Praxis-Art
„Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“, schrieb einst Friedrich Schiller, als er sich mit dem Drama um Wallenstein und dessen Niedergang beschäftigte. Ihm war schon vor gut 200 Jahren bewusst, wie positiv sich Kunst auf die menschliche Psyche auswirkt.
Im vergangenen Jahr fand auch das Fraunhofer Institut heraus, dass Kunst am Arbeitsplatz die Leistung fördert, Stress mindert und die Kreativität erhöht. Eine solche Wirkung lässt sich mit Plakaten und Kalenderblättern kaum erzielen. Geschmackvolle Grafiken oder Fotos dagegen laden den Patienten zum Betrachten ein, verleiten zum Nachdenken – und lenken von der bevorstehenden Behandlung ab. Für den Zahnarzt und seine Mitarbeiter schaffen sie eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Eine nachhaltige Umsetzung dieses Anspruchs gelingt nur, wenn sich der Zahnarzt mit der Gestaltung seiner Räume auseinandersetzt. Hat er die Liebe zur Kunst bereits für sich entdeckt, kann er vielleicht aus seinem eigenen Fundus schöpfen. Er läuft dann bestimmt nicht Gefahr, seine Wände mit sogenannter Hausfrauen-Kunst vollzuhängen. Fängt er aber erst an, kann er sich fachliche Hilfe holen.
Berater vor Ort
Viele Galeristen und Berater – sogenannte Art Consultants – haben sich auf die Einrichtung von Praxen und Unternehmensräumen spezialisiert. Gegen ein Honorar besichtigen sie die Räumlichkeiten, erarbeiten ein Konzept und unterbreiten anschließend ihre Vorschläge. Entscheidend für die Auswahl der Bilder ist natürlich der Geschmack des Auftraggebers.
Lisa O’Connor von der Freiraum-Agentur in Heidelberg ist spezialisiert auf die Einrichtung von Unternehmen. Aber auch Ärzte beauftragen sie, ein Kunst-Konzept für ihre Praxis zu erarbeiten. Ihr Angebot reicht von Malerei über Skulpturen, Fotografie bis zu Installationen. Für die erste Beratung verlangt sie eine Pauschale von 350 Euro plus Reisekosten. Darin enthalten sind eine Besichtigung der Räume, eine Analyse und Fotodokumentation so wie erste Vorschläge mit einer Visualisierung in den Fotos. Entscheidet sich der Arzt für einen der Vorschläge, wird die Pauschale mit den Ausgaben für die Bilder verrechnet. Hinzu kommen am Ende noch die Aufwendungen für den Transport und die Hängung der Bilder.
Bundesweit bietet Ruth Sachse ihre Dienste in Sachen Kunst an. Auch sie berät Kunden darin, die Räume mit Bildern und Skulpturen zu gestalten. Eine erste Beratung bietet sie kostenlos an. Darin enthalten sind ein Gespräch und ein Kurzkonzept. Es basiert auf ihren Informationen über die Räumlichkeiten, die besonderen Vorlieben des Auftraggebers und natürlich die finanziellen Vorgaben. Reisekosten fallen an, wenn der Kunde weiter entfernt wohnt. Zusätzlich rechnet Ruth Sachse auch Transport und Hängung der Bilder ab. In ihrer Hamburger Galerie stellt sie Künstler wie Anja Grosse oder Matthias Oppermann aus.
Fotografie und Grafiken empfiehlt der Aachener Galerist Robert Mertens für die Praxis. Er vermarktet seine Bilder in der Galerie und per Internet.
Ein breites Spektrum der Klassischen Moderne offeriert die Kölner Galerie Orangerie Reinz. Die Liste der Künstler liest sich wie die Ausstellung in einem Museum: Marc Chagall, Pablo Picasso und viele andere bekannte Artisten. Für die normale Zahnarztpraxis dürften Unikate dieser Klasse ungeeignet sein. Erschwinglicher sind hingegen Grafiken berühmter Namen. Sie gibt es je nach Auflage und Qualität für einige Hundert bis zu mehreren Tausend Euro.
Formen für Finanzierungen
Die Finanzierung des Kunstkaufs ist bei allen Galeristen und Art Consultants eigentlich kein Problem. Sie alle – egal ob Internet-Anbieter, Agentur oder alteingesessene Galerie – bieten die Finanzierung der Schätze in verschiedenen Variationen an: Barzahlung, Mietkauf, Leasing oder das Bild einfach nur für eine bestimmte Zeit mieten und sich daran erfreuen. (Mehr zu den steuerlichen Auswirkungen auf Seite 98.)
Ruth Sachse schließt mit ihren Geschäftskunden einen Art-Leasing-Vertrag. Dabei handelt es sich um einen Mietvertrag über die gewählten Kunstwerke. Kündigt der Kunde den Vertrag mit einer Frist von drei Monaten, kann er das geleaste beziehungsweise gemietete Bild zurückgeben oder zu einem vereinbarten Preis erwerben. Die bereits geleisteten Mietzahlungen rechnet Ruth Sachse zur Hälfte an. In der Regel beträgt die monatliche Miete zwei Prozent des Kaufpreises. Sie erklärt: „Da im Fall des Kaufs die Hälfte der geleisteten Mietraten angerechnet wird, kann der Kunde nach einer Mietdauer von 100 Monaten beziehungsweise acht Jahren und vier Monaten das Kunstwerk als Eigentümer erwerben, ohne noch etwas dazuzahlen zu müssen.“
Miete und Leasing führt auch Lisa O’Connor im Programm der Freiraum-Agentur. Bei ihr gibt es fünf Bilder ab 125 Euro Miete im Monat. Will der Kunde das Bild kaufen, rechnet auch sie die gezahlten Raten auf den Kaufpreis an. Bevor sie einen Vertrag abschließt, überprüft sie selbstverständlich die Bonität ihre Kunden. 25 Prozent der gezahlten Raten fließen an die jeweiligen Künstler.
Ganz unkompliziert geht Gerhard F. Reinz das Thema Finanzierung von Kunstkäufen an. Der erfahrene Galerist setzt nicht auf komplizierte Verträge, sondern auf seine Menschenkenntnis. „Wir vereinbaren einen Ratenkauf ohne Verträge. Ich bin noch nie enttäuscht worden. Alle Kunden haben bis jetzt ihre Schulden bezahlt“, beschreibt Reinz seine Erfahrungen. Er spart lieber die Gebühren, die er an Leasingfirmen oder Banken zahlen müsste. Bei sehr guten Kunden erklärt er sich auch schon mal dazu bereit, ein Kunstwerk gegen ein anderes auszutauschen, wenn es nicht mehr gefällt.
Auf die Vermittlung von Außenstehenden verzichtet auch Klaus Gerrit Friese, Galerist für zeitgenössische Kunst in Stuttgart und Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Galeristen, wenn es um die Finanzierung von Kunst geht. „Ich schließe die Verträge direkt mit meinen Kunden ab.“ Dabei bietet er neben Ratenkauf auch Leasing an. Für ihn eine Selbstverständlichkeit. Seiner Meinung nach ist der Kauf auf Kredit branchenüblich, auch wenn so mancher Galerist dies von sich weist. Die Galerie Eikelmann in Düsseldorf verfolgt eine andere Strategie. Sie arbeitet mit der Leasingfirma Leasconcept in Essen zusammen. Galeristin Nora Bajon berichtet, dass gerade im Bereich der eher hochpreisigen klassischen Kunst Finanzierungen gefragt sind: „Die Kunden suchen sich ein Werk aus und wir schlagen häufig die Finanzierung vor.“ Die läuft dann so ab: Der Kunde setzt sich mit Leasconcept in Verbindung und schließt einen Leasingvertrag ab. Die Raten zahlt er an den Finanzier. Die Galerie wiederum bekommt den kompletten Preis für das Werk sofort von der Leasingfirma. Allerdings erwartet diese, dass der Kunde am Ende der Laufzeit das Bild behält.
Den Geschmack geschult
Ohne den Umweg über eine Galerie vermarktet die Münchner Künstlerin Karin Soika ihre farbenfrohe Kunst. Viele ihrer Kunden sind Unternehmer beziehungsweise Freiberufler wie Ärzte oder Rechtsanwälte. Schon allein, um den Interessenten beim Kauf entgegenzukommen, bietet sie die Bilder zur Miete an. Damit geht der Kunde keine weiteren Verpflichtungen ein. Die Miete ist gering. Und der Kunde hat den Vorteil, dass er seine Wände von Zeit zu Zeit neu bestücken kann. „Früher galt es als exotisch, ein Bild zu mieten. Ich weiß aber, dass viele Künstler diese Praxis schon lange betreiben“, erklärt die Künstlerin. Sie sieht vor allem für den Kunden mehrere Vorteile: „Zum einen gibt er nicht viel Geld aus. Die Miete kann er steuerlich geltend machen. Aber der Kunde, der in Kunst investieren möchte, kann sich mit dem Bild auseinandersetzen, bevor er eine Kaufentscheidung trifft. Gefällt ihm ein Werk nicht, kann er das nächste ausprobieren und auf diese Weise seinen Geschmack schulen.“
Ihre Erfahrungen mit dem Vermieten von Bildern hat sie in die Internetseitehttp://www.bilderpool.orgeingebracht. Hier finden Interessenten viele Künstler, die ihre Bilder zum Kauf oder zur Miete anbieten und auch die nötigen Informationen für die Abwicklung eines Mietvertrages. Karin Soika weiß, dass die Kollegen wie sie selbst für ihren Lebensunterhalt kämpfen müssen. „Wir sind ausgebildete Kunstschaffende und versuchen unserem Qualitätsanspruch treu zu bleiben.“ Deshalb appelliert sie an Unternehmer, ihre Räume nicht für minderwertige Kunst von Hobbykünstlern zur Verfügung zu stellen, die auf jede Entschädigung verzichten, nur um ausstellen zu können. Denn: „Gäste und Patienten wundern sich dann über die schlechte Qualität.“
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de