Auslandszahnersatz

Erstmals verlässliche Zahlen

Die neue Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) zu „Dentaltourismus und Auslandszahnersatz“ dokumentiert die Ergebnisse einer bundesweiten repräsentativen Bevölkerungsbefragung über die Einstellung zu Zahnersatz aus dem Ausland. Eine Zahnärztebefragung rundet das Thema ab. Damit liegen erstmals verlässliche Zahlen zur Internationalisierung des Versorgungsmarktes für Zahnersatz vor.

Die Liberalisierung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs hat inzwischen auch die zahnmedizinische Versorgung erreicht. Hinzu kommt, dass zunehmend Zahnersatz aus dem Ausland importiert wird, vornehmlich aus Asien. Parallel dazu reisen Patienten vermehrt ins Ausland (bevorzugt in die osteuropäischen Nachbarländer), um sich bei Zahnärzten vor Ort mit Zahnersatz versorgen zu lassen. Als Auslöser für diese Entwicklungen gelten die zum Teil deutlich geringeren Herstellungskosten für Zahnersatz auf dem internationalen Dentalmarkt, die auf vergleichsweise niedrigere Löhne, günstige Raummieten und geringere Laborkosten als in Deutschland zurückzuführen sind.

Da es bisher in Deutschland zum Themenkreis Auslandszahnersatz und Dentaltourismus keine fundierten Zahlen gab, hat das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) in Kooperation mit dem Institut für Empirische Gesundheitsökonomie (IfEG), Burscheid, eine Studie durchgeführt, um verlässliche Daten zu diesem Themenkomplex vorzulegen. Die Feldarbeit wurde von zwei Marktund Meinungsforschungsinstituten erstellt, und zwar die Bevölkerungsumfrage vom Institut für Demoskopie, Allensbach, und die Online-Zahnärztebefragung von TNS Healthcare, München. Die Federführung lag bei Dr. David Klingenberger, Wissenschaftlicher Referent im IDZ. Befragt wurden 1 368 Patienten und 300 Zahnärzte.

Trends erkennbar

Zusammengefasst sind laut Studie folgende Trends und Aussagen erkennbar:

• Unsicherheiten der Patienten hinsichtlich der Qualität und Gewährleistung sind klare Entscheidungshemmnisse, wenn es um Zahnersatz aus dem Ausland geht.

• Die soziale Zahnarztbindung des Patienten ist ein wichtiger Faktor, sie wirkt Dentaltourismus entgegen.

• Patienten entscheiden sich eher für Auslandszahnersatz als für Dentaltourismus.

• Auslandszahnersatz wird von den befragten Zahnärzten differenziert mit allen Vorund Nachteilen betrachtet.

• Die Pluralität der Versorgungsoptionen wird auch in Zukunft erhalten bleiben.

Methodisches Neuland

Die Studie hatte zwei Zielsetzungen: Inhaltlich gesehen sollten Ausmaß und Perspektiven von Auslandszahnersatz und Dentaltourismus näher untersucht und die Rahmenbedingungen für die Marktentwicklung herausgearbeitet werden. Auch methodisch gesehen hat das IDZ Neuland betreten und mit der gesundheitsökonomischen Analysemethode „Willingness-to-pay“ gearbeitet, einer Zahlungsbereitschaftsanalyse. Dabei handelt es sich um eine Abfrage des Nutzens für den Patienten in Geldeinheiten. Die Methode ist in der internationalen Zahnmedizin schon seit zehn Jahren gebräuchlich, wurde aber in Deutschland bisher noch nicht eingesetzt.

Gearbeitet wurde mit dem sogenannten „Bidding Game“, einem Auktionsverfahren, bei dem die Probanden gefragt werden, welchen Geldbetrag sie bereit sind, für eine bestimmte Leistung zu zahlen. Die Abfrage erfolgt über mehrere Schritte. Es wird mit einem festen Betrag begonnen, der bei einer positiven Antwort des Befragten so lange erhöht wird, bis dieser den Preis nicht mehr akzeptiert.

Um eine praxisnahe Versorgungssituation zu simulieren, wurden zwei Szenarien festgelegt: zum einen die Kronenversorgung (Versorgung mit drei Einzelkronen), zum anderen die Implantatversorgung (Implantat im Frontzahnbereich). Gefragt wurde, ab welchem Einsparbetrag der Proband den Auslandszahnersatz gegenüber dem Inlandszahnersatz vorziehen würde. Das gleiche galt für den Dentaltourismus.

Überraschendes Ergebnis

Das Ergebnis der Untersuchung war überraschend: Die Verbreitung von Auslandszahnersatz in Deutschland ist geringer als aufgrund breiter Medienberichterstattungen bisher vermutet. Lediglich 2,3 Prozent der Befragten gaben an, importierten Zahnersatz zu tragen. Eine Versorgung als Dentaltourist hatten nur 1,2 Prozent der Befragten in Anspruch genommen. Damit kann man bei beiden Varianten derzeit noch von einer Randerscheinung ausgehen.

Jedoch der Trend zum Auslandszahnersatz wächst: Jeder siebte Befragte zwischen 30 und 75 Jahren (14 Prozent) gab an, grundsätzlich schon einmal erwogen zu haben, sich ausländischen Zahnersatz eingliedern zu lassen.

