Qualität steht ganz obenan
Ein Besuch in einer der Zahnheilkunde- Ausbildungsstätten mit Rang und Namen: Der Taxifahrer quält sich mit seinen Insassen die steile Straße hoch. Sein Englisch ist perfekt, mit sympatischem asiatischem Akzent. Wir biegen in eine enge Gasse ein und sind schon da. Oberhalb der Ansiedlung der Bank- und Hotelkrater der Sieben-Millionen-Metropole steht sie steil an den Hang gebaut: die Dental School of Hongkong, eine Forschungsstätte und Anlaufpunkt von Patienten mit Zahnproblemen. Schon beim Betreten des Gebäudes fällt die „cleane“ Atmosphäre auf. Angenehm gekühlte Luft empfängt uns – draußen herrscht feuchtes, saunaartiges Klima, 36 Grad Celsius und nahezu 90 Prozent Luftfeuchtigkeit bei stark bedecktem Himmel. Dr. Philip Newsome, Associate Professor in Family Dentistry, empfängt uns, sein Kittel sitzt akkurat, sein Namensschild ist kaum zu entziffern vor wissenschaftlichen Bezeichnungen. PhD (Bradford), MBA (Warwick), BChD (Honours, Lead), FDS RCS Ed MCS Ed, FHKAM (DentalSurgery), FCDSHK, alle diese Abschlüsse hat der Engländer im Laufe seines Berufslebens erworben, den letzten hier in Hongkong, wo er eigentlich nur für kurze Zeit bleiben wollte. Aber „hier ist es sehr interessant, ich kann nicht nur selbstständig arbeiten, sondern habe einen spannenden, vielseitigen Aufgabenbereich. Und die Stadt sowie ihre Menschen, ihre prickelnde Internationalität gefallen mir und das schon 19 Jahre lang!“, so der Zahnarzt im Gespräch mit den zm.
Studenten lernen nur Praxisorientiert
Die studentische Ausbildung entscheidet sich in Hongkong sehr stark von der Deutschen. Hier werden anstatt oft langweiliger Vorlesungen in Chemie und Biologie vermehrt die Patientenkontakte forciert. So hat der Studierende bereits im Anfangssemester Kontakt mit Fällen aus der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, die die Studenten hier erst in ihren fortgeschrittenen Semestern kennen lernen. Das Prinzip der Ausbildung gleicht dem System des praxisorientierten Lernens (POL), siehe auch zm18/2000 Seite 54 ff., das in Deutschland von einigen Fakultäten, wie Dresden und München, erfolgreich seit mehreren Jahren praktiziert wird. So wird mit der allgemeinen Gebisssituation begonnen, der Student lernt die Zahnreinigung ebenso wie die Planung und Vorbereitung und die letztendliche prothetische Versorgung, inklusive einer Parodontalbehandlung. Begleitend werden Vorlesungen angeboten, eine Famulatur, wie es von deutschen Universitäten gerne gesehen wird, gibt es vergleichsweise. Die Studenten arbeiten gerne drei Wochen lang an anderen Zahnkliniken Asiens, ganz mutige gehen „overseas“, also in die Staaten oder nach England.
Wer den Weg des Zahnmedizinstudiums eingeschlagen hat, erlernt in den letzten Semestern die Kieferorthopädie und implantologische Kenntnisse. „Der Hauptbehandlungsbedarf“, so der Zahnmediziner, „ist hierzulande doch rein prothetischer Natur“.
Wie stark praxisorientiert das Studium in Hongkong ist, zeigt auch die Tatsache, dass ein Zahnmedizinstudent die letzten drei Monate seines Studiums alleinverantwortlich – natürlich steht der Supervisor immer parat – in einem separaten Raum seine eigenen Patienten behandelt. Dieses Verfahren wurde eingeführt, um dem jungen Zahnarzt rundherum die Atmosphäre der Selbstständigkeit zu vermitteln. „Schließlich ist es doch etwas anderes, ob der Student alleinverantwortlich in seiner Box unmittelbar neben seinen Kommilitonen im großen Behandlungssaal Zahnheilkunde betreibt, oder in „seinen“ vier Wänden, wie in einer eigenen Praxis. Diese so genannte „Generalprobe“ scheint sich als sehr positiv erwiesen zu haben, wie der Wissenschaftler sagt. „Gut, dass wir auch die Räumlichkeiten dazu haben, außerdem arbeitet der Student in dieser Phase wie ein Entlastungsassistent für uns“, stellt Newsome heraus.
