Tauziehen um das Vertrauen
Der Privatpatient lernt im Umgang mit seiner Krankenversicherung beizeiten, dass die Beurteilung dessen diffus ist, was als „notwendig“ gilt und was als „Luxusversorgung“. Die Differenzen darüber, welche Therapie geeignet sei und welche ihm schade, welche Behandlungsmethode bereits wissenschaftlich- schulmedizinisch anerkannt wurde oder nur als gleichermaßen erfolgreich angesehen wird, sind vielfältig. Vor allem lernt er jedoch, dass nicht sein Zahnarzt als Behandler die Beurteilungsprärogative in diesen Fragen hat, sondern seine Krankenversicherung – in Gestalt eines Kostenablehnungsbescheides.
Die Diskussion über die abrechnerische Richtigkeit der eingereichten Gebührenliquidation und die entsprechende, fortdauernde Korrespondenz mit Versicherung und Zahnarzt erwecken leicht den Eindruck, letzerer stehe als Verursacher oder gar als eigentlicher Schädiger da. Zuweilen führen Querelen im Vorfeld dazu, dass überhaupt kein so genannter Versicherungsfall mehr entsteht, sprich ein Zahnarzt kommt gar nicht dazu, zu behandeln, weil beispielsweise die Versicherung die Kostenübernahme des Heil- und Kostenplanes ablehnt und ihr Versicherter deshalb auf die Behandlung verzichtet. Oder der Patient moniert nach der Behandlung eine unzureichende Kostenaufklärung und verlangt von dem Behandler die seitens seiner Versicherung nicht erstatteten Kosten als Schadensersatz – sprich Honorarverzicht (Oberlandesgericht (OLG) Celle, Urteil vom 28. Mai 2001, 1 U 28/00) (siehe hierzu auch ein neues Urteil: OLG Köln, Urteil vom 23. März 2005, Az: 54 144/04 in den zm 02/06).
Pflicht oder Kür
Die Beurteilung der medizinischen Notwenigkeit einer zahnärztlichen Behandlung kann mannigfach sein. Der behandelnde Zahnarzt wird geneigt sein, dem Drängen seines Patienten nach besonders komfortablen, aufwändigen und damit mitunter kostenträchtigen Lösungen nachzugeben, die Versicherungsgesellschaft wird unter Berufung auf die Solidargemeinschaft ihrer Mitglieder dagegen den Begriff der Luxusbehandlungen und der rein kosmetisch motivierten Maßnahmen extensiv auslegen. Bei der Abgrenzung hilft eine griffige Formel des Landgerichtes (LG) Köln (Beschluss vom 26. November 2003, 23 O 269/03):
„Die medizinische Notwendigkeit ist dann gegeben, wenn es nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung und ihrer Planung vertretbar ist, die Maßnahme des Zahnarztes als medizinisch notwendig anzusehen. Vertretbar ist eine Heilbehandlung dann, wenn sie in fundierter und nachvollziebarer Weise das zugrunde liegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine ihm adäquate, geeignete Therapie anwendet. Davon ist dann auszugehen, wenn eine Behandlungsmethode und Therapie zur Verfügung steht und angewendet wird, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken. Zahnersatzbehandlungen sind dann medizinisch notwendig, wenn sie der Wiederherstellung der Kau- und Sprechfunktion dienen. Kostengesichtspunkte sind bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit nicht zu berücksichtigen.“
Trügerische Objektivität
Der Zahnarzt wird den Patienten eventuell von speziellen Behandlungsmethoden überzeugen, deren Erfolg er zwar in seiner täglichen Praxis schon vielfach beobachtet hat – die Versicherungsgesellschaft aber eben noch nicht. Während man es der Rechtswissenschaft und den Gerichten ohne weiteres nachsieht, dass im juristischen Disput mitunter mehr Meinungen vertreten werden, als sich Personen am Disput beteiligen und dass man auf „hoher See und vor Gericht sich in Gottes Hand“ befinde, rückt es erst allmählich in das Bewusstsein der Versicherten, dass zum Beispiel selbst eine Bilanzerstellung und Testierung auch als Wertungswissenschaft mit entsprechenden Gestalterischen Freiräumen und ergebnisorientierten Entscheidungsfindungen verstanden werden kann. Ähnlich die Zahnmedizin: Sie scheint im Bewusstsein vieler privatversicherter Patienten im naturwissenschaftlich- objektiven Umfeld abzulaufen, in dem sich klar die Grenze zwischen vertretbarer und unvertretbarer Therapieplanung verlässlich ziehen lässt. Dies ist ein Trugschluss.
