Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
es gibt nicht Vieles, womit Rot-Grün in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode noch punkten kann. Abgesehen von angekündigten Gesetzestaten wie der in Sachen Prävention hat SPD-Cheftaktiker Franz Müntefering bereits heftig auf die Reformbremse getreten. Der Grund: Vor den Wahlen will man die Bundesbürger nicht noch mehr verärgern.
Im Gesundheitsbereich geht das allerdings nicht so ohne weiteres auf: Dort gibt es einen Bestand noch anstehender „Hausaufgaben“, die bereits in Gesetzesform gegossen wurden und – Bundestagswahl hin oder her – termingerechter Bearbeitung harren. Dazu zählt sicherlich ganz vorrangig die vom Bundesgesundheitsministerium als europaweiter Erfolgsfaktor angekündigte Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte. Mit aller Macht drängt man in Berlin auf ein Ergebnis, rechtzeitig vorzeigbar zum im GKV-Modernisierungsgesetz beschlossenen Stichtag am 1. Januar 2006. Ein mehr als schwieriges Unterfangen: Wer sich genauer mit dem Ringen um eine tragbare Lösung befasst, muss feststellen, dass es auch hier bereits arg nach Dosenpfand, LKW-Maut und Ähnlichem riecht. Aber das Bundesgesundheitsministerium will die Karte – immer noch mit der Termingebung, die das Gesetz vorschreibt. Ob es auf Dauer gelingen wird, die Vielzahl der sachkundigen Kritiker immer wieder als einsame Rufer in die Wüste zu schicken, ist fraglich.
Dennoch hat das bisherige Durcheinander dazu geführt, dass Leonie Grippe – ihr virtuelles Konterfei auf zwecks Werbung entwickelten Karten-Dummies ist inzwischen ähnlich bekannt wie das von „Erika Mustermann“ zu Zeiten der Einführung des fälschungssicheren Personalausweises – wohl nicht alleinige Besitzerin dieser Karte bleiben wird.
Um größere Folgeschäden zu vermeiden, haben die Heilberufler sich wachsam in diesen Entwicklungs- und Entscheidungsprozess eingeklinkt – zumal die Health Professional Card, das berufsausweisliche Pendant zur E-Karte, ohnehin von diesen bewältigt werden muss. Ungeklärt ist, wie immer, wer letztlich die Rechnung für dieses bisher größte Elektronik-Pilot-Projekt des Ministeriums zahlen wird. Aber selbst wenn man sich darin einig werden sollte, ist der Zeitraum für eine sachgerechte Vorbereitung und Einführungsphase wohl zu eng gesetzt.
Und wenn aus dem Projekt rechtzeitig nichts werden sollte? Nun: einfach „nachkarten“. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass die Bundesregierung (sich) so verfährt.
Mit freundlichem Gruß
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur