KZBV warnt vor Selektivvertragsangebot der DAK

Kein Grund für Knebelverträge

Nach erster Prüfung des bundesweit angelegten Selektivvertragsangebots der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) für Vertragszahnärzte mahnt die KZBV zur Vorsicht und empfiehlt interessierten Zahnärzten eine intensive Prüfung vor Vertragsabschluss. Wer Leistungen, Hintergründe und Konditionen des DAK-Angebots überdenke, werde von Knebelverträgen dieser Art Abstand nehmen.

Mit dem ersten auf Bundesebene flächendeckend ausgerichteten Angebot der DAK für Vertragszahnärzte erhält der Paragraph 73 c SGB V, mit dem der Gesetzgeber das Verhandlungskollektiv ärztlicher und zahnärztlicher Heilberufe aufbrechen will, auch für Deutschlands Zahnärzteschaft größere Bedeutung: Die DAK, mit mehr als sechs Millionen Versicherten einer der größeren Player unter den GKVen, setzt mit dem über die zur Essener Imex Dental gehörige Indento/Dent-net abzuwickelnden Vertrag einen beachtlichen Hebel an, direkteren Einfluss auf die – bisher durch zahnärztliche Selbstverwaltung umgesetzte – zahnmedizinische Versorgung zu erringen.

Kassendiktat vermeiden

Ein Erfolgsrezept? „Das darf es aus zahnärztlicher Sicht keinesfalls werden“, meint das für das Vertragsgeschäft zuständige KZBV-Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Eßer: „Das bisher nur vereinzelt, regional oder von kleineren Betriebskrankenkassen umgesetzte Selektivvertragsgeschäft zeigt mit der jetzt möglichen Dimension erstmals, was an Möglichkeiten in ihm steckt.“ Immerhin stünden die Unabhängigkeit und Freiheit des Zahnarztes auf dem Spiel. Um DAK-Patienten zu gewinnen, müsse der Vertragsnehmer sich dem Diktat einer Krankenkasse beugen. Lässt er sich auf den Vertrag ein, muss er dabei berücksichtigen, dass er auf dessen dauerhaften Bestand nicht vertrauen kann. Dieser Vertrag kann von jedem Vertragspartner mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende beendet werden. Und das alles nur, damit die Kasse sich im von der Politik initiierten Wettbewerb zu anderen Konkurrenten mit besonderen Versicherungsangeboten aus dem Markt heraushebt. Es geht um das Abwerben von Versicherten – durch preiswerten Zahnersatz, billige Prophylaxe und Implantat-Versorgungen. Wirklich ein Vorteil für die Patienten? Angesichts offener Fragen zum Preis-Leistungs-Verhältnis ist das zumindest auch aus Patientensicht mit Vorsicht zu betrachten, finden zahnärztliche Organisationen in deutlicher Einmütigkeit. Befürchtet wird ein qualitativer Verlust, eine zunehmende Vereinheitlichung zahnärztlicher Leistungen, ganz zu schweigen von der Freiheit des Patienten, zum Zahnarzt seiner Wahl zu gehen. „Wirkliche Vorteile“, so Eßer, „bieten diese Verträge dem Versicherer, dem beteiligten Labor und der eingebundenen Handelsgesellschaft. Das Nachsehen haben Zahnärzte und Patienten.“

Abwärtsspirale als Programm

Grund genug für die KZVen und ihre Bundesvereinigung, diese Art von „Knebelverträgen“ massiv abzulehnen. Hier stehen neue Abhängigkeit und Einschränkungen von Therapiefreiheit und betriebswirtschaftlichen Grundlagen gegen das via Kollektivvertrag abgesicherte Leitbild freiberuflich und unternehmerisch aufgestellter Zahnärzte.

Eßer warnt: „Wie soll denn der Einzelne von uns sich gegenüber solchen wachsenden Marktmächten behaupten? Die zwangsläufige Entwicklung schafft keinerlei Vorteile für die Zahnärzteschaft. Die Abwärtsspirale ist hier Programm.“ Versprechen die ersten Verträge noch ein kalkulierbares Risiko, das eventuell durch die Möglichkeit, Patienten zu gewinnen, kompensiert werden könne, schafften Folgeverträge dann eventuell ein böses Erwachen.

Ein Appell an die Vernunft

Mittelfristig ist die spätere Rückkehr in gewohnte KZV-Sphären nach Veränderung der Versorgungslandschaft dann nicht mehr so einfach. Die ärztlichen Kollegen haben entsprechende Szenarien bereits beschrieben und geben, so jüngst die KBV, den Interessenvertretungen des Kollektivs zum Teil nicht einmal „zwei Jahre“ bis zur dann einsetzenden Handlungsunfähigkeit der KVen.

