. Nicht akzeptabel sei, dass die derzeitige gesundheitspolitische Diskussion dazu beitrage, das Vertrauen der Bevölkerung in die Leistungserbringer zu zerstören.