Juckreiz
Es ist zum aus der Haut fahren: Juckreiz ist ein sehr quälendes Symptom, das durch zahlreiche Störungen und Erkrankungen ausgelöst werden kann. Der Ursache auf den Grund zu gehen und sie durch eine konsequente Behandlung zu beheben, ist oft die einzige Möglichkeit, das quälende Jucken in den Griff zu bekommen.
Für den Zahnarzt ist das Thema Juckreiz nicht nur aus der möglichen eigenen Betroffenheit heraus bedeutsam. Denn bei Patienten, deren Haut deutliche Kratzspuren aufweist, möchte man doch wissen, wodurch diese bedingt sind. Hinter dem Juckreiz (Pruritus) kann durchaus ein Parasitenbefall stecken, was bei Patienten, die damit in die Praxis kommen, weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen kann. Auch allergische Reaktionen können durch in der Zahnarztpraxis gebräuchliche Medikamente getriggert werden.
Definition des Pruritus
Definiert ist der Juckreiz, der durch spezielle Nozizeptoren in unmyelinisierten C-Fasern vermittelt wird, als eine durch einen Reiz ausgelöste, unangenehme Empfindung, welche ein Kratzen, Reiben oder Kneifen provoziert. Während Wahrnehmungen wie Schmerz, Kälte, Wärme oder Druck vom Organismus über definierte Rezeptoren vermittelt werden, kennt man solche Wahrnehmungsstrukturen beim Juckreiz bislang nicht.
Durch das Kratzen, Kneifen, Reiben oder auch Kühlen wird kurzfristig eine Art Linderung erwirkt, allerdings kehrt ein manifester Pruritus in aller Regel rasch zurück, wenn seine Ursache nicht behoben wird. Durch das Kratzen kann sogar ein Circulus vitiosus eingeleitet werden, denn das Kratzen irritiert die Haut erneut, was den Juckreiz weiter anfacht. Die Juckempfindung kann dabei qualvoll werden und sich bis zu Unerträglichkeit steigern.
Die betroffenen Patienten leiden unter Schlafstörungen mit den entsprechenden Folgen wie Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, Nervosität und Reizbarkeit. Sie kratzen sich die Haut regelrecht blutig und entwickeln unter Umständen durch den quälenden Juckreiz massive psychische Probleme.
Der Juckreiz kann entsprechend seiner Lokalisation und dem zeitlichen Verlauf seines Auftretens differenziert werden, wobei sich meist direkt schon Hinweise auf die Ursache der Störung ergeben. Ein generalisierter Pruritus weist auf Medikamente oder auch auf eine Tumorerkrankung als Grundlage hin, während ein lokalisierter Juckreiz meist durch eine Hautinfektion bedingt wird. Der situationsbedingte Juckreiz lässt nicht selten psychogene Ursachen vermuten.
Äußere Einflüsse
Nicht selten habe die unangenehmen Symptome ganz banale Ursachen: So kann eine Austrocknung der Haut durch eine falsche Hautpflege mit exzessivem Baden und dem Benutzen alkalischer Seifen oder Detergenzien die Grundlage sein.
Damit sind auch Zahnärzte in besonderem Maße gefährdet: Das häufige Händewaschen kann den Säureschutzmantel der Haut zerstören und eine breite Angriffsfläche für alle möglichen allergisierenden Substanzen bieten. Es kommt dann zunächst zur Ausbildung ekzematöser Veränderungen und schließlich zum beruflich bedingten Ekzem.
In besonderem Maße gefährdet sind ferner ältere und alte Menschen. Durch die nachlassende Elastizität der Haut ist diese besonders anfällig gegen alle Faktoren, welche die Haut austrocknen. Es bilden sich dadurch bei der alternden Haut leichter Ekzeme, die ihrerseits Juckreiz verursachen.
Auch fehlende Reinlichkeit kann den Juckreiz erklären. Zusätzlich können Hautschädigungen, wie sie etwa durch einen Sonnenbrand verursacht werden, mit erheblichem Juckreiz verbunden sein. Darüber hinaus gibt es verschiedenste chemische Substanzen, die pruritogen wirken. Bekannt ist dies von biogenen Aminen, von Neuropeptiden sowie von Serotonin. Die bekannteste Juckreiz auslösende Verbindung aber ist das Histamin. Es handelt sich um ein vergleichsweise kleines Molekül, das in Mastzellen gebildet und dort in speziellen Granula gespeichert wird. Auf einen Reiz hin – zum Beispiel das Eindringen eines Insektengiftes in die Haut nach einem Insektenstich – wird das Histamin aus den Granula der Mastzellen freigesetzt, der Juckreiz entsteht. Damit können praktisch alle Substanzen, die eine Histaminausschüttung forcieren, den Juckreiz hervorrufen.
