Die Zukunft im Blick\r
Die Eckpunkte zur Gesundheitsreform versetzen keine der Jugendorganisationen in Begeisterung. Von der Jungen Union (JU) über Jusos und Junge Liberale (Julis) bis hin zur Grünen Jugend: Der Kompromiss erntet Kritik. Heftig angegriffen wird der Regierungskurs aber nicht nur von der Opposition, auch die eigenen Reihen erheben Einspruch. So vermisst die JU in dem Reformentwurf einen wichtigen Aspekt: Generationengerechtigkeit.
Junge Union
„Elemente zur langfristigen Sicherung des Gesundheitswesens auch für kommende Generationen fehlen in der öffentlichen wie parteiinternen Debatte nahezu gänzlich.“ Deutliche Worte, die der JU-Vorsitzende, Philipp Mißfelder, im Juni in einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel und Edmund Stoiber äußerte. Darin heißt es weiter: „Generationengerechtigkeit darf nicht nur ein Füllwort in Sonntagsreden (...) sein. Wir fordern, dass sie Maßstab für das politische Handeln in der Großen Koalition wird.“ Zur Generationengerechtigkeit gehört für Mißfelder, dass die Sozialsysteme verlässlich bleiben. Und zwar für alle Bürger. „Junge und ältere Menschen brauchen Planbarkeit. Sie müssen wissen, was an Belastungen auf sie zukommt und mit welchen Leistungen sie rechnen können“, sagte er im Gespräch mit den zm.
Die Eckpunkte zur Reform reichen seiner Meinung nach nicht aus, um die geforderte Verlässlichkeit zu garantieren. Insbesondere, weil die Regierung den Faktor Demografie außer acht lässt. „Die Demografiefestigkeit unseres Sozialstaats muss zentrale Aufgabe der Gesundheitsreform sein. Fraglich ist dabei, ob der diskutierte Fonds dieser Aufgabenstellung gerecht wird“, gibt Mißfelder zu bedenken. Beim Umbau der GKV hätte sich der 27-Jährige von der Koalition mehr Mut zu strukturellen Veränderungen gewünscht. Etwa durch den Einstieg in ein kapitalgedecktes System, das Altersrückstellungen vorsieht. „Solange es keine Alterssicherung gibt, wird auch das nächste Kassendefizit durch höhere Beiträge und weitere Steuermilliarden ausgeglichen – und das bedingt neue Kredite, deren Zinslasten die künftigen Generationen zu tragen haben“, erklärte der JU-Chef im August gegenüber der Zeitung „Die Welt“. Eine „breitere Steuerfinanzierung könne sich in der Zukunft als Fass ohne Boden erweisen“, heißt es zudem in dem offenen Brief an die Parteispitzen.
Zur Generationengerechtigkeit gehört laut Mißfelder auch, dass sich die Jüngeren damit abfinden müssen, Mehrfachbelastungen zu tragen. Also nicht nur für die eigene, sondern auch die gesundheitliche Absicherung der Älteren zu sorgen. „Die Generationen vor uns haben in der Vergangenheit Anspruch auf Gesundheitsversorgung erworben. Dass dieser aktuell gefährdet ist, liegt an den Versäumnissen der Politik der letzten Jahrzehnte“, argumentiert er.
Junge Liberale
Für eine echte Reform fehlt es der Regierung an Mut, urteilt der Vorsitzende der Julis, Johannes Vogel. „Aus Sicht der jungen Generation wäre insbesondere eine Anpassung an den demografischen Wandel, das heißt eine Entkopplung vom Faktor Arbeit und der Aufbau von Altersrückstellungen, entscheidend“, verlangt er. Die Einnahmebasis zu verbreitern und mehr Steuergeld ins System zu pumpen, finden die Julis falsch. Stattdessen fordern sie strukturelle Reformen. Dazu gehört ihrer Ansicht nach vor allem die Privatisierung der gesetzlichen Krankenkassen. Dieser private Markt soll „sozial abgesichert“ sein. Nach Aussage ihres Pressesprechers Moritz Kracht heißt das im Klartext: Für die Kassen gilt Kontrahierungszwang und die großen Gesundheitsrisiken – zum Beispiel Krebs, Unfälle oder Herzerkrankungen – müssen durch einen gesetzlich festgelegten Grundleistungskatalog abgedeckt sein. Derjetzt gültige Katalog soll nach dem Willen der jungen Liberalen ausgedünnt werden. „Wer zum Beispiel gerne ein Einzelzimmer im Krankenhaus hätte oder Massagen bei Rückenschmerzen, muss das extra versichern“, so Kracht.
Jusos
„Die aktuelle Gesundheitsreform ist nicht generationengerecht, weil sie die Finanzierung nicht auf eine solidarische Grundlage stellt, sondern den jungen Menschen zusätzliche Beiträge und Kopfpauschalen aufbürdet“, sagt Björn Böhning, Vorsitzender der Jusos. Im Mittelpunkt der Reformdebatte steht für die jungen Sozialdemokraten die Solidargemeinschaft und wie sie geschützt werden kann. Die Bürgerversicherung, das ursprüngliche Konzept der SPD, halten die Jusos für das geeignete Mittel. Mit dem geplanten Gesundheitsfonds hingegen werde ein „unsolidarischer Systemwechsel“ eingeleitet, schrieb Böhning kürzlich in der „Frankfurter Rundschau“. „Die Privatisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung wird vorbereitet und die Belastung der Versicherten ausgedehnt.“ Dadurch würden weder die Kosten für Gesundheit gerechter verteilt, noch die Versorgung an den demografischen Wandel angepasst. Auf seiner Homepage fordert der SPD-Nachwuchs daher, dass sich alle Bürger, auch Beamte und Selbstständige, an der Finanzierung des Gesundheitswesens beteiligen – unter Berücksichtigung aller Einkommen. Den Fonds wollen die Jusos nur akzeptieren, wenn es zu einer vollen Einbeziehung der PKV kommt.
Grüne Jugend
Nach einem deutlichen Statement zur Gesundheitsreform muss man bei der Grünen Jugend nicht lange suchen. „Große Koalition baut riesigen Mist“, kritisiert sie die Eckpunkte auf ihrer Homepage. Zum einen begründet sie das – ähnlich wie die JU – mit den nicht umgesetzten Interessen kommender Generationen. Stephan Schilling, Sprecher der Grünen Jugend, fügt jedoch hinzu: „Diese Reform hilft ebenso wenig den Alten, den Patienten oder den Versicherten.“ Um effektiv zu sein, müsse das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung aufgehoben und Besserverdiener miteinbezogen werden.
Mit ihren Forderungen orientieren sich die jungen Grünen und die anderen Nachwuchsorganisationen an den Programmen, die ihre Partei vor den Bundestagswahlen vertreten haben. Doch müssten nicht gerade Jungpolitiker es einfach haben, eigene Konzepte zu entwickeln und kompromisslos zu sein? JU-Chef Mißfelder: „Nicht unbedingt. Im CDU-Bundesvorstand habe ich als einziger gegen den Reformentwurf gestimmt. Sich gegen den Kurs der Partei zu stellen, macht einen bei den Kollegen nicht besonders beliebt.“ sth