Nicht alles versichern
„Freie Verantwortung vor Solidarität“ forderte der Bundesvorsitzende Dr. Wilfried Beckmann vor rund 30 Journalisten, die zum Thema „Ist Zahnmedizin versicherbar“ den Stand der politischen Diskussion wissen wollten. Zwischen Subsidiarität und Solidarität müsse ein vernünftiges Verhältnis geschaffen werden, meinte Beckmann und forderte erneut statt der vom Staat gestützten Versicherungspflicht die Ausgrenzung der Zahnmedizin aus dem GKV-System.
Zuspruch kam aus der FDP-Fraktion: MdB Daniel Bahr bemängelte, dass beim GKVModernisierungsgesetz (GMG) der „erste Schritt hin zu einer Gesundheitsprämie“ verhindert wurde. Bahr forderte den Umstieg vom umlagefinanzierten zum kapitalgedeckten System, „das Vorsorge für den höheren Bedarf an Gesundheitsleistungen im Alter trifft und die notwendigen Spielräume für die Nutzung des medizinischen Fortschritts eröffnet“. Zur Versicherung der Zahnmedizin „gibt es keine Alternativen“ beharrte hingegen die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Erika Lotz. Auch Birgit Bender von Bündnis 90/Die Grünen verteidigte unbeeindruckt die Sachleistung. Es gebe den Kassen die notwendigen Instrumente, „um den Preis und auch die Qualität der Leistung steuern zu können“.
Annette Widmann-Mauz, Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ermahnte die Zahnärzte ausdrücklich, ihre im Zuge des Festzuschusssystems entscheidende Aufgabe – die Patientenberatung – nicht zu vernachlässigen: „Wenn Sie die Honorarwünsche an die erste Stelle setzen und nicht das persönliche Wohl des Patienten, gefährden Sie das Ansehen Ihres Berufsstandes und Ihre Zielsetzung, die Freiberuflichkeit des Zahnarztberufes wieder herzustellen.“
Der Schweizer Gesundheitsexperte Willy Oggier gibt keinem der politischen Vertreter Recht. Die Wahrheit liege „nicht einmal mitten drin“. Oggier sieht keinen Gegensatz zwischen Eigenverantwortung und Solidarität. Das schweizerische System habe zu großen Erfolgen in der Mundgesundheit geführt. Allerdings vernachlässige der Staat in jüngerer Zeit seine Verantwortung in der Prävention. Oggier: „Den Schweizern täte mehr gezieltes Engagement im Bereich der Prävention tendenziell gut, in Deutschland täte wohl weniger Finanzierung über die GKV unter Beachtung des notwendigen öffentlichen Engagements besser.“
Diskussionen zum Umbruch
Auch in Schweden ist man, so der Präsident des privat-zahnärztlichen Verbandes (PTL) im skandinavischen „Hoch-Steuer-Staat“, in der Zahnmedizin weiter. Zurzeit gebe es keine Preiskontrolle für Patienten zwischen 20 und 64 Jahren. Die Zahnärzte müssten in einem deregulierten Markt eigene Preise festzulegen und diese gegenüber Patienten und den genau kontrollierenden Massenmedien zu begründen. Die Verbände hätten jetzt die Aufgabe, den Berufsstand für den freien Wettbewerb zu öffnen.
Doch zurück zu deutschen Verhältnissen: Die Frage der Finanzierbarkeit der GKV sei nicht durch Regelungen auf der Einnahmenseite zu lösen, wenn die Leistungsseite unangetastet bleibt, erklärte der stellvertretende FVDZ-Bundesvorsitzende Dr. Karl- Heinz Sundmacher die Crux bisheriger deutscher Reformversuche. Er forderte die komplette Ausgliederung der Zahnmedizin – bis auf die präventive Untersuchung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die Versorgung von Tumoren, Unfall- und genetischen Krankheitsfolgen sowie einer Sonderregelung für hilfsbedürftige Erwachsene. Ein Plädoyer für „Eigenverantwortung vor Solidarität“ hielt Versicherungsmathematiker Rainer Fürhaupter. Wert legte das DKV-Vorstandsmitglied aber auf eine breit strukturierte Vorsorge und Absicherung gegen den im Zuge der Privatisierung befürchteten „moral hazard“ durch Patienten wie auch Zahnärzte.
Befragt zur aktuellen Strategie erklärte FVDZ-Bundesvorsitzender Beckmann, der Verband werde nach seinem im Zuge des GMG beschlossenen Rückzug aus den Gestaltungsmöglichkeiten in den KZVen zwar weiter politisch arbeiten, aber verstärkt über „neue Wege“ versuchen, die Zahnärzte auf eine Existenz außerhalb des Sachleistungssystems vorzubereiten.
Beckmanns Urteil zur Lage: „Die KZVen administrieren, wir gestalten unsere politische Zukunft.“ Zur derzeit „leicht rückläufigen Mitgliederentwicklung“ befragt, erklärte der Vorsitzende, dass „jede Gewerkschaft froh wäre, wenn sie in dieser Zeit eine Mitgliederentwicklung hätte wie der freie Verband“. Es gäbe Diskussionen zum Umbruch, aber keine signifikanten Veränderungen.