Andere Verbindungen, wie Endopeptidasen, können C-Fasern direkt und somit ohne Aktivierung der Histamin-Freisetzung stimulieren.
Parasitenbefall
Ein Befall der Haut – meist der Kopfhaut – mit Läusen, Flöhen oder Milben kann ebenfalls schwere Juckreizattacken hervorrufen.
Ein weiteres Krankheitsbild, das die unangenehmen Symptome hervorruft, ist die Krätze (Scabies). Das ist eine parasitäre Erkrankung, die durch Krätzmilben hervorgerufen wird. Die Betroffenen kratzen sich vor allem nachts, da die Milben sich unter der warmen Decke und bei feuchter Körperwärme ausgesprochen wohl fühlen und regelrecht zur Hochform auflaufen.
Psychogene Ursachen
Stress oder Angst können das vegetative wie auch das zentrale Nervensystem beeinflussen und mit den beschriebenen Symptomen einher gehen. Zusätzlich kann ein manifester Juckreiz auch durch psychische Reaktionen moduliert werden. Dass Juckreiz und Psyche in gewisser Beziehung zueinander stehen, zeigt auch die Tatsache, dass die Beschwerden nachlassen, sobald der Betroffene abgelenkt wird, also seine Aufmerksamkeit auf anderes gerichtet wird.
Ein Charakteristikum ist der Pruritus bei chronischen Lebererkrankungen. So reagieren rund ein Drittel aller Patienten mit chronischer Hepatitis C mit zum Teil unerträglichem Juckreiz. Bei den cholestatischen Lebererkrankungen, also den Störungen, die mit einer Abflussstörung der Gallenflüssigkeit verbunden sind, gehört der Juckreiz mit zu den Leitsymptomen.
Auch hämato-onkologische Erkrankungen, wie eine Leukämie oder Lymphome, gehen häufig mit Juckreiz einher, ebenso wie solide Tumore, eine Eisenmangelanämie sowie endokrinologische Erkrankungen, etwa ein Diabetes mellitus oder der Hyperthyreodismus.
Des Weiteren können Erkrankungen wie HIV oder eine Multiple Sklerose sowie Nierenerkrankungen mit dem qualvollen Hautkribbeln assoziiert sein.
Dermatologische Auslöser
Pruritus ist darüber hinaus ein sehr häufiges Symptom bei Hauterkrankungen, wobei akute wie auch chronische Hautveränderungen in Betracht kommen.
Meist juckt die Haut auf dem Boden ekzematöser Entzündungen und Veränderungen. Dabei handelt es sich um chronisch rezidivierende entzündliche Prozesse. Neben akuten Krankheitsstadien gibt es Phasen mit nur geringer Symptomatik, die aber – getriggert durch Auslöser – in bestimmten Situationen rasch wieder aufflammen können, was an einer geröteten, eventuell schuppenden, brennenden oder sogar nässenden Haut erkennbar ist. Chronische Störungen wie sie bei der Neurodermitis vorliegen, gehen auf eine erhöhte Reaktivität des Immunsystems zurück, die ihrerseits durch zahlreiche Auslöser stimuliert werden kann. Die Hautveränderungen können nur vereinzelt auftreten (wie im Bereich der Ellenbogen oder der Kniekehlen) oder weitere Hautbereiche, etwa in der Gesichtspartie oder an den Extremitäten, befallen.
Anders als die Neurodermitis bildet sich das allergische Kontaktekzem, wie der Name schon andeutet, durch den direkten Kontakt der Haut mit Allergenen aus. Weit verbreitet ist vor allem die Chrom-Nickel-Allergie, die nach entsprechender Sensibilisierung vor allem beim Tragen nickelhaltigen Schmucks zu akuten Hautveränderungen führt.
Allergische Reaktionen können sich allerdings auch durch andere Substanzen entwickeln, im Hautbereich manifestieren und mit erheblichem Juckreiz einher gehen. Viele Parfums enthalten Allergene und können allergische Hautausschläge (Exantheme) hervorrufen. Außerdem können Blütenpollen, Hausstaub-Allergene und Schimmelpilze neben den bekannten Atemwegsproblemen auch Hautveränderungen und Juckreiz provozieren. Das gilt ebenso für Insektengifte, die ihre juckende Wirkung über eine forcierte Histaminausschüttung vermitteln (siehe unter „Äußere Einflüsse“).
