Eine frühe Schwerpunktsetzung zahlt sich aus
In der Vergangenheit brauchte sich der zahnärztliche Existenzgründer kaum Gedanken über die Wahl seiner Arbeitsschwerpunkte, Praxislage, Patientenklientel und über das betriebliche Controlling zu machen. Eine Zahnarztpraxis war, einmal gegründet, nahezu an jedem beliebigen Ort erfolgreich. Diese Situation hat sich grundlegend gewandelt, wie die steigende Zahl an Insolvenzen vertragszahnärztlicher Praxen zeigt.
Um die richtigen betriebswirtschaftlichen Entscheidungen treffen und frühzeitig die Weichen für eine erfolgreiche Praxisentwicklung stellen zu können, benötigt der zahnärztliche Existenzgründer heute zunehmend komplexere Informationen über betriebswirtschaftliche Kennziffern, relevante Standortfaktoren und ähnliches. Viele Existenzgründer fühlen sich zwar hinsichtlich ihrer zahnmedizinisch-fachlichen Fertigkeiten gut auf die zahnärztliche Tätigkeit in freier Praxis vorbereitet, bei den betriebswirtschaftlichen Kenntnissen hapert es hingegen bei vielen.
Vor allem in der Anfangsphase einer selbstständigen Praxistätigkeit braucht der Zahnarzt feste Orientierungspunkte, die ihm zeigen, wo er – insbesondere im Vergleich zu den Kollegen – betriebswirtschaftlich mit seiner Praxis steht und wie die Praxisentwicklung zu bewerten ist.
Leuchtturmfunktion
Empirisch abgesicherte betriebswirtschaftliche Kennziffern, die dem zahnärztlichen Existenzgründer einen Vergleich der eigenen Praxis mit anderen Praxen im Sinne eines Benchmarkings erlauben, gab es in der Vergangenheit kaum. Daher hat das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit der Universität Augsburg – Forschungsstelle Gründungsforschung – im Jahre 2002 das Forschungsprojekt „AVE-Z – Ökonomische Analyse der Ausgangsbedingungen, Verlaufsmuster und Erfolgsfaktoren von zahnärztlichen Existenzgründungen“ initiiert. Ziel dieser Längsschnittanalyse ist die Herausarbeitung der sich positiv auf den dauerhaften Praxiserfolg auswirkenden Einflussfaktoren sowie die Entwicklung von Leitlinien für ein erfolgreiches Niederlassungsund Praxisführungsmanagement. Die Ergebnisse von AVE-Z können dem zahnärztlichen Existenzgründer sozusagen als „Leuchtturm“ dienen. Zentrale Ergebnisse aus der ersten Befragungswelle (AVE-Z-1) zu den Ausgangsbedingungen zahnärztlicher Existenzgründungen sind vor kurzem im IDZ-Informationsdienst(Nr. 1/2004)publiziert worden. Im Folgenden sind die Kernaussagen zusammengefasst.
•Praxisprofilierung:
In der Anfangsphase von zahnärztlichen Existenzgründungen spielt die Entscheidung für bestimmte Arbeitsschwerpunkte eine wichtige Rolle. In der AVE-Z-Stichprobe haben sich 71,4 Prozent der Existenzgründer für die Gründung einer allgemeinzahnärztlichen Praxis mit einem oder mehreren Arbeitsschwerpunkten entschieden. In der Regel dürfte sich eine fachliche Spezialisierung im Sinne einer Praxisprofilierung auszahlen, zumal das zur Gründung von Schwerpunktpraxen benötigte Finanzierungsvolumen nicht notwendigerweise höher sein muss als bei einem Verzicht auf Arbeitsschwerpunkte. Insbesondere bei starker örtlicher Konkurrenz kann eine entsprechende „Spezialisierung“ im Sinne einer wettbewerblichen Nischenbesetzung eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Antwort auf die zunehmende Heterogenisierung der Patientennachfrage sein.
•Zielgruppenanalyse:
Die Entscheidung für bestimmte Arbeitsschwerpunkte ist eng mit der Frage der Standortwahl verknüpft, da die Arbeitsschwerpunkte auf die Bedürfnisse des lokal beziehungsweise regional maßgeblichen Patientenklientels zugeschnitten sein sollten. Eine Spezialisierung kann grundsätzlich nur dann betriebswirtschaftlich Erfolg versprechend sein, wenn zuvor ein Standort mit der „passenden“ Patientenklientel gewählt wurde. Die Ergebnisse von AVE-Z-1 hinsichtlich der Patientenstruktur unterstreichen in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer fundierten Zielgruppenanalyse von Beginn an.
•Investitionsbedarf:
In der Anfangsphase von zahnärztlichen Existenzgründungen variieren Umfang und Struktur betrieblicher Investitionen in Abhängigkeit von der gewählten Praxisform. Hervorzuheben ist, dass Praxisneugründungen mit Schwerpunktsetzung in der Startphase in der Regel keinen höheren Finanzierungsaufwand als vergleichbare Praxen ohne Arbeitsschwerpunkte begründeten. Bei Praxisübernahmen lag der Investitionsbedarf der Schwerpunktpraxen knapp 14 Prozent höher als bei Einzelpraxisübernahmen ohne entsprechende Arbeitsschwerpunkte, was teilweise durch den vergleichsweise höheren ideellen Wert (Goodwill) der Schwerpunktpraxen bedingt ist.
•Höhere Ausgaben, höhere Einnahmen:
Ist die Entscheidung für bestimmte Arbeitsschwerpunkte in der Praxistätigkeit erst einmal gefallen, so hat dies weitreichende Konsequenzen, die sich betriebswirtschaftlich sowohl auf der Kostenseite als auch auf der Umsatzseite bemerkbar machen. So zeigte sich, dass die Entscheidung für einen Arbeitsschwerpunkt oder mehrere Arbeitsschwerpunkte offensichtlich generell mit höheren Betriebsausgaben einhergeht. Besonders deutlich wird dies bei den Kostenstellen Personal, Eigen- und Fremdlabor sowie Abschreibungen. Allerdings hoben sich auch die Gesamteinnahmen der Schwerpunktpraxen spürbar von den Gesamteinnahmen der Praxen ohne Arbeitschwerpunkte ab.
Kleine Brötchen
Die Ergebnisse aus der ersten Befragungswelle des AVE-Z-Projektes machen deutlich, dass zahnärztliche Existenzgründer in der Anfangsphase zumeist kleine Brötchen backen müssen und auch betriebswirtschaftliche Schwierigkeiten mit einkalkulieren müssen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit eines längerfristig angelegten Untersuchungsbeziehungsweise Betrachtungszeitraumes. Im weiteren Projektverlauf rückt damit die Frage nach der Ermittlung des empirischen Stellenwertes der Faktoren, die einen fördernden Einfluss auf die Entwicklung und den dauerhaften Erfolg von zahnärztlichen Existenzgründungen in den Mittelpunkt.
Im Oktober 2004 startet die zweite Befragungswelle im AVE-Z-Projekt, in deren Rahmen die Verlaufsmuster der betrieblichen Konsolidierung und Expansion nach der Gründungsphase nachgezeichnet werden sollen. Besonderes Augenmerk wird der Frage gewidmet, inwieweit eine frühzeitige Entscheidung für einen oder mehrere Arbeitsschwerpunkte in der Praxistätigkeit auch mittelfristig betriebswirtschaftlich Erfolg versprechend sein kann.
PD Dr. Wolfgang Becker, Universität AugsburgDr. David Klingenberger, Institut derDeutschen Zahnärzte (IDZ)
Korrespondenzadresse:Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ)Universitätsstr. 7350931 Köln