Frühjahrstagung der DGÄZ

Ästhetik-Symposium „Rot trifft Weiß“

Wie sehr heute die Ästhetik in die verschiedenen zahnmedizinischen Fachgebiete hineingreift und mit ihnen zusammen wirkt, wurde Anfang Mai am Tegernsee deutlich, wohin die Deutsche Gesellschaft für ästhetische Zahnmedizin (DGÄZ) zu ihrer 2. Internationalen Frühjahrstagung eingeladen hat. Über 500 Teilnehmer aus 17 Ländern waren zu diesem Kongress nach Bad Wiessee gekommen.

Die Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachgebiete in der Zahnheilkunde gab den roten Faden im internationalen wissenschaftlichen Programm, das unter dem Motto „Rot trifft Weiß“ die Ästhetik der gesamten Mundregion zum Thema hatte. Während die „rote Ästhetik“ eine vor allem bei den Patienten eher unbewusste Rolle spiele, gingen bei der „weißen Ästhetik“ die Meinungen, was wirklich ästhetisch sei, oft weit auseinander.

Patient entscheidet über „seine“ Ästhetik

Ob natürlich rekonstruiert oder weiße „Lattenzaunlösungen“: die Experten gaben den Teilnehmern mit auf den Weg, dass vor allem dem Patienten die Lösung gefallen muss. Wenn allerdings Patienten mit Wünschen kommen und sich bei der Anamnese als Grund der gestörten Ästhetik eine mangelhafte Funktion zeigt, ist verantwortliches, zahnärztliches Handeln gefragt: Im Vordergrund steht die Funktion. Jegliche Maßnahme unter rein ästhetischen Gesichtspunkten, auch dies Position aller Experten, ist sinnlos, wenn sie nicht mit einer Optimierung der Funktion einhergeht.

Durch Knirschen oder Erosion verkürzte Zähne beispielsweise können nicht einfach „mal eben“ wieder auf den früheren Zustand hin verlängert werden: Immer muss über die Zähne hinausgeblickt und die gesamte Mundregion in die Planung einbezogen werden. Ein wichtiger Aspekt, auf den Dr. Mauro Fradeani, Italien, aufmerksam machte: eine unphysiologische Okklusion muss auch dem Zahntechniker kommuniziert werden – nicht alle Artikulatoren sind in der Lage, eine solche Bißsituation korrekt wiederzugeben.

Provisorium ist Schlüssel zum Erfolg

Die eingehende „ästhetische Analyse“, extra- und intraoral, ist für jeden Behandler verpflichtend – nur so kann er abschätzen, welches Ziel erreichbar ist, und dieses sowie die Schritte dahin mit dem Patienten besprechen. Eine wichtige Rolle spielt das Provisorium, das auch ein Adaptionstraining darstellt: Besonders bei einer Veränderung von Zahnlängen und -formen wird so die angestrebte neue Versorgung im Alltag getragen – eine wichtige Empfehlung nicht nur von Dr. Stefano Gracis, Italien. Er gab den Kongressteilnehmern auch einige praktische Tipps mit auf den Weg: Mit einem Stift kann man die Zähne anmalen und so testen, ob die Wirkung mit kürzeren oder längeren Zähnen optmaler ist. Viele Monate lang, so Prof. Nitzan Bichacho, Israel, kann ein Provisorium das Leben des Patienten begleiten und solange korrigiert werden, bis es perfekt passt und dem Patienten den erwünschten Komfort bringt. Bei der Fertigung des Provisoriums ist entsprechend allergrößte Sorgfalt notwendig: Dr. Galip Gürel (Türkei) empfahl im Vorfeld jeglicher Versorgung einen Test mit einem „Mockup“, das der angedachten Ziel-Versorgung entspricht. Gürel benutzt dieses Mock-up später auch als Präparationshilfe: Durch die auf den Zähnen befestigte Kunststoffplanung hindurch präpariert er so exakt, dass die für die Keramik notwendige Schichtdicke ohne unnötigen Substanzverlust entsteht. Im Falle stark abradierter oder gebrochener Zähne und damit einhergehender Veränderung der Kräfte sei eine Krone in der Regel allerdings der sicherere Weg.

Bohrerlos bohren

Einen neuen Weg zur schonenderen und präzisionsoptimierten Präparation geht Dr. Domenico Massironi, Italien. Anstatt traumatisierender Schleifkörper verwendet Massironi ultraschall- und schallgetriebene Diamantansätze zur exakteren Behandlung der Präparationsränder. Das schont nicht nur das Gingivagewebe und die Nachbarzahnstrukturen, diese Art der Präparation gewährt auch größtmögliche Kontrolle und Präzision. Der Vergleich unter dem Mikroskop war beeindruckend. Bei der Präparation mit Schallinstrumenten ist bei Berührung der Gingiva oder Nachbarstrukturen eine niedrigere Frequenz sinnvoll, um Schäden zu vermeiden, im Gingivabereich sowie im Approximalbereich sollte kein rotierendes Instrument eingesetzt werden.

