Osteonekrosen des Kiefers unter Therapie mit Bisphosphonaten
Zur Arzneimittelgruppe der Bisphosphonate gehören Pyrophosphatanaloga mit verschiedenen Substituenten. Die wichtigsten Vertreter sind in Abhängigkeit von ihrer pharmakologischen Potenz in Tabelle 1 dargestellt:
Bisphosphonate werden zunehmend zur Therapie der Osteoporose, bei osteolytischen Knochenmetastasen von soliden Tumoren beziehungsweise Osteolysen bei multiplen Myelomen oder bei Hyperkalzämie im Rahmen maligner Erkrankungen verwendet.
Wirkung
Bisphosphonate haben eine hohe Affinität zu Strukturen der Knochenoberfläche und sind wirksam in der Interaktion zwischen Osteoklasten und arrodierter Knochenoberfläche. Daraus resultiert eine wirksame Hemmung der Osteoklasten mit Verminderung der Knochenresorption und eine Reaktivierung der supprimierten Osteoblasten. Insgesamt kommt es dadurch zu einer positiven Bilanz der Knochenmasse. Die Wirksamkeit der Bisphosphonate in der Behandlung von Knochenerkrankungen mit erhöhtem Knochenabbau ist belegt [2]. Bei diesen Erkrankungen gehören die Bisphosphonate zur Standardtherapie. In der Onkologie können Tumoren unterschiedlichen Ursprungs zur Knochendestruktion führen. Die Tumorzellen resorbieren nur selten direkt den Knochen, sondern aktivieren in der Regel die Osteoklasten über die Freisetzung von Zytokinen. Eine generalisierte Knochenresorption erfolgt über die systemische Zirkulation osteolytischer Faktoren, insbesondere über das PTHrP (Parathormon-ähnliches Protein).
Indikationen
Aus der lokalen und/oder generalisierten Skelettdestruktion ergeben sich die wichtigsten Indikationen für den Einsatz von Bisphosphonaten bei Tumorpatienten: Tumorbedingter Knochenschmerz, tumorbedingte Hyperkalzämie, Therapie der Osteolysen und frakturgefährdeter Skelettareale infolge Osteoporose, Prävention tumorbedingter Skelettdestruktion („Osteoprotektion“), Beeinflussung der Entstehung ossärer und viszeraler Metastasen sowie Hemmung des Tumorwachstums im Knochen.
Osteonekrosen des Kiefers als seltene Nebenwirkung
In einer New Yorker Klinik für Mund- und Kieferchirurgie fiel erstmals eine Gruppe von Patienten mit nekrotischen Läsionen des Kiefers auf, welchen eine klinische Eigenschaft gemeinsam war: Sie hatten alle eine Dauertherapie mit einem Bisphosphonat erhalten. Eine retrospektive Analyse aller Patienten zwischen Februar 2001 und November 2003 mit refraktärer Osteomyelitis und einer Bisphosphonattherapie in der Anamnese ergab bei 63 Patienten eine typische Symptomatik [3, 4]: Die Läsionen waren meist nicht heilende Extraktionswunden oder ein freiliegender Kieferknochen, jeweils refraktär gegenüber konservativem Debridement oder antibiotischer Therapie. Eine australische [5] und eine amerikanische Publikation [6] hatten im Jahre 2003 erstmals auf diese Problematik hingewiesen. Die amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA hat bereits für Pamidronsäure (Aredia®) und Zoledronsäure (Zometa®) diese bislang weitgehend unbekannte unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) in die Gebrauchsinformation aufnehmen lassen. Die Firma Novartis Pharma als Hersteller von Zometa® (Wirkstoff: Zoledronat) hat angekündigt, diese UAW in den nächsten Wochen ebenfalls in die Fachinformation ihres Präparates aufzunehmen.
Dr. med. Christoph SchindlerProf. Dr. med. Dr. med. dent. Wilhelm KirchInstitut für Klinische Pharmakologie der TUDresden, Fiedlerstraße 27, 01307 Dresden
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Wirkstoff
Handelsname
Relative Potenz
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Etidronat
Didronel-Kit®
1
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Clodronat
Ostac®, Bonefos®
10
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Tiludronat
Skelid®
10
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Pamidronat
Aredia®
100
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Alendronat
Fosamax®
1000
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Risedronat
Actonel®
5000
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Ibandronat
Bondronat®
10000
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Zoledronat
Zometa®
20000
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