Patientenverfügungen

Dein letzter Wille geschehe

Obwohl der Bundesgerichtshof (BGH) im Frühjahr 2003 die Patientenverfügungen als verbindlich einstufte, sind viele Menschen nach wie vor verunsichert – sie haben Angst, später gegen ihren Willen künstlich am Leben gehalten zu werden. Die Bundesregierung will den Umgang mit den Verfügungen deshalb neu regeln. Doch wann und wie darf ein Mensch über seinen eigenen Tod bestimmen?

Die Bundesregierung will die Patientenverfügung stärken und vereinfachen: Aufgrund des medizinischen Fortschritts seien die Chancen auf Lebensverlängerung selbst bei schwerster Krankheit und hohem Alter stark gestiegen. Zugleich fürchteten viele Betroffene eine Übertherapie, die Leben und Sterben künstlich verlängert.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) legte am 5. November einen Gesetzesentwurf vor. Die Juristin setzt auf Selbstbestimmung – auf Fristen und Formvorschriften will sie verzichten. Das hieße, mündlich abgegebene Erklärungen wären zulässig und ältere Äußerungen hätten auch nach Jahren noch Bestand, wenn sie nicht inzwischen widerrufen wurden. Will ein Patient seine Verfügung ändern, solle das unkompliziert machbar sein. Aber: „Eine aktive Sterbehilfe wird es nicht geben.“ Der Entwurf folge damit der Auffassung des BGH.

Konkret, schriftlich, zeitnah

Die Enquete-Kommission des Bundestags „Ethik und Recht der modernen Medizin“ widerspricht: Patientenverfügungen sollten nur dann verbindlich gelten, wenn die Krankheit irreversibel tödlich verläuft.

Der Verband der Krankenhausärzte, der Marburger Bund (MB), stimmt zu: Passive Sterbehilfe dürfe nur dann in Betracht kommen, wenn der Wille schriftlich abgefasst, zeitlich aktuell sei und sich auf die derzeitige Behandlungssituation beziehe. Eine Verfügung, die ein Gesunder 20 Jahre zuvor abgefasst habe, sei dagegen weniger relevant, bekräftigt auch Ärztechef Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe. Wachkoma und späte Demenz wollen die Ärzte aus der Verfügung ausklammern.

Geteiltes Echo

Die geplante Reform enthalte praktisch kein Element der Selbstbestimmung von Patienten, kritisiert auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Hospizstiftung. Vor allem hätte eine Aufklärung eingebaut werden müssen. Die behandelnden Mediziner seien in ihrer Behandlung nach wie vor auf sich gestellt. Denn geht es nach Zypries, ist es an den Ärzten, die Patientenbevollmächtigten gerichtlich zu stoppen, wenn diese den Patientenwillen missachten. Ob das so ist, sollen die Mediziner selbst dann beurteilen können, wenn der Wille lediglich mündlich geäußert wurde.

Damit die Kranken die letzte Lebensphase menschenwürdig erleben, hält der MB eine aktive Sterbebegleitung für unerlässlich. Dazu seien qualifizierte Schmerztherapie, bestmögliche Pflege und Nähe nötig. „In diesem Bereich gibt es aber erheblichen finanziellen und organisatorischen Nachholbedarf.“

Weniger Grund zum Streit sieht Klaus Kutzer, ehemaliger Vorsitzender Richter am BGH und Leiter der Arbeitsgruppe, die den Zypries-Entwurf vorbereitet hat. In der Gesetzesbegründung stünde klar und deutlich, dass inhaltliche und zeitliche Nähe zur Krankheitssituation notwendig und die Beratung durch einen Arzt wünschenswert seien. Ohnehin werde die Bedeutung der Patientenverfügungen überschätzt – viel wichtiger sei es, eine Vertrauensperson zu benennen: „Dann hat der behandelnde Arzt einen Dialogpartner, der eine Beziehung zum Patienten hat.“

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