Interdisziplinäre Behandlung entscheidend

Auch beim Weichgewebemanagement spielt die Ästhetik eine wichtige Rolle. Diese Behandlungen sind für die Patienten oftmals belastender, gleichzeitig sind aber auch die

Ansprüche gewachsen, und die modernen Techniken erlauben den Zahnärzten nicht nur einen gesunden, sondern auch einen ansprechenden, natürlich wirkenden Zustand zu erreichen. Dies verlangt in vielen Fällen „Teamwork“ mit Kollegen aus Nachbardisziplinen wie zum Beispiel der Kieferorthopädie. Unzweifelhaft können kieferorthopädische Maßnahmen heute wesentlich dazu beitragen, auf vergleichsweise natürlichem Weg ausreichend Knochen und Weichgewebe zu erzielen. Disharmonien auf der Ebene der Gingivasäume können zum Beispiel gezielt extrudiert oder auch intrudiert werden. Dabei wird in der Regel das fehlende Gewebe, einschließlich der Papille, mitwandern. Ziel ist immer, mit möglichst minimal-invasiven Vorgängen die sowohl in Funktion und Gesundheit als auch in der Optik angestrebte harmonische Gesamtwirkung zu erreichen.

Aber auch die Parodontologie ist gefragt. Nicht in allen Fällen ist ausreichend Gewebe vorhanden, Hart- und/oder Weichgewebsdefekte sind oft so groß, dass hier aufgelagert und regeneriert werden muss. Dr. Tidu Mankoo, Großbritannien, berichtete, dass er lieber mit bovinem Knochenersatzmaterial und einer resorbierbaren Membran arbeitet, da bei der Transplantation autologer Knochenblöcke eine zu große Unsicherheit hinsichtlich der verschiedenen osseointegrativen Effekte bestehe.

Mit Blick auf die Problematik von Volumenverlusten empfahl er zudem, wann immer möglich, die Sofortimplantation besonders im Hinblick auf die Ästhetik.

Für den Bereich der Endodontologie empfahl Dr. Mankoo bei endodontischen Maßnahmen den Blick in die Zukunft – aufwändige Maßnahmen, die auch das Gewebe beeinflussen, könnten bei einer später doch notwendig werdenden Implantation aufgrund des erhöhten Behandlungsaufwandes (Resorption, Narbengewebe) zu erheblicher Belastung für die Patienten führen. Der Implantologe Dr. Ueli Grunder, Schweiz, bevorzugt für seinen Fachbereich das risikolosere, zweizeitige Vorgehen. Wo Knochen fehle, fehle auch Weichgewebe und damit der entscheidende Faktor für eine natürliche, zufrieden stellende Ästhetik um das Implantat.

Aus Fehlern lernen

Es hätte ein trockener Programmpunkt werden können, wurde aber zu einem Höhepunkt der Veranstaltung: Dr. Marquardt, der die Referenten spürbar herausgefordert hatte, bat abschliessend alle Experten zu einer besonderen Lehrstunde rund um eigene Fehler und Erklärung, woran sie gescheitert waren. Auch hinsichtlich der Vielfalt, mit der eine Situation hätte gelöst werden können, brachte bei der oft humorigen Diskussion erstaunliche Aspekte: Nicht immer erkannten die Kollegen sogleich die mögliche Ursache – das mag dem einen oder anderen Gelegenheits-Ästhetiker doch eine kleine Genugtuung gewesen sein. Dass die Topmeister der Branche nicht nur Superfälle auf der Leinwand präsentieren, sondern auch Alltagsfälle live lösen können, zeigte sich bei einer Live-OP mit Dr. Grunder; parallel trainierte Dr. Massironi im Hands-On-Kurs die Teilnehmer in Ultraschallpräparation.

Ästhetik kann, das war der zweite, durchgehende rote Faden in allen Beiträgen und Abschlussstatement von Dr. Diether Reusch, Präsident der DGÄZ „das Leben unserer Patienten verändern“. Dies zu wissen, führt zu einer neuen Verantwortung der Zahnärzte, darauf wiesen Veranstalter und Experten hin, aber auch zu einer neuen inneren Zufriedenheit durch die Gewissheit, auch mit manchmal kleinen Maßnahmen das Lächeln der Patienten aufzuwerten.

Dr. Frank HaggHauptstraße 31D-83684 Tegernsee

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