Erste Ergebnisse zu Lebensqualität, Prävention und Patientenzufriedenheit
Studiendesign
10 342 zufällig ausgewählte Zahnarztpraxen wurden mit der Bitte um Teilnahme an der Studie angeschrieben. Die 1 113 Praxen, die sich daraufhin zur Teilnahme bereit erklärten, erhielten jeweils 20 Fragebögen mit der Bitte zugeschickt, diese von zufällig ausgewählten Patienten im Alter ab 14 Jahren ausfüllen zu lassen und in einem verschlossenen anonymen Umschlag zurückzuschicken. Der Fragebogen umfasste insgesamt 47 Fragen. Darin waren neben soziodemografischen Daten der zwölf Fragen umfassende SF12 (Short Form Health Survey) sowie der 14 Fragen umfassende OHIP14 (Oral Health Impact Profile) enthalten. Beide Fragenkataloge sind validierte Instrumente zur Erhebung der Lebensqualität, der OHIP14 für die mundgesundheitsbezogene, der SF12 für gesundheitsbezogene Lebensqualität allgemein. Aus Letztgenanntem lässt sich jeweils ein Summenwert für körperliche und psychische Lebensqualität ermitteln. Darüber hinaus wurde die Einschätzung des eigenen Mundgesundheitszustandes erfragt. Der zweite Themenkomplex der Untersuchung befasste sich mit dem Thema Oralprävention. So wurde der Stellenwert der Mundhygiene im Vergleich zu anderen Hygienemaßnahmen erfragt; welche Mundhygienemaßnahmen regelmäßig betrieben werden, welches die häufigsten Gründe für einen Zahnarztbesuch sind, worin die für den Patienten wichtigsten Ziele der Mundhygiene bestehen, über welche Möglichkeiten der Mundhygiene er in der Zahnarztpraxis beraten wurde, was er mit Mundgeruch verbindet und was er zum Thema Zungenhygiene weiß.
Der letzte der drei Themenkomplexe befasste sich mit der Zufriedenheit der Patienten mit ihrer Zahnarztpraxis. Hier wurde zunächst nach der Zufriedenheit mit der Behandlungsqualität, dem Behandlungsprozess und der Beratungsqualität gefragt. Fragen nach der Zufriedenheit mit Erscheinungsbild, Ausstattung und Zustand sowie dem Service der Praxis schlossen sich an.
Bis zum 6. September 2006 hatten 720 Praxen durchschnittlich etwa 17 Fragebögen zurückgeschickt, was in einer Zahl von insgesamt 12 392 ausgefüllten Fragebögen resultierte. Der OHIP14- Fragenkomplex wurde insgesamt 10 447 Mal (84,3 Prozent aller Fragebögen) und der SF12 9 377 Mal (75,7 Prozent) vollständig beantwortet. Die beiden Fragenkomplexe wurde jeweils nur bei Vollständigkeit der Daten in die Analyse einbezogen.
Resultate
Das Durchschnittsalter aller Patienten, die einen Fragebogen ausgefüllt hatten, lag bei 44,25 Jahren (StA 15,64). Mit einem Anteil von 64,9 Prozent überwogen die Frauen gegenüber den Männern (35,1 Prozent) deutlich. Einer gesetzlichen Krankenversicherung gehörten 83,7 Prozent an, privat versichert waren 16,3 Prozent.
