Neues Arm-Training besser als konventionelle Behandlungen
Jährlich erleiden etwa 165 000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Davon bleibt bei zwei Dritteln eine Beeinträchtigung zurück, häufig eine Lähmung eines Armes. Leiden die Betroffenen unter schweren Armlähmungen, können sie viele alltägliche Dinge – zum Beispiel sich die Schuhe zubinden, sich waschen oder nach einem Glas greifen – nicht mehr oder nur beschwerlich mit dem noch gesunden Arm meistern.
Solche Armlähmungen werden in der Regel physiotherapeutisch behandelt. Eine Forschergruppe des Kompetenznetzes Schlaganfall um Privatdozent Dr. Thomas Platz aus der Abteilung für neurologische Rehabilitation, Charité Campus Benjamin Franklin, konnte nun für eine neue Therapie zeigen, dass sie effektiver als herkömmliche Rehabilitationsmaßnahmen hilft. Die Ergebnisse der Studie sind kürzlich online im Journal of Neurology (http://dx.doi.org/10.1007/s00415-005-0868-y) erschienen.
Kleine Schritte führen zum Erfolg
Das von der Physiotherapeutin Christel Eickhof entwickelte Arm-BASIS-Training fängt mit einer genauen Analyse der Defizite an. „Die neue Methode greift sehr spezifisch die jeweiligen individuellen Funktionsdefizite auf, und behandelt diese systematisch durch häufig wiederholendes Üben“, so der Leiter der Arbeitsgruppe. Dabei wird zunächst einzeln die aktive Bewegungsfähigkeit für Schulter, Ellenbogen, Hand und Finger gezielt wieder hergestellt. Das heißt, der Patient lernt in kleinen repetitiven Schritten die einzelnen Gelenke wieder zu bewegen, bevor er das komplexe Zusammenspiel verschiedener Muskeln, das er beispielsweise für das Ergreifen eines Glases benötigt, trainiert. Ziel ist, dass der Patient die Basisfunktionen des Armes wiedererlangt.
Um die Wirksamkeit der neuen Therapie zu prüfen, wurden in der Kompetenznetz-Studie 28 Patienten mit schweren Armlähmungen, die maximal sechs Monate zuvor einen Schlaganfall erlitten hatten, in drei Gruppen aufgeteilt. Alle Patientengruppen trainierten ihren lädierten Arm vier Wochen lang nach einer konventionellen, in den meisten Kliniken üblichen Rehabilitationsstrategie. Die erste Gruppe erhielt nur diese konventionelle Behandlung, die zweite legte zusätzliche Übungseinheiten nach dem Bobath-Konzept ein, einem Goldstandard der Physiotherapie nach Schlaganfall. Die dritte Gruppe wurde zusätzlich mit dem neu entwickelten Arm-BASIS-Training behandelt.
Das Ergebnis vier Wochen später: Alle Patienten konnten die motorischen Fähigkeiten des betroffenen Armes verbessern. Aber jene Patienten, die das Arm-BASISTraining erhielten, konnten ihren Arm anschließend deutlich besser bewegen als die Patienten, die mit der herkömmlichen Behandlungsmethode oder zusätzlich nach der häufig angewendeten physiotherapeutischen Behandlungsform trainiert wurden.
Die Fortschritte maßen die Mediziner anhand einer motorischen Skala vor und nach der vierwöchigen Behandlung. Das bedeutet, dass für die Verbesserung der Armkontrolle die Art des Trainings wichtiger war als die Behandlungszeit.
Gesunde Hirnareale übernehmen Funktion
Nur bei den Patienten, die das Arm-BASIS-Training absolvierten, konnte zusätzlich eine systematische Verlagerung des motorischen Repräsentationsgebietes im Gehirn beobachtet werden. Es fand demnach eine Umorganisation der Nervenzellen im Gehirn statt. Benachbarte, unverletzte Gehirnabschnitte konnten vermutlich die Aufgaben zerstörter übernehmen.
Das Besondere dabei: Das Ausmaß der Reorganisation stand im Verhältnis zur motorischen Erholung der Patienten. „Das Arm-BASIS-Training könnte eine Umorganisation im Gehirn induziert haben“, so die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe.
Noch sind weitere Untersuchungen mit größeren Patientenzahlen nötig.
Eine multizentrische Kompetenznetz-Studie mit 60 Patienten, die in Kürze publiziert wird, konnte die Ergebnisse jedoch bereits unterstützen.
Kompetenznetz Schlaganfall
Die Studie wurde im Rahmen des Kompetenznetzes Schlaganfall durchgeführt, einem seit 1999 vom BMBF geförderten bundesweiten Netzwerk, in dem Akteure der Versorgung, klinische Wissenschaftler und Grundlagenforscher eng zusammenarbeiten. Ziel ist es, die Kompetenz der beteiligten führenden Forschergruppen zu bündeln, die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern, Ärzten und Betroffenen zu verbessern – und damit die Schlaganfallforschung noch effizienter voranzutreiben.
Weitere Informationen:PD Dr. med. Thomas PlatzKlinik Berlin – Abteilung für neurologischeRehabilitation, CharitéCampus Benjamin Franklintplatz@zedat.fu-berlin.de