Im juristischen Streitfall hat allerdings der Patient zu beweisen, dass die Beurteilung durch seinen Zahnarzt zahnmedizinisch vertretbar war. Die Erstattungsregelungen der allgemeinen Versicherungsbedingungen der privaten Krankenkassen differenzieren danach, ob die zur Linderung des Leidens eingesetzte Therapie der Schulmedizin zugehörig oder als alternative Behandlung zu qualifizieren ist, sofern sie gleichermaßen geeignet ist, den Heilerfolg herbeizuführen wie die schulmedizinische.
Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist jüngst durch das BVerfG (Urteil vom 06. Dezember 2005, 1 BvR 347/98) die Leistungspflicht der GKV auf alternative, bislang im Leistungskatalog des gemeinsamen Bundesausschusses nicht aufgeführte Behandlungsmethoden erweitert worden, sofern für die Bekämpfung der lebensbedrohlichen Erkrankung eine dem allgemein anerkannten Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht existiert, die alternative Vorgehensweise jedoch eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufes bewirken kann. Auf das Recht der privaten Krankenversicherung ist diese Entscheidung nicht übertragbar. Dort besteht eine Leistungspflicht für Methoden, die (noch) nicht der Schulmedizin zugerechnet werden, wenn sich diese in der Praxis als ebenso Erfolg versprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinschen Methoden zur Verfügung stehen, § 4 Abs. 6 Satz 2 der Musterbedingungen KV. Die Leistungspflicht der PKV ist insofern also weiter, als keine letale Grunderkrankung erforderlich ist und sie deshalb auch bei zahnmedizinischen oder kieferorthopädischen Sachverhalten bestehen kann.“
Auch die Variante „Alternative Methode mit anerkanntem Heilerfolg“ führt in der Regel zum Anspruch auf Kostenerstattung, allerdings der Höhe nach begrenzt, gedeckelt auf die Kosten der schulmedizinischen Maßnahme. Die medizinische Notwendigkeit in beiden Varianten muss der Patient durch Sachverständigengutachten beweisen. Bei der zweiten Variante – der medizinisch notwendigen, alternativen Behandlung – obliegt es der Versicherung nachzuweisen, bis zu welcher Höhe Kosten bei Durchführung einer Behandlung nach schulmedizinischer Behandlung entstanden wären.
Als Schulmedizin wird der Teil der Zahnmedizin verstanden, der nach wissenschaftlichen Kategorien arbeitet, als alternative Behandlung wäre der übrige Teil zu verstehen.
Welcher Behandlungsansatz nun als wissenschaftlich qualifiziert werden kann, darf oder muss und welche Kriterien anzulegen sind, ist in den zahnmedizinischen Wissenschaften umstritten. Wohl deshalb rekurriert man auf das Kriterium der Langzeiterprobung, bei deren Gültigkeit qua definitionem neue Behandlungsmethoden nie wissenschaftlich sein könnten und deshalb stets vom vollwertigen Versicherungsschutz selbst dann ausgeschlossen sind, wenn sie sich in der (alternativen) Praxis als gleichwertig zielführend und Erfolg versprechend bewährt haben.
Zwei Beispiele:Invisalign und BOI-Zahnimplantate.