Lebensqualität
Für die körperliche Komponente des SF12 wurde ein Mittelwert von 51,13 (StA 7,25) und für die psychische von 50,15 (STA 8,58) ermittelt. Die für Deutschland erhobenen Werte einer Normstichprobe liegen bei 49,03 (körperlich) beziehungsweise 52,24 (psychisch). Bei einem Vergleich der Werte muss berücksichtigt werden, dass in der vorliegenden Studie kein repräsentativer Querschnitt der Gesamtbevölkerung erhoben wurde, sondern dass es sich um Zahnarztpatienten handelt, die prinzipiell gesundheitsbewusster sein dürften als Menschen, die keinen Zahnarzt aufsuchen. Da höhere Werte einer besseren Lebensqualität entsprechen, war die empfundene körperliche Gesundheit in der vorliegenden Stichprobe etwas besser, diejenige der psychischen etwas schlechter als in der Normalbevölkerung. Beim Vergleich von Altersgruppen zeigt sich jedoch, dass diese Beobachtung nur für die bis zu 50-Jährigen zutreffend ist. Ab dem Alter von 51 Jahren liegt der Wert für das psychische Wohlbefinden in der vorliegenden Studie mit dem der Normstichprobe etwa gleichauf (51- bis 60- Jährige: 51,15; 61- bis 70-Jährige 53,25; über 70-Jährige 52,31 versus 51,71, 53,35, 52,47) während das körperliche Befinden gegenüber der Normstichprobe immer besser wird (51- bis 60-Jährige: 48,84; 61- bis 70-Jährige 48,15; über 70-Jährige 43,47 versus 47,10, 44,34, 39,84). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sowohl in der vorliegenden Untersuchung als auch in der Normstichprobe der Wert für das körperliche Wohlbefinden im Laufe des Lebens kontinuierlich abnimmt, der entsprechende psychische Wert aber zumindest gleich bleibt. In unserer Studie ist das psychische Wohlbefinden der älteren Menschen sogar eindeutig besser als das der jüngeren Population. Während bei den bis zu 40-jährigen der Mittelwert immer unter 50 liegt, liegt er bei den 41- bis 50-Jährigen bei 50,02, bei den 51- bis 60-Jährigen bei 51,15, bei den 61- bis 70-Jährigen bei 53,25 und bei den über 70-Jährigen immer noch bei 52,31. Im Vergleich hierzu liegt der Wert bei den 21- bis 30-Jährigen bei 48,85. Im Vergleich mit der Normstichprobe ist der Unterschied zwischen „Alt“ und „Jung“ aber nicht auf besonders hohe Werte bei den Älteren, sondern auf schlechte Werte bei den Jüngeren zurück zu führen. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Da das psyschiche Wohlbefinden bei Menschen in zahnärztlicher Behandlung grundsätzlich nicht schlechter sein sollte als das der Normalbevölkerung (die Werte der Älteren bestärken diese Annahme), spielt vielleicht die gesamtgesellschaftliche Entwicklung in Deutschland hier eine Rolle. Das wäre allerdings alarmierend und bedarf daher weiterer Untersuchungen. Im Vergleich zwischen Männern und Frauen in der vorliegenden Untersuchung zeigt sich, dass das körperliche Wohlbefinden in allen Altersgruppen nahezu identisch ist, dass aber das psychische bei den Frauen durchgängig schlechter ist, maximal um 4,14 (!) Punkte.
Für die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität (OHIP14) wurde ein Mittelwert von 6,3 (StA 7,44) ermittelt. Die beste mundgesundheitsbezogene Lebensqualität wird durch den Wert 0, die schlechteste durch den Wert 56 repräsentiert. Den Wert 0 als Ausdruck maximaler Zufriedenheit mit der eigenen oralen Situation erreichten in der vorliegenden Erhebung immerhin 2 288 Patienten, was einem Anteil von 18,5 Prozent entspricht. Werte über 40 ergaben sich nur bei insgesamt 24 Personen (0,1 Prozent). Eine altersbezogene Analyse der Daten ergab für die Werte des OHIP14 keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Altersklassen 14- bis 20-Jährig, 21- bis 30-Jährig, 31- bis 40- Jährig und 41- bis 50-Jährig. Dies zeigt, dass die Zufriedenheit mit der oralen Gesundheit trotz mit dem Alter zunehmender Zahnerkrankungen gleichbleibend hoch ist. Ein Grund hierfür könnte möglicherweise die gute zahnmedizinische Versorgung in Deutschland sein. Ab der Altersklasse der 51- bis 60-Jährigen sind signifikante Unterschiede zu den jüngeren Patienten feststellbar. Allerdings liegt der Mittelwert auch bei den über 70-Jährigen immer noch bei 8,21, was bedeutet, dass im Durchschnitt sechs der 14 Fragen des OHIP14 mit der bestmöglichen und acht mit der zweitbesten Kategorie (von jeweils fünf) beantwortet wurden.
