Gesundheitswirtschaftskongress in Hamburg

Wettbewerb um die Patienten

Vom sozialdemokratischen Advokaten des Gesundheitsfonds über den liberalen Befürworter von mehr Marktelementen bis hin zum radikalen Gegner jeglicher staatlicher Einflussnahme – bei der gesundheitspolitischen Podiumsdiskussion im Rahmen des 5. Gesundheitswirtschaftskongresses am 3. September 2009 in Hamburg trafen eine Reihe von Meinungsbildnern zum politischen Schlagabtausch zusammen.

Die Gesundheitswirtschaft ist eine Wachstumsbranche, in der in den kommenden Jahren nach dem Willen von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier eine Million neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Als Forum für den intensiven und persönlichen Austausch innerhalb dieser Branche hat sich der Hamburger Gesundheitswirtschaftskongress mittlerweile fest etabliert. Die Bilanz von Kongresspräsident Prof. Heinz Lohmann zum Abschluss des Kongresses am 3. September 2009 war daher äußerst positiv: „Wir hatten in diesem Jahr 800 Teilnehmer, noch einmal 50 mehr als im Vorjahr.“ Die Gesundheitsbranche habe sich auch in der Finanzkrise behaupten können und habe großes Potenzial für die Zukunft. „Dies ist kein Kongress zum Jammern“, betonte Lohmann.

Einzig in der gesundheitspolitischen Podiumsdiskussion konnten die Teilnehmer dem üblichen Jammern nicht ganz entgehen: Wenn Vertreter großer gesetzlicher und privater Krankenversicherer, Krankenhausmanager und Oppositionspolitiker dieser Tage aufeinander treffen, dauert es bekanntlich nicht lang, bis die allgemeine Unzufriedenheit mit dem Gesundheitsfonds artikuliert wird. Wer allerdings insgeheim noch immer auf die Abschaffung des ungeliebten Gesundheitsfonds nach der Bundestagswahl hoffte, dem nahm Franz Knieps vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit einem Augenzwinkern jegliche Illusionen: „Natürlich könnte man den Fonds abschaffen, wenn es denn politischer Wille wäre. Doch Angela Merkel hat sich erst vergangene Woche in der Apotheken-Umschau zum Gesundheitsfonds bekannt. Wenn man bedenkt, welche Reichweite dieses Medium hat, sollte man diese Aussage ernst nehmen.“

Doch auch unabhängig vom Bekenntnis der Kanzlerin mochte Knieps pauschale Kritik an der jüngsten Gesundheitsreform nicht gelten lassen. Es sei mitnichten so, dass die Reform den Weg hin zu einer zentralistischen Einheitsmedizin geebnet habe: „Die Patienten können doch heute mehr denn je mit den Füßen abstimmen. Ich lasse mich in Berlin zum Beispiel in einem MVZ behandeln, das von 8 bis 22 Uhr geöffnet hat und das es gar nicht geben würde, wenn es nach dem Willen der KV gegangen wäre. Meine Eltern sind in Disease-Management-Programme eingeschrieben, die es ebenfalls nicht geben würde, wenn die Politik seinerzeit dem Votum des Rostocker Ärztetages gefolgt wäre.“

Beitragssenkung auf Pump

Dem gesundheitspolitischen Sprecher der FDP Daniel Bahr reichen diese Marktelemente noch nicht aus – zumal das Konstrukt des Gesundheitsfonds aus Sicht der Liberalen ohnehin zum Scheitern verurteilt ist: „Welche Partei auch immer ab Herbst an der Macht ist, der Fonds wird nicht funktionieren. Die Kassen werden bald anfangen müssen, Zusatzbeiträge zu erheben und von ihren Versicherten einzutreiben. Die staatliche Festsetzung des Beitrags führt zu einer Finanzierung nach Kassen- und politischer Großwetterlage.“ Bahr plädierte daher für eine Rückkehr zur Beitragsautonomie und für den schrittweisen Übergang zu einem Prämienmodell: „Auch wenn im Wahlkampf viele versprechen, dass mehr Steuergelder in die GKV-Finanzierung fließen, sind diese Gelder nicht da. Bereits die jüngste Beitragssenkung ist auf Pump finanziert.“

Angesichts des demografischen Wandels müsse die Politik der Bevölkerung klarmachen, dass die gesetzliche Absicherung auch bei Gesundheitsleistungen nur für eine Basisversorgung aufkommen könne. Bahr:

„Was die Rente angeht, ist es der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder gelungen, dies zu kommunizieren und mit der Riester-Rente eine private Zusatzoption zu schaffen. Vor dieser Leistung muss ich ganz ehrlich den Hut ziehen. Doch warum können die Beteiligten diese Erkenntnis nicht auf die Gesundheitsversorgung übertragen?“ Für den BMG-Mann Knieps gab es auf diese Frage eine ganz einfache Antwort: „Alle Umfragen zeigen, dass die Menschen nicht bereit sind, weitere Einschnitte hinzunehmen.“ Die Befürworter von mehr privater Vorsorge im Gesundheitswesen müssten der Bevölkerung dann auch ganz offen sagen, dass manche Leistung künftig vom Portemonnaie abhängt und nicht mehr solidarisch finanziert wird.

Patient bleibt Mensch

Einen erfrischenden Blick aus der Außenperspektive boten die Aussagen von Prof. Felix Unger, Präsident der European Academy of Science and Arts und Direktor der Universitätsklinik für Herzchirurgie im österreichischen Salzburg, der vehement gegen jegliche staatliche Steuerung wetterte: „Ich bin gegen jegliche Zentralisierung, das macht die Leistung nur unnötig teuer. Wer Markt will, muss das Gesundheitswesen radikal entpolitisieren!“ In einem Punkt allerdings wehrte sich Unger gegen allzu marktliberales Vokabular: „Ich mag das Wort ‚Kunde’ im Zusammenhang mit Patienten nicht. Der Patient ist für mich ein Mensch, der mit seinem Schicksal zu mir als Arzt kommt – bei diesem Thema reagiere ich allergisch auf semantische Ausrutscher.“

Antje SoleimanianFreie Journalistin und Autorin aus Hamburg

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