Beide Methoden werden seit vielen Jahren angewendet, beiden wurde die wissenschaftliche Anerkennung mangels nachgewiesener Langzeiterprobung zunächst versagt. Daher erfolgt oft nur eine begrenzte Kostenerstattung nach § 5 Abs. 2 MB/KK 94. Dabei gibt es erkennbare Varianten im Regulierungsverhalten:
Trotz einer Fülle von Rechtsprechungen zu früheren Einzelfällen, wird seitens einzelner Versicherungsgesellschaften bestritten, dass eine gleichermaßen gegebene Eignung der BOI-Zahnimplantate (einführend: Ihde, Principles of BOI, Springer Verlag, 2004) mit den herkömmlichen Schraubenimplantaten gegeben sei, so dass der Patient die Eignung der Methode für seinen Behandlungsfall feststellen lassen muss. Die vorliegende Rechtsprechung, die die Eignung und Anerkennungswürdigkeit der BOI-Zahnimplantate bestätigt, wird von den Versicherungsgesellschaften zum Teil nicht akzeptiert. Begründung: Sie sei jeweils zu anderen Behandlungsfällen ergangen und könne eine abstrakt-generelle Studie mit langfristiger klinischer Erprobung nicht ersetzen.
Neue Wege gehen
Angesichts der beachtlichen Sachverständigenkosten sieht mancher Patient davon ab, diesen Rechtsweg zu beschreiten. Dabei kann der Auswahl des seitens des Gerichtes zu bestellenden Sachverständigen maßgebliches Gewicht zukommen.
Der Marktführer im Bereich der privaten Krankenversicherungen (PKV) lehnte beispielsweise den Mitte 2004 aus seinem Amt ausgeschiedenen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) Prof. Dr. Dr. Weber wegen grundsätzlicher Besorgnis der Befangenheit in fachlichen Fragen regelmäßig als Sachverständigen ab und verwies zur Begründung auf einzelne seiner Publikationen, in denen er sich kritisch mit der Privaten Krankenversicherungen befasste. Gerade dass die PKV einzelne Gutachter ablehnt, zeigt, wie umstritten eine Behandlungsmethode ist und steht damit als sicherer Indikator dafür, dass die Anwendung der fraglichen Methode jedenfalls medizinisch vertretbar ist. Und alleine daran ist die Leistungspflicht der Gesellschaft geknüpft.
In Bezug auf die kieferorthopädische Invisalign-Therapie (einführend: Schwarze, KFO Zeitung Praxis, 2002, Ausgabe 12, 15) stellte die Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) in ihrer fachlichen Stellungnahme vom 12. September 2001, noch fest, dass das Unternehmen erst 1997 gegründet wurde und seine Entwicklungsmaßen aufnahm und deshalb Langzeiterfahrungen über die Methode und eine ausreichende Anzahl abgeschlossener Fälle noch nicht vorliegen können. Das machte die PKV damals zur Grundlage der – überwiegend ablehnenden – Bescheide zur Erstattung der Kosten. In der gemeinsamen Erklärung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 6. September 2002 heißt es für die vertragszahnärztliche Versorgung, dass sich die Methode in der Erprobungsphase befinde, dass Langzeiterfahrungen nicht existierten und von einer wissenschaftlichen Anerkennung nicht auszugehen sei. Damit war für diese Therapie in der privatzahnärztlichen Versorgung eine Erstattung faktisch ausgeschlossen. Mit einer aktuellen Stellungnahme vom Januar 2004 wischte die DGKFO unter Hinweis auf die seit 2001 mit dieser Behandlungsmethode weltweit gesammelten klinischen Erfahrungen alle Bedenken vom Tisch und bejahte eine Langzeiterprobung.
Lange Probezeiten
Das Kriterium der Langzeiterprobung einer neuen oder alternativen Behandlungsmethode ist in der Rechtsprechung zuweilen als ungeeignet angesehen worden, um den so genannten Wissenschaftlichkeitsbegriff zu präzisieren, an den die privaten Krankenversicherungen ihre Erstattungspflicht knüpfen. Wollte man zum Nachweis der wissenschaftlichen Absicherung retroperspektivische, klinische Studien fordern, die einen klinischen Zeitraum von auch nur zehn Jahren erfordern, so könnte die Rezeption einer neuen Methode in der Erstattungspraxis der Versicherer frühestens 15 Jahre nach Einleitung dieser Studie erfolgen. Zumindest, wenn man berücksichtigt, dass die universitären Behandler selbst erst diese Methoden anwenden müssen, Patienten zu akquirieren hätten und etwa zehnjährige postoperative Intervalle abzuwarten wären. Falls überhaupt die Bereitschaft zu einer derartigen universitären Studie bestünde.