Zwischen der mundgesundheitsbezogenen (OHIP14) und der (allgemein) gesundheitsbezogenen Lebensqualität wurde eine positive Korrelation festgestellt (bessere mundgesundheitsbezogene Lebensqualität – bessere (allgemein) gesundheitsbezogene Lebensqualität). Der Korrelationskoeffizient r nach PEARSON lag bei 0,30 (SF12 körperlich) beziehungsweise 0,31 (SF12 psychisch) (p<0,001). Das entsprechende Bestimmtheitsmaß r2 zeigt an, dass die gesundheitsbezogene Lebensqualität zu knapp 10 Prozent durch die orale gesundheitliche Situation erklärt werden kann. Die Einschätzung des eigenen Mundgesundheitszustandes korrelierte signifikant (p<0,001) mit dem Ergebnis des OHIP14 (r=0,451, Korrelation nach Spearman).
Prävention
In der Frage nach der für sie wichtigsten Hygienemaßnahme mussten sich die befragten Personen zwischen Duschen, Haarewaschen und Mundhygiene entscheiden. Die am wichtigsten erachtete Maßnahme erhielt den Wert 1, die zweitwichtigste eine 2 und die unwichtigste eine 3. Der Mittelwert für die Mundhygiene lag bei 1,51, für Duschen bei 1,75 und für Haarewaschen bei 2,74. Alle Mittelwerte waren statistisch signifikant unterschiedlich (p<0,001). Für 59,4 Prozent war die Mundhygiene am wichtigsten, für 32,7 Prozent am zweiwichtigsten und nur für 7,9 Prozent am unwichtigsten. Für Duschen lagen die entsprechenden Werte bei 38,5 Prozent, 49,8 Prozent und 11,7 Prozent.
Während die meisten Ergebnisse aus der Tabelle 1 etwa den Erwartungen entsprechen, erscheinen die Angaben für die Benutzung von Zahnseide, Zahnhölzchen und Zahnzwischenraumbürsten deutlich überhöht, da sie sich immerhin auf 92 Prozent summieren.
Auf die Frage, welches für sie die häufigsten Gründe für einen Zahnarztbesuch seien (maximal zwei Antworten möglich), antworteten 70,4 Prozent der Patienten mit „Vorsorgeuntersuchungen“, 33,9 Prozent mit „Professionelle Zahnreinigung“, 26,8 Prozent mit „Versorgung mit Füllungen oder Zahnersatz“, 24,2 Prozent mit „Behandlung von Zahnschmerzen“, 10,1 Prozent mit „Behandlung von Zahnfleischproblemen“, 6,4 Prozent mit „Beratung zur Mundgesundheit“, 5,5 Prozent mit „Behandlung einer Parodontalerkrankung“, 3,1 Prozent mit „Ästhetische Bedürfnisse“ und 0,5 Prozent mit „Mundgeruch“. Die hohen Prozentwerte, die für „Vorsorgeuntersuchung“ und „Professionelle Zahnreinigung“ erreicht wurden, verdeutlichen den enormen Stellenwert der Prävention in der täglichen Praxis. Dementsprechend gaben auf die Frage „Was sind die wichtigsten Ziele Ihrer Mundhygiene?“( maximal zwei Antworten möglich) 92,5 Prozent die Antwort „Gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch“. 41,7 Prozent antworteten auf diese Frage mit „Gepflegtes Erscheinungsbild“, 14,1 Prozent mit „Weniger Mundgeruch“, 13,2 Prozent mit „Weniger allgemeinmedizinische Probleme“, 10,7 Prozent mit „Weiße Zähne“ und 3,5 Prozent mit „Gute soziale Kontakte“.
