Diskussionen um ein neues Kammerwesen für Zahnärzte in Österreich

Auf dem Wege der Entscheidung

Heftarchiv Gesellschaft
Österreichs Zahnärzte bekommen eine eigene Kammer. Über das Wie entscheiden sie selbst. Eine Urabstimmung, die derzeit unter allen Zahnärzten in Österreich läuft, soll über ihr weiteres kammerpolitisches Schicksal bestimmen. Die zentrale Frage lautet: Werden auf Ebene der Bundesländer eigene Strukturen geschaffen oder nicht? Eine Entscheidung steht noch aus.

Österreich ist anders. Hier waren die Zahnärzte bis vor kurzem durchweg fertige Mediziner mit einer Spezialausbildung, also Fachärzte für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde (FÄ f. ZMK), vergleichbar mit Orthopäden, Kinderärzten oder anderen Fachärzten. Darum (und wohl auch wegen der eher geringen Anzahl) sind sie nicht in einer eigenen Standesvertretung organisiert, sondern wie alle anderen Ärzte Pflichtmitglieder der jeweiligen Landesärztekammer.

Aber Unterschiede zu den Ärzten bestehen trotzdem seit langem. So werden etwa die Honorarverträge nicht – wie bei anderen Ärzten – auf Landesebene ausgehandelt, sondern von der „Bundeskurie der Zahnärzte“ (BUKUZ) direkt mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger, dem Dachverband aller Kranken- und Pensionskassen.

Auf Druck der EU wurde 1998 in Österreich ein eigenes Studium der Zahnmedizin eingerichtet, das mit dem Medizinstudium nur noch wenig gemeinsam hat. Diese Berufsgruppe wird nun „Zahnärzte“ oder „Drs. med. dent.“ genannt. Waren schon bisher die Interessen und Probleme der FÄ f. ZMK von denen der anderen Ärzte recht verschieden, so vergrößert sich dieser Abstand noch weiter.

Zugleich hat das zuständige Bundesministerium für Gesundheit und Frauen noch ein weiteres Problem: Die Zahl der Dentisten (etwa 100 in ganz Österreich) ist zu gering geworden, um noch reguläre Wahlen innerhalb deren Kammer durchzuführen. So könnte etwa der einzige verbliebene Dentist in Vorarlberg nur sich selbst wählen und vertreten.

Die Debatte um eine eigene Zahnärztekammer läuft schon seit über zehn Jahren. Von Allmachtsgelüsten der obersten Zahnärztevertreter war da ebenso die Rede wie von unangebrachtem Konservativismus durch die Verfechter einer Beibehaltung der bisherigen Regelung. Lange Zeit war die Mehrheit der Zahnärzte gegen eine Abspaltung. „Gemeinsam sind wir stark“ lautete das Motto, und die Befürchtung war groß, eine Trennung der gemeinsamen Altersversorgung, des Wohlfahrtsfonds, würde sich in eine kostspielige Angelegenheit für alle Beteiligten entwickeln. Diese letztere Sorge ist nun vom Tisch. Ärztekammer, Zahnärztevertreter und Bundesministerium sind sich darüber einig, dass der gemeinsame Wohlfahrtsfonds erhalten bleiben soll.

Doch auch aus einem anderen Grund änderte sich die Haltung vieler Betroffener: Vor nunmehr fünf Jahren änderte sich die Struktur der Ärztekammer radikal. Kurien für Niedergelassene, Angestellte und Zahnärzte wurden eingeführt. Entsprechend mussten das Wahlrecht und die Zusammensetzung der Gremien, wie Vollversammlung, Vorstand und Präsidium, geändert werden. Die FÄ f. ZMK fühlen sich seither als kleine Gruppe, die nur etwa zehn Prozent der gesamten Ärzteschaft ausmacht, oft „überfahren“.

Die Vorgänge beim Kammertag in Schruns-Tschagguns, Vorarlberg, im Juni dieses Jahres, bei dem die Kurie der Angestellten am liebsten alle die Zahnärzte betreffenden Beschlüsse der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) null und nichtig gemacht hätte, haben bei vielen Zahnärzten die Neigung zu dieser neuen Linie einer weitgehenden Trennung von den anderen Ärzten gestärkt. Der Wunsch nach Finanz- und Personalhoheit für die eigene Kurie innerhalb der Landeskammern wird ihnen von der Mehrheit kaum gewährt werden. Auch eine Änderung des Wahlrechts, nach der die Zahl der Stimmen in den einzelnen Kurien bei der Zusammensetzung der Vollversammlung berücksichtigt wird, stößt nicht überall auf Gegenliebe. (Derzeit ist die Zahl der Mitglieder pro Kurie fixiert, ein Mandat also je nach Wahlbeteiligung unterschiedlich „teuer“.) Bleibt ein so genanntes „Integrationsmodell“, bei dem die FÄ f. BMK gemeinsam mit den „neuen“ Zahnärzten und den Dentisten eine eigene Kammer auf Bundesebene gestalten, in den Ländern aber wie bisher in der Ärztekammer mit ihren standesrechtlichen, gesundheitspolitischen und verwaltungstechnischen Aufgaben verbleiben, oder als Gegenmodell eine komplette Trennung, bei der in den Bundesländern eigene Kammern, Landesgeschäftsstellen oder ähnliche Strukturen eingerichtet werden müssten.

Urabstimmung

Diese zwei Modelle sind nun in einer Urabstimmung den Zahnärzten und den FÄ f. ZMK vorgelegt worden. DDr. Hannes Westermayer, Wien, seit vielen Jahren Obmann der Bundesfachgruppe Zahnärzte beziehungsweise – seit der Reform – der Bundeskurie der Zahnärzte, befürchtet, dass das Integrationsmodell verfassungsrechtlich angefochten werden könnte. Auch für ihn wäre eine Kurienautonomie mit Personalund Finanzhoheit der einzig sinnvolle Weg eines Verbleibes in den Länderkammern. Jedenfalls wären alle Beteiligten „gut beraten, eine kultivierte Lösung anzustreben“.

Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Dr. Reiner Brettenthaler, Salzburg, hält sich in seinen Aussagen sehr zurück. Er möchte das Ergebnis der Befragung abwarten. Die Entscheidung könnte beim nächsten Kammertag Mitte Dezember fallen. Der Obmann der Kurie der Zahnärzte in Salzburg Dr. Erwin Senoner, Zell am See, bringt die Meinung der meisten Vertreter der Zahnärzte auf den Punkt: „Ich war stets ein Verfechter des Integrationsmodells, wie es die BUKUZ beschlossen hatte. Dieses Modell wurde aber von der Kurie der Angestellten verworfen, und damit gibt es dieses Modell nicht mehr. Damit ist der künftige Weg für mich klar. Wenn sich die Kollegen in der Urabstimmung für ein Integrationsmodell entscheiden, dann muss ihnen klar sein, dass dieses Modell von der Österreichischen Ärztekammer mit den entsprechenden Mehrheiten beschlossen werden wird.“ Das Mitspracherecht der Zahnärzte ist dort aufgrund ihrer Zahl recht gering.

Livia RohrmoserHolzmeistergasse 10/12A-1210 Wien

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