Mit Weisheit und Routine
Widerstände und Konflikte als etwas Normales zu begreifen, gezielt anzugehen und offen anzusprechen, lohnt sich immer. So wird die Situation allen Beteiligten klar und eine gemeinsame Lösung erst möglich. Wichtig für den Praxischef bleibt, wenn er sich das Konfliktmanagement ausarbeitet, an die 72-Stunden-Regel zu denken: „Was nicht innerhalb der nächsten 72 Stunden umgesetzt wird, landet unter der Rubrik ‚guter Vorsatz’, wird aber nicht realisiert.“ Je eher er die nötigen Schritte einleitet, um so eher erreicht er sein Ziel.
Früh erkannt, …
Oft handelt es sich bei regelmäßig wiederkehrenden Konflikten um Probleme ähnlicher Natur: der Patient, der sich trotz intensiver Aufklärung über den zu hohen Preis beschwert; das Team, das „verstimmt“ reagiert, wenn der Arbeitstag mal wieder erst eine Stunde später endet; der eigene Frust, wenn der HKP auf mehr Kompromissen basiert als gut ist, weil die optimale Behandlung dem Patienten zu teuer ist.
Diese „Energiefresser“ beanspruchen Konzentration und Zeit, die der Zahnarzt lieber der Behandlung widmen würde. Doch Konflikte sind nicht immer zu umgehen. „Symptomatische“ Situationen treten auf, wenn – und weil – alle Betroffenen in ihren eigenen Strickmustern gefangen sind. Einblicke in konkrete Konfliktfelder und das Verständnis einzelner -muster liefern Lösungsmöglichkeiten. Konflikte entstehen oft, weil die Angesprochenen
• die Motive, Hintergründe oder Ziele eines Sachverhaltes nicht verstanden haben. Vielleicht hat der Chef/Behandler aus ihrer Sicht einfach zu lang monologisiert, zu kompliziert erklärt? Sein Gesprächspartner hat die wesentlichen Infos zwar gehört, aber nicht als „wichtig für mich“ gespeichert.
• die Inhalte zwar kognitiv verstanden haben, aber nicht glauben. Ihnen fehlt noch Vertrauen zum Zahnarzt oder sie empfinden ihn als zu befangen oder zu wenig objektiv. Hier gilt es zu prüfen, ob negative bis pessimistische „Zuflüsterer“ im Freundesoder Familienkreis den Patienten oder Mitarbeiter beeinflussen.
• es zwar verstanden haben und dem Zahnarzt vertrauen, aber nicht mitgehen, etwa weil sie keine positiven Veränderungen erwarten und / oder „der Preis für die Veränderung zu hoch“ ist. Typisches Beispiel: Patienten, die trotz klarer Vereinbarung bei versäumten Terminen das Ausfallhonorar verweigern und „mit Weggang in eine andere Praxis“ drohen. Oder der Chef setzt für auszubauende Prophylaxe als Ziel 55 000 Euro im Jahr, doch das Team orientiert sich bei der Zahlungskraft der Patienten an Negativbeispielen oder am eigenen Unwillen zu Zuzahlungen. Konflikte sind immer als Widerstände zu spüren, primär emotionaler Art. Selten folgen auf klare Fragen klare Antworten, manchmal kommt den Betroffenen eher „etwas nicht geheuer“ vor, weil die Signale verschlüsselt sind:
• Das Team arbeitet schleppend, trägt Meetings nicht aktiv oder gar nicht mehr mit, ignoriert Anweisungen weil „anderes wichtiger war…“;
• Problemlösungen werden vertagt („Das wird schon wieder“);
• Der Angesprochene hört nicht richtig zu, es entstehen „peinliche Pausen“;
• Unruhen, „Cliquenwirtschaft“ und auch vermehrtes Ausgrenzen der Verständigen;
• Eigene Unlust und „Bauchweh“ beim Gedanken an bestimmte Mitarbeiter / Patienten.
Eine deutlich spürbare schlechtere Atmosphäre in der Kommunikation ist für den Außenstehenden ein klares Indiz für verschleppte Probleme. Er spürt sie sofort, beim ersten Telefonat wie beim Betreten der Praxis: Der Dialog ist aus seiner Sicht reduziert, Blickkontakt und namentliche Begrüßung entfallen – er merkt: hier stimmt etwas nicht.