Die Frage nach der Beratung über Möglichkeiten der Mundhygiene in der Zahnarztpraxis (Mehrfachnennungen möglich) ergab ein positives Bild. Immerhin 79,6 Prozent gaben an, über Methoden und Materialien des Zähneputzens informiert zu werden. 75,6 Prozent wurden über die Zahnzwischenraumreinigung informiert, 20,8 Prozent über die Zungenreinigung, 13,3 Prozent über den Gebrauch einer Munddusche sowie 38,8 Prozent über zusätzliche Hilfsmittel.
Die Fragen zum Thema Mundgeruch offenbarten noch ein Informationsdefizit vieler Patienten. 69,2 Prozent gaben als Ursache für Mundgeruch eine schlechte Mundhygiene an, 38,1 Prozent kranke Zähne, aber nur 17,2 Prozent sahen eine belegte Zunge als Ursache, der tatsächlich in der Ätiologie des Fötor ex ore aber eine weit größere Bedeutung zukommt. 30,9 Prozent sahen in inneren Erkrankungen, 9,8 Prozent in ungesunden Ernährungsgewohnheiten und 38,5 Prozent im Verzehr bestimmter Nahrungsmittel (Knoblauch, Zwiebeln, Alkohol) die Ursache des Fötor. Interessanterweise gaben trotz der Tatsache, dass nur 17,2 Prozent die Zunge als Ursache für Mundgeruch sahen, bei der Frage nach der Bedeutung der Zungenhygiene 68,5 Prozent an, sie würde helfen, Mundgeruch zu vermeiden. 38,9 Prozent sahen in ihr eine Verbesserung der Zahn- und Zahnfleischhygiene, 24,2 Prozent waren der Meinung, sie helfe Allgemeinerkrankungen zu vermeiden und 10,67 Prozent vertraten die Ansicht, Zungenhygiene sei Bestandteil der Lebensanschauung.
Patientenzufriedenheit
Die Zufriedenheit der Patienten mit ihrer Zahnarztpraxis wurde mit den in den Abbildungen eins bis fünf dargestellten Fragen erhoben. 97,2 Prozent bezeichneten das Behandlungsergebnis ihrer Zahnarztpraxis als „sehr gut“ oder „gut“, lediglich 0,1 Prozent bewerteten ihre Zahnarztpraxis in dieser Frage mit mangelhaft (Abbildung 1). Ähnlich sahen die Ergebnisse auf die weiteren Fragen zur Patientenzufriedenheit aus. 93,6 Prozent bewerteten die Qualität des Behandlungsprozesses (Abbildung 2), 94,3 Prozent die Beratungsqualität (Abbildung 3), 95,8 Prozent Erscheinungsbild, Ausstattung und Zustand (Abbildung 4) und 95,8 Prozent den Service (Abbildung 5) der Praxis mit „sehr gut“ oder „gut“. Insgesamt belegen diese Daten auf der Basis des Urteils von immerhin 12 392 befragten Patienten ein sehr hohes Maß an Zufriedenheit mit ihrer Zahnarztpraxis.
Schlussfolgerung
Die STOPP-Studie liefert wichtige Ergebnisse zur allgemeinen und mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität und zeigt auf, dass zwischen beiden ein signifikanter Zusammenhang besteht. Das festgestellte niedrigere psychische Wohlbefinden der jüngeren Generation sollte Anlass zu weiteren Untersuchungen geben.
Im Bereich der Prävention wird belegt, welchen Stellenwert diese heute sowohl in Zahnarztpraxen als auch bei den Patienten besitzt. In weitergehenden Analysen des Datenmaterials wird auf der Basis von Subgruppendefinitionen untersucht, inwieweit Zusammenhänge zwischen Mundhygiene und Lebensqualität eine unterschiedliche Betreuung von Patienten in Zahnarztpraxen erfordern.
Die Zufriedenheit der Patienten mit ihrer Zahnarztpraxis kann insgesamt als sehr gut bezeichnet werden.
KorrespondenzadresseProf. Dr. Stefan ZimmerHeinrich-Heine-UniversitätPoliklinik für Zahnerhaltung und PräventiveZahnheilkundeMoorenstr. 540225 Düsseldorfzimmer@med.uni-duesseldorf.de