Aber nicht nur Zahnmediziner (etwa 50 pro Jahrgang) werden an der Dental School ausgebildet. Auch etwa 40 Helferinnen, zahnärztliche OP-Assistenz und knapp 40 Zahntechniker lernen dort ihr Handwerk und werden, bei besonderer Eignung, auch gerne übernommen. Allein 40 im Hause ausgebildete Zahntechniker haben hier ihren Arbeitsplatz gefunden.
Hohes Studiengeld für den hoch angesehenen Beruf
So ist das Lernen und Studieren hier sehr angenehm, finden sich doch diverse Disziplinen unter einem Dach, die Hilfe, sollte sie erforderlich sein, kommt schnell von den „Kollegen“. Aber das alles gibt es nicht für umsonst. In Hongkong liegt das Studiengeld für das Fach Zahnmedizin sogar über dem des angehenden Allgemeinmediziners. So sind rund 40 000 HK Dollar pro Jahr auf den Tisch zu legen, um den in Asien immer noch sehr begehrten und angesehenen Beruf erlernen zu können. Stipendien sind allerdings in besonderen Fällen möglich. „Die Höhe der Studiengelder kommt durch die vielen Instrumente und Materialien zustande“, so Newsome bei seinem Rundgang, der durch die Firma Permadental aus ´s-Heerenberg organisiert worden war. Das Gehalt eines Spitzentechnikers beläuft sich derzeit auf 34 000 HKD per anno. Wenn man dann von einem Steuersatz von etwa zehn Prozent und zehn Prozent Sozialausgaben ausgeht, reduziert sich auch dieses seltene Höchstgehalt doch erheblich. Die Sozialwohnung mit 15 bis 20 m2 liegt mit 2 000 HKD pro Monat vergleichbar niedrig, eine Wohnung am freien Markt in der Stadt mit mehreren Räumen ist zwischen 4 000 und 8 000 HK D zu haben, ein möglichst im Innenstadtbereich gelegenes Zuhause mit kleinem Garten kann mietpreislich gesehen ins Utopische steigen und kostet ab 40 000 HK Dollar pro Monat aufwärts.
Wenn ein Patient in der Dental School eine Krone erhält, so kann er sicher sein, dass sie hohen Qualitätsansprüchen genüge leistet. Er muss allerdings auch 400 HKD dafür zahlen, was nicht jedem Einwohner der Stadt möglich ist. Denn, eine Krankenversicherung für Zahnbehandlungen aller Art gibt es nicht. Nicht selten kommen auch in Hongkong lebende Briten, die eine gute Zahnversorgung wünschen, aber die zum Teil utopischen Preise von einigen Luxuszahnärzten der Stadt nicht bezahlen können, hierher, um sich behandeln zu lassen.
Assistentinnenausbildung ist sehr begehrt
In der Abteilung für „Dental Assistents“ stehen acht junge Mädchen um einen Phantompatienten herum. Sie tragen Schutzkleidung, Handschuhe, Maske, Brille. „Sie sollen sich gleich an die richtigen Verhältnisse gewöhnen, so erklärt es die Ausbilderin, die den „Neulingen zeigt, was sie als Assistenz zu tun haben, und mit großer Geduld Handgriffe korrigiert, Instrumente erklärt und dabei immer wieder erlerntes Wissen abfragt. „Die Ausbildungsplätze bei uns sind sehr begeht“, so Newsome. Die meisten Mädchen haben das Abitur, wenn sie ihre Ausbildung hier absolvieren.
Wir verlassen schnell den Ausbildungsraum, um den Unterricht nicht zu stören, schließlich sind die Schülerinnen eine Gruppe von deutschen Journalisten mit Kameras nicht gewöhnt. Eine Assistentin läuft über den Gang, auf uns zu und flüstert Dr. Newsome etwas ins Ohr. Er nickt. „Ich muss mich jetzt von Ihnen verabschieden, es liegt eine Patientin auf dem Stuhl – sie hat Schmerzen, ich muss zu ihr!“