Ob eine Universität einen Forschungsauftrag annehmen kann, hängt unter anderem davon ab, ob sie Drittmittel erhält. Deren Höhe scheint zuweilen nicht an dem Forschungsaufwand orientiert zu sein, sondern eher an dem wirtschaftlichen Nutzen, der dadurch entsteht, dass das neue Produkt das etablierte verdrängt. Sprich: Freiheit und Objektivität der universitären Forschung sind hier betroffen. Zuweilen entsteht hinsichtlich der Abschottung vor neuen Methoden der Eindruck eines Schulterschlusses zwischen Wissenschaft und privaten Krankenversicherungen.
Der Faktor Zulassung
Ob eine medizinische Behandlungsmethode oder das verwendete Medizinprodukt noch oder schon dem aktuellen medizinischen Standard entspricht und vertretbarerweise als zahnmedizinisch notwendig angesehen werden kann, sollte sich vorrangig danach richten, ob es als Medizinprodukt zugelassen ist.
So hatte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (siehe Versicherungsrecht 2002, 312) in einem Haftungsstreit von einer Beweiserhebung durch Sachverständige zur Frage der Gesundheitsgefährdung durch den Werkstoff Amalgam abgesehen, weil bis dato noch kein Nachweis dafür geführt worden war, dass Amalgam aufgrund seines Quecksilberanteils gesundheitsschädlich oder -gefährdend sei und dieser Werkstoff vom Bundesgesundheitsamt nach wie vor auf dem Markt zugelassen ist. Es sei nicht die Aufgabe des Gerichtes, bei allgemeinen medizinischen Fragen durch Auswahl von Sachverständigen oder durch die juristische Bewertung naturwissenschaftlicher Lehrmeinungen für die eine oder andere Position Partei zu ergreifen oder durch Gutachtensaufträge den Fortschritt der medizinischen Erkenntnisse voranzutreiben, sofern das Medizinprodukt durch eine entsprechende CE-Kennzeichnung zertifiziert und verkehrsfähig sei.
Bei der Beurteilung der Eignung einer neueren Methode und der medizinischen Notwendigkeit ihrer Anwendung sollte aus denselben Gründen auf das klare Kriterium der Zulassung abgestellt werden, statt der Versicherungsgesellschaft einen schier unbegrenzten Wertungsfreiraum bei Bewilligung und Versagung der Regulierung zuzugestehen. So vertritt der Lehrstuhl Prof. Zöller der Universität Köln zum Beispiel hinsichtlich der BOI-Implantate den Standpunkt, dass deren medizinische Notwendigkeit hinreichend belegt sei und Langzeitstudien nicht gefordert werden können, weil diese Forderung im Zusammenhang mit der Entwicklung der ersten Zahnimplantate aufgestellt worden sei und dies angesichts der Innovationsfreudigkeit der Branche heute nicht mehr gelten könne.
Status quo trickreich erhalten
Zuweilen wollen Versicherungsgesellschaften einen Streit über die wissenschaftliche Anerkennung einer Methode oder einer Behandlungsplanung vermeiden. Sei es, weil der individuelle Versicherungsvertrag dies hergibt, oder um eine – für die Versicherungen ungünstige – Gerichtsentscheidung und deren Publikation zu vermeiden, weil sie deren mögliche Präjudizwirkung scheuen. Einzelne Gesellschaften schlagen folgende sehr zweifelhafte Abwicklung vor: Sie genehmigen den Heil- und Kostenplan für eine herkömmliche Methode, der Zahnarzt behandelt aber nach einer (anderen) modernen Methode und stellt diese dem Patienten in Rechnung, der zudem ausschließlich zwecks Weiterleitung an die Versicherung eine „fiktive Rechnung“ für die zwar genehmigte aber nicht durchgeführte herkömmliche Versorgung erhält, aufgrund derer die Versicherung ihm Kosten erstattet. Mit dem Ergebnis: Der Patient zahlt aufgrund der realen Rechnung an den Zahnarzt, die Versicherung verbucht ihre Ausgabe als Leistung auf eine hergebrachte, möglicherweise aber schon überkommene Behandlungsmethode. Hierdurch wird zwar einerseits der konkrete Versicherungsfall abgewickelt, andererseits aber kein Präjudiz geschaffen, auf das sich Patienten unter Umständen berufen können. Dieses Vorgehen ist zulässig, wenn alle Beteiligten wissen, dass diese Abrechnung nur fiktiv erfolgt, weil sie dann wirtschaftlich gesehen nichts anderes als einen Festzuschuss darstellt.
Angriff auf das Vertrauen
Schriftwechsel der Patienten mit ihrer privaten Krankenversicherung zeigt immer wieder, dass Versicherungen versuchen, den Patienten aus dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient herauszureißen. Die Versicherung stellt sich zum Beispiel als Betreuer und Lotse des Patienten dar, der für den Patienten teure und langwierige Krankheitsbilder auswerten, Kranke fachkundig beraten und an geeignete Therapieeinrichtungen verweisen will. Sein erklärtes Ziel ist die optimale medizinische Versorgung zu finanziell tragbaren Kosten, so genanntes Gesundheitsmanagement. Dieses Ziel kann dazu führen, dass der Behandlungsvorschlag des Zahnarztes nach den versicherungsvertraglichen Tarifbestimmungen als „medizinisch nicht vertretbar” abqualifiziert wird. Selbst der gut informierte Patient wird dahinter regelmäßig den Vorwurf einer Fehlbehandlung oder gar des Abrechnungsbetruges vermuten, und das belastet sein Vertrauen in den Zahnarzt. In einem Fall hatte der Gebührenreferent einer Kammer im Namen und für Rechnung einer PKV den Behandlungsplan eines Vorbehandlers mit vernichtender, aber wohl objektiv unrichtiger Kritik überzogen, was den Patienten zur Durchführung einer KfO-Therapie in der Praxis des Gutachters veranlasste. Ferner unterstützt die Versicherung ihre Mandanten, unberechtigte Forderungen der Behandler abzuwehren. Sie darf hierbei sogar rechtsberatend tätig sein, da regelmäßig Identität mit den abgelehnten Versicherungsleistungen besteht, kurz Leistungsmanagement genannt.
Dieses kann dazu führen, dass die Versicherung auf der Grundlage von § 11 der versicherungsrechtlichen Musterbedingungen ihre Kostenerstattung an den Patienten davon abhängig macht, ob dieser eventuelle Regressansprüche an sie abtritt. Dann nämlich kann sie gegebenenfalls das Honorar zumindest teilweise vom Behandler zurückfordern, falls Komplikationen auftreten oder sie eventuell eine Aufklärungsrüge erheben will.
Deshalb sollte sich jeder Zahnarzt frühzeitig ein Konzept erstellen, ob und in welchen Situationen er mit einer Versicherung korrespondieren oder Behandlungsunterlagen an diese herausgeben will oder muss. Einerseits ist er verpflichtet, die Grundlagen seiner Behandlungsplanung – sprich zum Beispiel (Röntgen)- Diagnostik – herauszugeben, soweit die Versicherung sie zur Beurteilung seiner Leistungspflicht vor Beginn einer Behandlung benötigt. Andererseits kann diese hieraus nach abgeschlossener Behandlung Einwände gegen seine Arbeit erheben. Ein derartiges Verhalten unterminiert das Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient.
