Gastkommentar

Ullas Spiel über Bande

Vielleicht ist der Ehre zuviel, wenn man bei Ulla Schmidts Spiel über Bande auch noch dem Mitspieler Karl L. Beachtung schenkt. Was der in der Szene bekannteste Fliegenträger zum Spielverlauf beiträgt, darf als absolut bühnenreif gelten. Die Fraktion stutzte dem Paradiesvogel zwar gehörig die Flügel, aber die Einflüsterungen aus dem Souffleurkasten treffen stets auf ein geneigtes Ohr.

Klaus Heinemann
Freier Journalist

Wenn der rein arithmetisch größere Koalitionspartner nicht aufpasst, „steht“ die in Aussicht genommene große Gesundheitsreform in ihren Grundstrukturen fest – ohne Aussicht auf korrigierende Einreden. Und wenn, dann dürften diese lediglich kosmetischer Natur sein. Es ist schon ein raffiniertes Spiel, das die Bundesgesundheitsministerin da aufzieht, zusammen mit ihrem Stichwortgeber L. aus der Bundestagsfraktion. Dieser Professor hat zwar keine Vorstellung von den Sorgen und Nöten im freiberuflichen Bereich einer niedergelassenen Praxis, scheut sich aber dennoch nicht, seine Ministerin mit abverlangten Reizvokabeln in der gesundheitspolitischen Debatte zu versorgen. Und das, obwohl auf diesem Felde verbale Sendepause vereinbart ist. Das meint nicht Denkpause, wohl aber Zurückhaltung mit öffentlichen Äußerungen bis zum offiziellen Beginn der Koalitionsgespräche zu diesem Thema.

So jedenfalls entspräche es den Gepflogenheiten zwischen zwei auf Augenhöhe miteinander koalierenden Partnern. Nicht jedoch bei Ulla S. Sie rammt in diesem pränatalen Gesetzeszustand bereits dicke Pflöcke ein, um die Wagenburg abzustecken, in der sie gewillt ist, ihre Ideologien zu verteidigen. Und welchen Inhalts diese sind, ist spätestens klar geworden durch den forcierten Marsch in Formen integrierter Versorgung. Das ist das Vehikel zur Aushebelung der Freiberuflichkeit, der ambulanten fach(zahn)ärztlichen Vertragspraxen, zum Entzug des Sicherstellungsauftrags der K(Z)Ven und Wahrnehmung dieser Aufgaben durch quasi-staatliche Bürokratien.

Dieser mit der Gesundheitsreform von 2000 eingeleitete und durch das Gesundheits- Modernisierungsgesetz von 2004 forcierte Marsch in die Entmündigung der Freiberufler und ihrer Körperschaften gilt inzwischen als so gefestigt, dass das Tandem Ministerin und Einflüsterer unverhohlen die nächste Stufe der Eskalation probt: die Austrocknung der PKV und die Verstaatlichung ihrer Klientel. Dabei läuft das Spiel in der Öffentlichkeit so ab, dass die eigentliche Absicht wortreich verschleiert wird, wozu sich trefflich das Schüren von Neidkomplexen eignet. Da wird von unzumutbaren Wartezeiten beim Arzt/Zahnarzt gesprochen, von der skandalösen Bevorzugung so genannter Privatpatienten und mehr, zugleich werden jedoch alle Fakten ignoriert, die ein derart gegliedertes System als segensreich auch für GKV-Patienten darstellen.

Nein, das Zwei-Klassen-System gilt es als Menetekel an die Wand zu malen – als ob wir es nicht längst in seiner Existenz leidvoll erführen! Allerdings nicht in der Form, wie uns die Protagonisten sozialistischer Gleichmacherei suggerieren wollen, sondern als Folge einer eben von diesen zu verantwortenden falschen Politik der Budgetierung. Gleichwohl, Fakten sind unerwünscht, was wirkt, sind Emotionen, „Bauch-Gefühle“. Und die lassen sich trefflich vermarkten in einer Gesellschaft, deren Befindlichkeit inzwischen maßgeblich durch die Inhalte von Talk-Shows geprägt wird.

So gesehen, hat die amtierende Ministerin den Boden für die in diesem Jahr anstehende große Gesundheitsreform bereits bereitet. Und das quasi im Alleingang. Von einer Rüge in dem monatlich tagenden Koalitionsausschuss ist bis jetzt nichts zu vernehmen. Wenn im Laufe des Jahres die Ausgaben wieder einmal den Einnahmen davonlaufen, wenn eine Erhöhung des Beitragssatzes droht, diese Abgabenlast verstärkt wird durch die Entwicklung in der Rentenversicherung, dann schlägt erneut die Stunde jener, die unter dem Stichwort Reform zugleich alle jene Instrumente in großvolumige Gesetze packen, die geeignet sind, das System Schritt für Schritt seiner Freiheitlichkeit zu berauben.

Das Ergebnis wäre das genaue Gegenteil dessen, was die Kanzlerin in ihrer ersten Regierungserklärung unter dem Motto „Mehr Freiheit wagen” verstanden wissen wollte.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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