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Ausgangslage
Ein zehnjähriger Patient stellte sich unmittelbar nach einem Sportunfall in der Praxis mit Beschwerden im Bereich der mittleren Frontzähne vor. Weitere Verletzungen im Gesichtsbereich konnten ausgeschlossen werden.
Die klinische Untersuchung ergab bis auf eine erhöhte Beweglichkeit und Perkussionsempfindlichkeit des Zahnes 21 keine pathologischen Befunde. Der füllungs- und kariesfreie Zahn reagierte auf den Sensibilitätstest nicht (Kältetest). Die zirkulär erhobenen Sulkussondierungstiefen lagen bei zwei Millimetern. Die Nachbarzähne 11 und 22 waren unauffällig. Im Röntgenzahnfilm (Abbildung 1) lässt sich eine Querfraktur in der Wurzelmitte des Zahnes 21 erkennen. Die apikalen Verhältnisse sind unauffällig.
Die Diagnose lautet: Wurzelquerfraktur Zahn 21.
Therapie und Diskussion
Günstige Voraussetzungen für den Erhalt des koronalen und apikalen Fragments bestehen bei intraalveolären Wurzelfrakturen aufgrund der fehlenden Verbindung zwischen Frakturspalt und Mundhöhle. Hierbei ist die Einteilung von Wurzelquerfrakturen nach ihrer Lokalisation im koronalen, mittleren oder apikalen Drittel für die Therapie nur von untergeordneter Bedeutung. Besteht indes eine Kommunikation von Pulpa und Mundhöhle via Sulkus und Frakturfläche, ist die Prognose ungünstig und die Entfernung des Zahnes zumeist nicht zu umgehen. Dieser Fall tritt jedoch nur selten bei sehr schrägem Frakturverlauf oder zervikalem Frakturmuster auf. Grund hierfür sind Mikroorganismen, die über den Frakturspalt in das Wurzelkanalsystem gelangen.
Reposition des (oftmals dislozierten) koronalen Fragments und Schienung sind die wesentlichen Elemente der Primärtherapie (Abbildung 2) und zielen auf die Regeneration des geschädigten Parodonts und auf die pulpale Regeneration.
Eine Wurzelkanalbehandlung ist zu diesem Zeitpunkt nicht indiziert, auch wenn die Reaktion auf den Sensibiliätstest initial ausbleibt. Eine geringfügige Dislokation des koronalen Fragments scheint weder das Heilungsmuster noch das Überleben der Pulpa zu beeinflussen. Aus parodontaler Sicht wird gegenwärtig eine halbstarre Immobilisation empfohlen. Dies gelingt zum Beispiel mit der auch für andere Dislokationsverletzungen geeigneten Titanium Trauma Splint Schiene (TTS, Medartis, Basel, Schweiz). Im Gegensatz zu der früher empfohlenen Schienungsszeit von zwei bis drei Monaten (wie im vorliegenden Fall) sollen wurzelquerfrakturierte Zähne aktuellen Erkenntnisse zufolge in der Regel für vier Wochen geschient werden.
Nach Schienenentfernung empfiehlt sich im ersten Jahr nach Trauma ein engmaschiges Recall, das nach drei, sechs und zwölf Monaten eine röntgenologische Kontrolle vorsieht. Im Verlauf zeigt sich, ob Erkrankungen, die auf eine Infektion des Wurzelkanalsystems hinweisen, vorliegen. Namentlich sind dies laterale Aufhellungen in Höhe des Frakturspalts, fortschreitende externe Resorptionen und – sehr selten – apikale Läsionen. Die Reaktion auf den Sensibilitätstest kehrt – sofern diese unmittelbar nach dem Trauma ausblieb – in der Regel innerhalb der ersten sechs Monate zurück. Diese bestätigt auch das vorliegende Beispiel.
Die Röntgenkontrollbilder nach sechs und 18 Monaten zeigen unauffällige Verhältnisse (Abbildungen 3 und 4). Lediglich transiente (zum Stillstand gekommene) Resorptionen lassen sich mesial und distal des Frakturspalts erkennen. Der Parodontalspalt ist durchgängig verfolgbar. Weiterführende Maßnahmen sind nicht erforderlich. Die Erfolgsrate des beschriebenen Vorgehens liegt bei etwa 80 Prozent.
Prof. Dr. Roland WeigerKlinik für Parodontologie,Endodontologie und KariologieUniversitätskliniken der Universität BaselHebelstr. 3, CH-4003 Basel