Besonders schwerwiegend ist der Juckreiz in Verbindung mit einer Urtikaria (Nesselsucht). Hierbei bilden sich intensiv juckende Quaddeln in schweren Fällen fast über den gesamten Hautbereich. Die Haut sieht aus, als sei sie mit Brennnesseln in Kontakt gekommen, ein Phänomen, das der Nesselsucht ihren heutigen Namen gab. Auch die Urtikaria hat einen allergischen Hintergrund. Auslöser der Hautquaddeln sind häufig Gewürze, Farbstoffe oder Konservierungsmittel, aber auch Umweltallergene und Tierallergene.
Neben allergischen Erkrankungen müssen bei juckender Haut immer auch Infektionen als Ursache ins Kalkül gezogen werden. So zum Beispiel bei Windpocken, Masern, Röteln und Scharlach.
Therapie des Pruritus
Bei der Behandlung des Pruritus ist die Kausaltherapie das Mittel der Wahl. Relativ einfach ist dies zumeist möglich, wenn das Hautkribbeln durch Arzneimittel hervorgerufen wird. Dann gilt es, den jeweiligen Wirkstoff abzusetzen und gegebenenfalls durch ein anderes Medikament zu ersetzen. Wird die Haut durch übermäßiges Waschen sowie durch Seifen und Syndets gereizt und ausgetrocknet, wird das tägliche Baden oder Duschen reduziert, und rückfettende Duschgels sowie medizinische Ölbäder kommen zum Einsatz. Die Haut ist dann regelmäßig mit Basiscremes oder –salben zu pflegen, damit sie wieder die notwendige Feuchtigkeit zurück erhält.
Doch auch allgemeine Maßnahmen sind hilfreich. Hohe Temperaturen sind zu meiden, da Hitze den Juckreiz üblicherweise verstärkt. Es sollte nur leichte Kleidung getragen werden, vorzugsweise aus Baumwolle, um die Haut nicht zusätzlich zu belasten. Wichtig ist ein kühles Schlafzimmer und auch tagsüber darf die Umgebungstemperatur nicht zu warm sein. Vor dem Zubettgehen kann sogar ein kalte Dusche helfen.
Generell wirken kühlende Lotionen oder Cremes lindernd auf das Hautkribbeln, und das insbesondere bei Zusätzen von Harnstoff oder Salicylsäure, welche den Juckreiz deutlich verbessern können. Harnstoff wird wegen seiner Juckreiz stillenden Eigenschaften in fünf- bis zehnprozentiger Konzentration in viele Cremes oder Salben eingearbeitet. Er bindet Feuchtigkeit in der Haut und wirkt so der Austrocknung entgegen. Juckreiz stillend und antientzündlich wirken ferner Gerbstoffe und Teerpräparate. In schweren Fällen können darüber hinaus kortikoidhaltige Externa notwendig werden.
Systemische Therapie
Helfen lokale Maßnahmen nicht oder nicht ausreichend, so kann eine systemische Behandlung des Pruritus notwendig werden. Wird die Missempfindung durch Histamin vermittelt, wie das vor allem bei allergischen Reaktionen der Fall ist, kann entsprechend mit einem Antihistaminikum behandelt werden. Es ist eine ganze Palette an Präparaten verfügbar, wobei in erster Linie zwischen älteren Wirkstoffen, die die Blut- Hirn-Schranke passieren und dadurch sedierend wirken können, und neuen Wirkstoffen, die diese Eigenschaften nicht haben, zu unterscheiden ist.
Dabei können die älteren Präparat durchaus sinnvoll sein, denn werden sie abends eingenommen, entfalten sie neben der Juckreiz stillenden auch eine beruhigende Wirkung und beugen Kratzattacken während des Schlafes vor. Bei Patienten, die dennoch vor allem während der Nacht unter unerträglichem Juckreiz leiden, können ferner auch Neuroleptika hilfreich sein.
Glukokortikoide helfen, wenn die Hautreizung durch eine ekzematöse Erkrankung bedingt ist. Allerdings sollen die Glukokortikoide wegen ihres hohen Nebenwirkungspotentials nur zeitlich begrenzt eingesetzt werden. Behandelt werden kann ferner mit dem Opioidantagonisten Naltrexon, der für diese Indikation aber offiziell nicht zugelassen ist. Des weiteren ist auch für Antidepressiva beschrieben worden, dass sie zum Teil auch Juckreiz stillende Effekte haben.
Ein anhaltender Pruritus kann ferner durch eine Lichttherapie (UVB-Phototherapie, PUVA-Therapie) gelindert werden.