Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
die Gesundheitsreform der großen Koalition soll vor der Sommerpause stehen und ab Januar 2007 schon greifen. So kommunizierten die Politiker ihren Willen zumindest noch bis vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft. Große Freiheiten haben wir Deutschen angesichts dessen, was bisher von den Verhandlungen hinter verschlossenen Türen nach außen gedrungen ist, allerdings nicht zu erwarten. Ganz im Gegenteil steht zu befürchten, dass der Drang zu weiteren Reglementierungen auch unter schwarzrot- geprägten Vorzeichen anhalten wird.
Das sind schlechte Chancen für ein Gesundheitswesen, seiner von Ökonomen seit langem immer wieder prophezeiten Rolle als der Wachstumsmotor in einer zunehmend überalternden, mehr und mehr vom Dienstleistungsbedarf bestimmten Gesellschaft gerecht werden zu können. Schlechte Zeiten für die noch vor Jahren weit verbreitete Hoffnung, dass dem ehemals erfolgreichen „made in Germany“ eines Tages ein ebenso erfolgreiches „medicated in Germany“ folgen wird.
Unternehmen mit Chancen auf einen prosperierenden Markt, in der Regel heftig unter Dampf und bereit, vorzupreschen, sind ihre ewige Wartestellung zunehmend satt. Macht Deutschland so weiter, verbaut es sich auch noch dieses nach wie vor als sicher geltende Potenzial an Arbeitsplätzen.
Dabei geht es in erster Linie nicht einmal nur um Medizinprodukte, Pharmazeutika und Co. Es geht vor allem auch um die Qualität der medizinischen Versorgung. Es geht darum, weiterhin die Voraussetzungen für Erfolge und Fortschritte in Forschung und Wissenschaft zu erhalten. Das ist der Antrieb, die sich auf den Arbeitsmarkt auswirkenden Fakten gern gesehene Folge.
Um so mehr ist es aber unvorstellbar, dass gerade diejenigen, die sich Arbeitsplatzbeschaffung, Verbraucher- und Patientenschutz auf ihre Fahnen geschrieben haben, in der Sache immer wieder Richtung Halbherzigkeit oder gar Kapitulation abdriften. Und wer der großen Koalition im vergangenen Jahr noch als Wahlvolk wichtig war, den will man auch mit Blick auf die nächste Wahl in drei Jahren (oder weniger) möglichst nicht brüskieren.
Schicksalsmelodie einer behäbigen Demokratie? Die Probleme werden dadurch jedenfalls nicht behoben.
Das Glück im Unglück: Diejenigen, die voll Unternehmungsgeist in den Startlöchern stecken, werden einen Markt von über 80 Millionen Menschen nicht ohne Weiteres aufgeben. Der Zug ist, auch wenn es oft den Eindruck macht, noch nicht abgefahren. Er wartet auf positive Signale, um die Dynamik zu erhalten, die ein Wachstumsmarkt dieser Branche braucht. Zum Wohle des Arbeitsmarktes, der Politiker, der Wähler, Bürger und Patienten, aber auch einer Gruppe von Heilberuflern, die letztlich nichts anderes wollen, als ihren Beruf „lege artis“ zum Wohle der Patienten auszuüben, dafür aber auch anerkannt und angemessen honoriert zu werden.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Mit freundlichem Gruß
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur