24 Stunden gelebte Prävention
Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer beleuchtete auf der Auftaktveranstaltung in Berlin mit Blick auf das diesjährige Motto die Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen Zahnmedizin und Allgemeinmedizin. Wichtig sei vor allem, dass parallel auftretende allgemeinmedizinische Erkrankungen bei der Prävention und Behandlung von zahnmedizinischen Leiden besondere Beachtung erfahren. Oesterreich verwies auf internationale Studien, die die Zusammenhänge zwischen Munderkrankungen und Herzkreislauferkrankungen, dem Diabetes mellitus, rheumatoiden Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, Magen- und Darmerkrankungen sowie Erkrankungen des Halte- und Stützapparats belegen.
Munderkrankungen erhöhen zudem das Risiko von Komplikationen während der Schwangerschaft: Frauen, die an einer Parodontitis erkrankt sind, tragen ein höheres Risiko, ihr Kind vor der 37. Schwangerschaftswoche und/oder mit einem Geburtsgewicht unter 2 500 Gramm zu entbinden.
Multimorbide Bevölkerung
Oesterreich: „Die Zahnärzteschaft steht zukünftig vor einer besonderen Herausforderung: Das Gros der Patienten wird durch ältere Menschen repräsentiert. Damit erhöht sich auch der Grad an Multimorbidität.“ Problematisch sei, dass der zunehmende Zahnerhalt paradoxerweise in gehobenem Alter mit schweren Formen von Parodontitis und Wurzelkaries einhergehe. Oesterreich zitierte die Ergebnisse der DMS IV-Studie des IDZ in Köln. Der Parodontitistherapie komme demnach zukünftig, wie auch der Alterszahnheilkunde, eine noch stärkere Bedeutung zu.
Paradontitis und Diabetes
Prof. James Deschner, Leiter der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde an der Universität Bonn ging speziell auf die Wechselwirkungen zwischen Parodontitis und Diabetes ein. Neben Bakterien seien zusätzlich Faktoren wie etwa Rauchen und Diabetes mellitus für die Entstehung und das Fortschreiten einer Paradontitis verantwortlich. Deschner: „Bei etwa 85 bis 90 Prozent aller Diabetiker liegt der Typ 2-Diabetes vor, der vor allem durch eine verminderte Insulinwirkung hervorgerufen wird.“ Typ 2-Diabetiker befänden sich meist im mittleren oder höheren Erwachsenenalter und seien oft übergewichtig. Die Überschneidung von Zahngesundheit und Allgemeingesundheit wird bei Diabetikern besonders deutlich: „Bei dieser Patientengruppe schreitet die Parodontitis schneller voran – ihre Behandlung ist oft weniger erfolgreich“, erklärte Deschner. Diabetiker, bei denen der Blutzucker schlecht eingestellt sei, besäßen zudem ein dreifach höheres Risiko für die Entstehung einer Parodontitis. Verschärfend komme hinzu, dass Diabetiker tiefere Zahnfleischtaschen und weniger zahnumgebende Knochen besäßen als Nichtdiabetiker. Deschner: „Von entscheidender Bedeutung ist jedoch, dass bezüglich des Blutzuckers gut eingestellte Diabetiker genauso gut auf eine Parodontitistherapie ansprechen, wie Nichtdiabetiker und dass die Therapieergebnisse gleichermaßen erfolgreich aufrechterhalten werden können.“ Im Umkehrschluss führe eine erfolgreich therapierte Parodontitis schließlich auch zu einer verbesserten Insulinwirkung. Der Grund: Es gelangen weniger Zuckermoleküle in die Blutbahn.