Die Potenz des Misstrauens
Bei Versorgungsformen, denen die PKV kritisch gegenübersteht – sei es, dass sie die Planung für angreifbar hält oder dass sie die verwendete Methode kritisiert – bietet sie mitunter Erstattung der Erstbehandlung an, sofern sich der Patient bereit erklärt, auf die Kosten etwaiger Nach-, Kontrolloder Folgebehandlungen zu verzichten. Der Patient, der sich damit am Ziel seiner Erstattungswünsche sieht, wird sodann geneigt sein, die Frequenz seiner – selbst zu zahlenden – Kontrollbesuche zu drosseln. Damit löst er, etwa bei implantatgetragenen Versorgungen, bekanntlich schnell unumkehrbare Fehlentwicklungen aus, die ex post die anfänglich geäußerten Bedenken der PKV scheinbar bestätigen.
Hat die PKV schließlich nach zahllosen Schriftwechseln oder auf erstes Anfordern den Rechnungsbetrag an den Patienten überwiesen, muss das Honorar noch den Weg zum Zahnarzt finden, dessen Rechnung ja erst die Auszahlung an den Patienten ermöglicht hat. Noch ist zwar eine Verrechnungsmöglichkeit für die PKV etwa mit rückständigen Beiträgen des Patienten in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht vorgesehen, doch kommt es vor, dass der Patient die Versicherungsleistung zweckwidrig verwendet. Die PKV stößt sich an einem solchen Verhalten des Versicherungsnehmers nicht.
Damit der Zahnarzt nicht auf seinem Schaden sitzen bleibt, kann er mit der titulierten Forderung die künftigen Ansprüche seines Patienten gegen seine PKV, die aus Erstattungsanträgen aufgrund anderweitiger ärztlicher Rechnungen resultieren, mit guten Aussichten auf Erfolg beim Versicherer pfänden lassen (OLG Hamburg, Beschluss vom 8. März 1995, 6 W 71/94). Trotz der zwar grundsätzlich bestehenden Unpfändbarkeit gem. § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO sind Zahlungen der privaten Krankenversicherung, sowie Krankentagegeld/ Krankenhaustagesgeld und Prämienrückerstattungen sowie jegliche Erstattungsleistung ausnahmsweise pfändbar, wenn die Vollstreckung in das sonstige Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat und nach den Umständen des Falles die Pfändung der Billigkeit entspricht.
Es wäre unbillig, dem Patienten die Zahlungen seiner privaten Krankenversicherung als unpfändbar zu belassen, obwohl er die diesbezüglichen Zahlungen entgegengenommen aber nicht an den Gläubiger weitergeleitet hat. Indiz für ein grob treuwidriges Verhalten kann es sein, wenn der Patient die Abtretung der Versicherung beziehungsweise die Geltendmachung der Forderung durch den Zahnarzt verweigert. Handelt ein Patient wiederholt und systematisch derart, erfährt er durch die Versagung des Pfändungsschutzes auch kein Unrecht, da nicht zu erwarten ist, dass er sich künftig nicht mehr in ärztliche Behandlung begibt, wenn die Kostenerstattungsleistungen gepfändet würden. Vielmehr ist unter dieser Konstellation den Belangen des zahnärztlichen Gläubigers Vorrang einzuräumen (AG Bergheim, Beschluss vom 13. August 2004, 44 M 6331/04).
Das privatzahnärztliche Behandlungsverhältnis ist von der Auseinandersetzung zwischen Zahnarzt und PKV geprägt, wem die Beratungshoheit über den Patienten/ Versicherungsnehmer zusteht. Die Gründung von PKV-Zahnkliniken zielt auf die Steuerbarkeit von zahnärztlicher Diagnostik und Therapieplanung durch die PKV ab, auf die die Gesellschaften bisher lediglich mittelbar durch die Kürzung von Abrechnungen und die Voten ihrer zahnärztlichen Berater Einfluss nehmen konnten. Eine vertiefende Einflussnahme der Gesellschaften auf diese originären zahnärztlichen Verantwortungsbereiche ist zu erwarten.
Rechtsanwalt Michael ZachFachanwalt für MedizinrechtEickener Straße 8341061 Mönchengladbachinfo@rechtsanwalt-zach.de
Dr. med. dent. Andres FinkGoethestraße 2041372 Niederkrüchten