Möglichkeiten, gegen diese Art Kollektivzerstörung und Vereinzelung der Zahnärzteschaft vorzugehen, sieht Eßer vorrangig im Appell an die Vernunft des einzelnen Zahnarztes: „Hier muss man sich entscheidende, vielleicht sogar existenzielle Fragen stellen. Lohnt sich diese Arbeit als Kassenknecht wirklich? Welche Konsequenzen hat es für mich und meine Patienten, wenn ich mich auf eine Zusammenarbeit mit einem Labor einlasse, das in Fernost produzieren lässt und dessen Qualität ich nicht einschätzen kann, gleichzeitig aber für eine Gewährleistung von fünf Jahren garantieren muss? Und das alles ohne Planungssicherheit.“

Normal sei es für Deutschlands Zahnärzte, ihren Patientenstamm durch gute Arbeit zu binden und zu vergrößern. Wer sich hingegen auf einen Vertrag einlasse, dessen Bestand wegen einseitiger Kündigungsmöglichkeiten er noch nicht einmal garantiert bekomme, „spielt mit dem Feuer“. Jede betriebswirtschaftlich denkende Kasse werde sich bei zunehmendem Erfolg solcher Modelle darum bemühen, den Geldhahn sukzessive zuzudrehen.

Budgetbelastungen vermeiden

KZBV und KZVen selbst werden künftig verstärkt darauf achten müssen, so Eßer überzeugt, dass der schon zum geflügelten Wort avancierte „Kannibalismus durch Selektivverträge“ an der Gesamtvergütung verhindert wird. Der Paragraph 73 c SGB V biete im Absatz 6 explizit die Möglichkeit, die budgetierten Gesamtvergütungen um die Beträge zu reduzieren, die im Rahmen von Selektivverträgen für die Leistungen aufgewendet werden, die auch in der vertragszahnärztlichen Versorgung zu erbringen sind. „Wir werden also sehr streng darüber wachen müssen, dass ungerechtfertigte Belastungen vermieden werden. Zunehmenden Raubbau an den Gesamtvergütungen werden wir nicht zulassen.“

In diesem Spiel der zunehmend ungleich langen Spieße gibt es allerdings einen Punkt, der auch Politiker zum Nachdenken bringt: Der bisher in den Händen der Körperschaften liegende Sicherstellungsauftrag und auch die Notdienstorganisation kann man sich auch unter Parlamentariern zur Zeit kaum in den Händen der gesetzlichen Krankenkassen vorstellen. „Daran müssen die sich aber beteiligen, wenn das Selektivvertragsgebaren weiter zunimmt. Gegen diese einseitige, vom Gesetzgeber sogar unterstützte Rosinenpickerei, die dann auch noch als Wettbewerbsstärkung verkauft wird, werden wir uns zur Wehr setzen“, warnt Eßer.

Mehr Sicherheit im Kollektiv

Und die Möglichkeit, sich als KZVen eigenständig in das Selektivvertragsgeschäft einzubringen? „Bisher konnten wir nicht feststellen, dass es gelungen ist, Selektivverträge für alle Betroffenen, also Kassen, Zahnärzte und Patienten attraktiv und vorteilhaft zu gestalten.“ Mehr Leistung und Qualität erfordere zwangsläufig ein Mehr an Vergütung. Und hierzu, so die Erfahrungen von KZBV und KZVen, sei zur Zeit keinerlei Bereitschaft da.

Eßer: „Letztlich müsste so ein Vertrag nach allen Regeln der Vernunft ja besser sein als ein Kollektivvertrag. Und das ist – zumindest nach meiner Erkenntnis – zur Zeit unvorstellbar, auch dann nicht, wenn eine KZV, die ja anders als Managementgesellschaften keinen Gewinn generieren darf, also zur Kostengünstigkeit verpflichtet ist, solch einen Vertrag abschließt.

Diese Entwicklung vor Augen, könne sich die verfasste Zahnärzteschaft also nur für die Beibehaltung von Kollektivverträgen einsetzen. Die entscheidenden Vorteile laut KZBV-Vorstand: „Alle Zahnärzte können teilnehmen. Das Kollektiv schafft Marktmacht und verhindert die Wehrlosigkeit des einzelnen Zahnarztes gegenüber den Großunternehmen der GKV. Mit der KZV als Vertragspartner genießt der Zahnarzt ’Kündigungsschutz’, solange er die vertraglichen Pflichten einhält. Das Kollektiv schafft Planungssicherheit, engt keine Therapieentscheidung ein und macht von einzelnen Krankenkassen unabhängig.“ Diese Argumente sollte man als Zahnarzt, so Eßer, mit dem DAKKassenkonzept abgleichen, „bevor man sich selektiv verdingt“. zm/KZBV

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