Gesundheitsreform

Auf dem Holzweg

Noch nie waren sich Mediziner, Kassen und Sachverständige in ihrem
Urteil so einig: Diese Reform höhlt das deutsche Gesundheitssystem aus.
Trotzdem haben Union und SPD anstandslos die neuen Gesetze durchgewunken.
Von den hehren Zielen ist damit wenig übrig geblieben – dafür
kann eine künftige Regierung je nach Gusto schnell in Richtung Bürgerkasse
oder Prämie abbiegen.

Der 2. Februar war ein denkwürdiger Tag: Gegen den Rat der meisten Sachverständigen, gegen die Wünsche der Ärzte, Kassen und Patienten, gegen die Stimmen der Opposition und sogar gegen die Bedenken der eigenen Fachpolitiker schleuste die Koalition die Gesundheitsreform durch. Mit 43 Gegenstimmen und acht Enthaltungen aus dem eigenen Lager. Noch im Eilverfahren wurden am Ende 200 Änderungen durchgeboxt. Auch die Länder stimmten zu und verzichteten damit auf die Beratungsfristen, die eigentlich dazu dienen, komplizierte Gesetze auf Fehler zu überprüfen. Dafür machte die Regierung eins: Sie ließ offen, ob der Weg in Deutschland Richtung Bürgerversicherung oder Prämie geht. Diese Entscheidung steht wohlweislich erst mit der nächsten Bundestagswahl zur Debatte.

Unterm Strich steht aber heute schon fest: Die Reform schwächt die gesetzliche wie auch die private Krankenversicherung. Der GKV wird mit festen Beiträgen ein staatlich kontrollierter Pseudowettbewerb verordnet. Das heißt: Wie eh und je hängt der Satz vom Lohn ab, kennt keine Zukunftsvorsorge und setzt auch keine richtigen Anreize, mit den Leistungen hauszuhalten. Gleichzeitig verliert die PKV an Boden, weil Merkels Mannschaft ihr verbietet, ihre Prämien gemäß der Risiken zu kalkulieren und damit für ihre Versicherten im Alter vorzusorgen.

Gelackmeiert sind schließlich die Patienten. Noch im Koalitionsvertrag stand schwarz auf weiß, dass SPD und Union die Finanzierung der Krankenkassen nachhaltig und gerecht sichern wollen. Gerade dieses Ziel wurde bei der Reform aber total verfehlt. Um das Defizit der GKV auszugleichen, muss darum der Steuerzahler bluten. Fast 80 Milliarden Euro soll er bis 2017 ins System pumpen. Die Finanzierungsprobleme bleiben also bestehen. Und trotz der gigantischen Geldspritze werden die Beiträge keineswegs sinken. Laut Gesetzestext begrenzen die Zuschüsse lediglich den Anstieg nach oben. Wenn die Reform am 1. April in Kraft tritt, werden viele Versicherte zwar vorerst keine großen Änderungen spüren: Doch das dicke Ende kommt bestimmt, und zwar, wie es sich gehört, am Schluss. Denn letztlich wird Gesundheit, egal ob staatlich oder privat organisiert, einfach teurer. Weil die Konditionen des Basistarifs zudem unter GKV-Niveau liegen, droht vielen PKV-Versicherten die Loslösung vom medizinischen Fortschritt. Dass die – schon beschlossene – Kostenerstattung zu guter letzt weitgehend wieder gekappt wurde, versperrt den Versicherten darüber hinaus den Zugang zu Therapien, die die GKV nicht übernimmt. Risiken und Nebenwirkungen? Fragen Sie Beck oder Merkel – die machen den Weg in die Staatsmedizin frei.

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