… Konflikt gebannt
Der Einzelne stellt sich in Konflikten – auch unbewusst – je nach Phase Fragen
• nach dem Sinn:
a) Was ist das Ziel des Ganzen? Ist mir dieses selbst plausibel? Stehe ich dahinter, habe ich dieses Ziel als Lösung auch „inhaliert“?
b) Wie wichtig ist diese Sache wirklich? Soll sie eventuell von dringlicheren Problemen ablenken?
c) Was ist die Konsequenz, wenn wir das Problem nicht lösen oder das Ziel nicht erreichen? Verliere ich eventuell in den Augen meiner Kollegen, Freunde, Bekannten mein Gesicht?
• nach den eigenen Kompetenzen:
a) Kann ich dem gerecht werden, was da von mir verlangt wird? Welche Konsequenzen hätte ein Scheitern für mich / meinen Beruf?
b) Kann ich die neuen Aufgaben organisatorisch und zeitlich erfüllen?
• nach der „Input/Output-Diskussion“:
a) Wie stehen meine Aussichten bei guten Ergebnissen? Was bringt mir das?
b) Wie ist die Veränderung dann in meinem Umfeld (Freunde, Bekannte, Kollegen) angesehen?
c) Was ist der Preis für die Veränderung? Welche Risiken und Nebenwirkungen gibt es?
Sinnvoll ist immer ein ruhiges, aufrichtiges Gespräch – mit ausreichend Zeit und wenig Ergebnisdruck. Es zählen ehrliches Interesse und Verständnis für die Ängste und Bedenken der Betroffenen. Folgende Beispielfragen erleichtern die Vorbereitung:
a) „Was ist für Sie wichtig? Was sind Ihre Anliegen und Wünsche?“
b) „Was sollte aus Ihrer Sicht des Betroffenen möglichst verhindert werden?“
c) „Welche Alternativen sehen Sie selbst?
Wie müsste aus Ihrer Sicht vorgegangen werden, um das Problem zur Zufriedenheit aller trotzdem zu lösen?“
Die Beantwortung dieser Fragen zu zweit oder dritt ermöglicht, die Bedenken aller Beteiligten zu beachten und auszuräumen.
Verführerisch ist für eine Führungskraft ebenso wie für den Berater der Patienten der Irrtum, man habe den „richtigen“ Weg gefunden, und auf diesem zu insistieren. Widerstände lassen sich aber nur selten durch Nachdruck auf das Gegenüber lösen, ebenso wenig durch Verdrängen oder Hintenanstellen. Vielmehr kann ein Chef sie überwinden, wenn er sie als natürliche Reaktionen „erwartet“, weil sie im Positiven zeigen, wo Energien freigesetzt werden können. Zu einem positiven Verständnis verhelfen vier professionellen Grundsätze:
• Es gibt keine Veränderungen ohne Widerstand. Nicht sein Auftauchen, sondern sein Ausbleiben muss beunruhigen.
• Widerstand enthält immer auch eine (verschlüsselte) Botschaft. Welche Ängste, Bedenken weckt das Ziel beim Gegenüber?
• Ignorieren des Widerstandes führt zu (inneren) Blockaden. Viele Praxisteams wie auch Patienten erklären im Dialog mit externen Beratern dann: „Mal schau’n, wie lange der Chef / mein Zahnarzt das durchzieht. Er hat ja schon öfter mehr gewollt und es dann doch nicht umgesetzt.“ Statt dem Chef / Behandler wirklich zuzustimmen, hoffen sie auf seine Resignation.
• Widerstand ernstnehmen, damit umgehen wie ein Judoka, der den Druck wegnimmt und dem Widerstand Raum gibt. Also den persönlichen Dialog beginnen und beim Kontakt mit dem Patienten den schriftlichen Dialog nach dessen schriftlicher Reaktion beenden. Sonst verschärft sich das Problem nur.
Im Coaching bietet sich bei wichtigen Entscheidungen im persönlichen Gespräch der „Öko-Check“ an. Er nähert sich der Lösung aus verschiedenen Richtungen und schafft meist auch im Eigencoaching Klarheit, sofern der Betreffende folgende Fragen ehrlich beantwortet.
Zum Abschluss vergleicht man die Antworten auf die Fragen in den vier Feldern (in der Reihenfolge 1.1, 1.2, 2.1 und 2.2) und stellt sich deren Realisierung einmal gedanklich vor: Wie attraktiv auf einer Skala von 0 (= unattraktiv) bis 10 (= äußerst attraktiv) ist es dann, das Ziel zu erreichen, das Problem zu lösen? Diese Gewichtung hilft meist, den letzten Tropfen Klarheit zu gewinnen. Wenn nicht, bedarf der Konflikt eines neutralen Impulses durch einen Vertrauten oder durch einen Coach.
Stefan SeidelMainzer Str. 555232 Alzey
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