Hildegard-von-Bingen-Preis für Necla Kelek

Wortgewandte Brückenbauerin

In dem Buch „Die fremde Braut“ erklärt eine in Deutschland lebende Türkin den Lesern, warum die Integration hierzulande zu scheitern droht. Autorin Necla Kelek löste damit eine Debatte über Zwangsehen und Parallelgesellschaften in der BRD aus. Weil ihre sprachmächtigen Texte immer zugleich ein Plädoyer für die Menschenrechte sind, erhält sie den von der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz ausgelobten Hildegard-von-Bingen-Preis 2009.

„Engagiert, einsatzfroh und eindringlich“ – so berichte die Journalistin und promovierte Soziologin Kelek vom Wert der Menschenrechte in der pluralistischen Gesellschaft Deutschlands und der Lebenswelt türkischstämmiger Ehefrauen, Mütter und Töchter. „Necla Kelek ist streitbar, aufmüpfig, geht keiner Kontroverse aus dem Weg“, begründet Laudator Helmut Ahrens, Publizist und Pressesprecher der Kammer, die Entscheidung der Jury. „Wir Deutschen bedürfen der Stimme der Aufklärerin, der freien Publizistin, der Menschenrechtlerin.“

Eine Voraussetzung für die journalistische Freiheit sei die bürgerliche Freiheit, erläuterte der Präsident der Landeszahnärztekammer Dr. Michael Rumpf bei der Preisvergabe am 12. September im Erbacher Hof in Mainz. „Der freie Beruf und das freie Wort bedingen einander. Necla Kelek schildert und kritisiert die Lebensrealität türkischstämmiger Frauen und ihrer Töchter und steht damit für die freien Bürgerrechte.“ Staatssekretär Michael Ebling, Landesbildungsministerium, ergänzte: „Ihr Leitthema sind die geduldeten Parallelgesellschaften in Deutschland. Es ist nur konsequent, dass Kelek den Preis erhält, weil sie sich für die Freiheit aller Menschen in unserer Gesellschaft einsetzt – unbeeindruckt von Anfeindungen.“

Anwältin der Integration

Kelek reflektiere ihre eigenen Lebenserfahrungen, um denen beizustehen, die in Bedrängnis sind, resümierte Weihbischof Dr. Werner Guballa: „Sie ist eine Brückenbauerin zwischen den türkischen Frauen, Männern und den Gegebenheiten hier im Land, eine Anwältin der Integration.“

Dass die Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz mit der Verleihung des Publizistik-Preises in der Tradition der pluralistischen Medienlandschaft und der damit verbundenen Diskussionskultur steht, hob der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel hervor: „Es ist eine Freude, dass der Preis immer an so renommierte Menschen verliehen wird. Ein bisschen Glanz fällt immer auch auf die Stadt Mainz zurück.“

Kelek selbst sieht durchaus Parallelen zwischen Hildegard von Bingens Leben und dem der Frauen heute: Damals sei für Frauen das Kloster der einzige Ort gewesen, um dem patriarchalischen Machtanspruch zu entkommen. Bis heute sei jedoch diskriminierendes Denken gegenüber Frauen an der Tagesordnung. Kelek: „Von Hildegards Neugier können wir lernen ohne die mystischen Ideen zu teilen.“ Wie sehr ihre Berichte auf eigenen Erfahrungen beruhen, offenbart ihre Biografie: 1957 in Istanbul geboren, kam Kelek 1966 als Kind eines Gastarbeiters nach Deutschland. Die eher liberale Familie ließ sich in der neuen Heimat von den traditionellkonservativen Einstellungen türkischer Landsleute beeinflussen und lebte plötzlich völlig andere Werte. Kelek ging ihren eigenen Weg: Sie studierte VWL und Soziologie, heiratete, bekam Kinder, engagierte sich politisch. Die Familie brach daraufhin jeden Kontakt mit ihr ab – aus Gründen der „Ehre“. Das Schicksal, dem sie entging, zwangsverheiratet zu werden und abgeschottet von der Außenwelt und ohne jede Selbstbestimmung im familiären Mikrokosmos gefangen zu sein, erlitten jedoch Millionen türkischer Frauen in Deutschland. Deshalb hat sie den Kampf gegen Zwangsheirat und Unterdrückung im Namen der Religion aufgenommen.

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