BZÄK-Consilium zur Gesundheitsreform

Staatsmedizin statt Wettbewerb

Als eine Mogelpackung, auf der „Wettbewerb draufsteht und Staatsmedizin drinsteckt“, kritisierte das Consilium der Bundeszahnärztekammer die geplante Gesundheitsreform. Auf einer Pressekonferenz in Berlin bescheinigte das Gremium unabhängiger Wissenschaftler den Gesetzesplänen schwere Mängel, das Festhalten an verkrusteten Strukturen und mangelnde Stärkung der Eigenverantwortung.

„Der Wettbewerb zeigt sich nur im Verdrängen von Problemen“, charakterisierte der BZÄK-Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp die Reformpläne der Bundesregierung und stimmte in seinem Urteil mit dem des Consiliums unabhängiger Wissenschaftler der Bundeszahnärztekammer überein. Eine Stärkung des Wettbewerbs in der GKV sei von einem solchen Gesetz nicht zu erwarten, vielmehr zeigten sich immer mehr Verstaatlichungstendenzen. Weitkamps Befürchtung ist, dass die Freiberuflichkeit in Frage gestellt wird und der Weg direkt in den „Nationalen Gesundheits- Dienst (NGD)” führt.

Selten hat ein Gesetzgebungsverfahren so viel Streit hervorgerufen. Und mit seltener Einmütigkeit haben die Betroffenen – von den Verbänden der Leistungsträger, den gesetzlichen und privaten Krankenkassen bis hin zu Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern – ihre Ablehnung so deutlich bekundet. Eine Fülle gravierender Mängel bescheinigte das Consilium (siehe Kasten) dem geplanten „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-WSG)“ anlässlich seiner Pressekonferenz am 23. Oktober in Berlin. Die wesentlichen Knackpunkte sind aus Sicht der Wissenschaftler das Festhalten an einem nicht mehr zeitgemäßen Finanzierungssystem, das Fehlen eines echten Wettbewerbs zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkassen und der untaugliche Versuch, gesetzliche und private Leistungen über eine einheitliche Honorierung zu verschmelzen. Auch fehlen Anreize für Patienten zur verantwortungsvollen Eigenbeteiligung an den Kosten.

Der Koordinator des Gremiums, Prof. Dr. Burkhard Tiemann, äußerte verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz. Hier seien Grundfragen der Freiberuflichkeit – wie Berufsaufnahme oder -beendigung – tangiert. Außerdem wies er darauf hin, dass der für den Bund zuständige Sozialgesetzgeber zunehmend dazu übergehe, das den Ländern unterliegende Berufsrecht der Heilberufe zu usurpieren. Kritisch ging Tiemann mit den geplanten Regelungen zur Liberalisierung des Tarif- und Leistungserbringerrechts um: „Dies geschieht nur halbherzig oder unsystematisch“. Eine Absage erteilte Tiemann an Verstaatlichungsbestrebungen bei Organen wie dem Gemeinsamen Bundesausschuss oder den Krankenkassenverbänden.

Vehement gegen einen Basistarif in der PKV sprach sich Prof. Dr. Johann Eekhoff aus. Dies vermische die Prinzipien von GKV und PKV und verzerre so die in der PKV übliche Äquivalenz von Prämien- und Versicherungsleistung. Die Unternehmen bekämen einen Anreiz, zwischen Versicherten mit unterschiedlichen Einkommen zu differenzieren. Der Wettbewerb werde durch solche Vorhaben nicht gestärkt, sondern geschwächt. Der für den Basistarif notwendige Risikostrukturausgleich stelle einen Fremdkörper im System der GKV dar.

Vernichtend

Den Aspekt der Finanzierung in der GKV machte Prof. Dr. Eberhard Wille den Journalisten deutlich. Was diesen angehe, so vermöge der Gesetzesentwurf nahezu keine der bestehenden Schwachstellen zu beseitigen oder auch nur abzumildern, gab er zu bedenken. Sein Urteil war insgesamt vernichtend. Ein Festhalten an diesem System wäre „nicht nachhaltig, beschäftigungsfeindlich, wachstumshemmend, verteilungsungerecht und in hohem Maße intransparent.“ Wille rechnet – selbst bei moderaten Annahmen – bis zum Jahr 2008/2009 mit einer Steigerung des allgemeinen Beitragssatzes um 1,0 beziehungsweise 1,2 Prozentpunkte.

Auf die Änderungen im Vertragsarztrecht ging Prof. Dr. Winfried Boecken ein. Zwar werde hier der Wettbewerb unter den Vertrags( zahn)ärzten durch die Liberalisierung der ärztlichen Berufsausübung gestärkt, jedoch würden dirigistische Elemente wie regionale Budgetierung oder Degression beibehalten. Das sei für eine liberalisierte Berufsausübung geradezu kontraproduktiv. Kritisch ging Boecken mit der Altersgrenzenregelung für die Berufsausübung um. Die Aufhebung der Altersgrenze von 55 Jahren für die Erstzulassung und das Hinausschieben der Höchstaltersgrenze von 68 Jahren in Gebieten mit Unterversorgung zeige, wie beliebig die Festsetzung dieser Grenzen für die Berufsausübung eigentlich sei. Im Hinblick auf das EG-rechtliche Verbot der Altersdiskriminierung habe diese Regelung keinen Bestand und müsse aufgehoben werden.

Eigenverantwortlich

Als wirksames Regulativ in der Finanzierung und Leistungsnachfrage im zahnärztlichen Bereich sieht Prof. Dr. Wilfried Wagner die Stärkung der Eigenverantwortung des Patienten.

Gerade in der Zahnheilkunde, wo bei gleichem Ausgangsbefund eine Vielfalt möglicher Therapieformen bei gleichem Ausgangsbefund mit sehr unterschiedlichem Leistungsumfang denkbar seien, mache dies Sinn. Eine generelle Pauschalhonorierung sei deswegen unmöglich.

Wagner sprach sich für eine durchgängige Einführung der befundorientierten Festzuschüsse auf den gesamten restaurativen und parodontologischen Leistungsbereich aus. Leistungen zur Steigerung des subjektiven Kaukomforts oder der Ästhetik sollten aus der Gebührenordnung entfallen und privat abgesichert werden.

Sein Fazit: „Gerade in der Zahnmedizin empfiehlt sich eine konsequente Umsetzung oder zumindest sektorales Wahlrecht auf Kostenerstattung.“

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.