Vertrauen entscheidend

Warum die Befragten dies (noch) nicht umgesetzt haben, liegt laut der Untersuchung an einer Reihe von Hemmnisfaktoren. Dazu gehört zum einen eine Skepsis gegenüber der Qualität ausländischen Zahnersatzes. Des Weiteren spielt auch die über Jahre gewachsene soziale Bindung an den eigenen Zahnarzt eine Rolle. 91,2 Prozent gaben an, stets denselben Zahnarzt aufzusuchen. 46,9 Prozent erklärten, auch nach einem Preisvergleich nicht zu einem günstigeren Zahnarzt wechseln zu wollen. Von den Befragten, die zu einem günstigeren Zahnarzt wechseln würden, wären 70,8 Prozent prinzipiell bereit, einen längeren Anfahrtsweg in Kauf zu nehmen, um bei einem anderen Zahnarzt die gleiche Leistung für weniger Geld zu erhalten.

Dem Patienten sind beim Zahnarztbesuch Faktoren wie die gründliche und sorgfältige Arbeit des Zahnarztes, eine umfassende Beratung und kurze Wartezeiten besonders wichtig. Deswegen spricht auch der erhebliche Zeitaufwand gegen eine Behandlungsreise ins Ausland.

Der Preis war bei den Befragten letztlich nur ein Kriterium unter mehreren bei der Entscheidung für oder gegen Auslandszahnersatz. Qualitätsaspekte wurden von den Befragten mit 92,4 Prozent wesentlich häufiger als Grund für ihre Entscheidung genannt. Preisgünstigkeit spielte nur für jeden Dritten eine gravierende Rolle.

Aufschlussreich waren die Ergebnisse der „Bidding Games“: Um die Entscheidung für ausländischen Zahnersatz zu stimulieren, muss der Preisunterschied von Zahnersatz aus dem Ausland im Vergleich zum Inlandspreis schon deutlich niedriger ausfallen. Bei den Szenarien „Kronenversorgung“ und „Implantatversorgung“ lag der Durchschnittspreis, ab den die Befragten sich für Auslandszahnersatz entscheiden würden, bei 30 bis 35 Prozent unterhalb des Preises in Deutschland. Beim Dentaltourismus bewegte sich dieser um 40 bis 50 Prozent unterhalb des Inlandspreises. Generell ist eine geringere Bereitschaft für Dentaltourismus zu erkennen, was mit den Reisekosten und dem erhöhten Zeitaufwand zusammenhängen dürfte, auch wenn damit ein Urlaub verbunden ist.

Differenzierte Betrachtung

Die Zahnärztebefragung – durchgeführt im Spätsommer 2008 – ergab, dass die Zahnärzteschaft die Versorgung mit Zahnersatz aus dem Ausland differenziert mit Vor- und Nachteilen sieht. 49 Prozent nutzen ausländischen Zahnersatz gar nicht, eine knappe Mehrheit von 51 Prozent greift grundsätzlich darauf zurück. Dabei liegt der Anteil derer, die dies nach eigenen Angaben häufig tun, bei 12,3 Prozent. Im Schnitt griffen die befragten Zahnärzte bei etwa jedem zehnten Prothetikfall teilweise oder vollständig auf Auslandszahnersatz zurück. Von denjenigen Zahnärzten, die grundsätzlich Auslandszahnersatz verwenden, gaben knapp 57 Prozent an, diesen im Jahr 2008 häufiger eingegliedert zu haben als in 2004.

Im Hinblick auf die Herkunft von Zahnersatz aus dem Ausland zeigt sich ganz deutlich, dass China als Hauptexporteur gilt. Hongkong eingeschlossen, entfallen 59,5 Prozent allein auf chinesische Exporte. Auf den gesamten Fernen Osten entfallen insgesamt 72,3 Prozent. Darüber hinaus hält lediglich die Türkei einen nennenswerten Marktanteil von 14,2 Prozent. Von den EU-Mitgliedsstaaten sind Tschechien, Ungarn und Spanien vertreten, und zwar mit einem Anteil von 8,1 Prozent. Diese drei Länder gelten zugleich als stark frequentierte Reiseziele für deutsche Dentaltouristen.

Vor- und Nachteile

Bei den Vorteilen von Auslandszahnersatz nannten 89 Prozent der befragten Zahnärzte erwartungsgemäß die geringeren Herstellungskosten und das damit verbundene günstige Preis-Leistungsverhältnis, das dem Patienten mehr Spielraum für höherwertige Leistungen gebe. Als gravierender Nachteil wurde in 29 Prozent der Fälle die schlechte, fragwürdige beziehungsweise unbekannte Qualität des Auslandszahnersatzes genannt. Noch häufiger wurden die langen Kommunikationsund Transportwege als kritisch gesehen (46 Prozent), die einen abgestimmten und eingeübten Arbeitsablauf zwischen Zahnarzt und Zahntechniker erschweren würden (37 Prozent). Kritisch gesehen wurde ebenfalls die mangelnde räumliche Nähe zum zahntechnischen Meisterlabor und die mit der Distanz einhergehenden fehlenden Kontrollmöglichkeiten. Lediglich zwei Prozent der befragten Zahnärzte urteilten, die Verwendung von Auslandszahnersatz sei mit keinerlei Nachteilen verbunden.

Neue Verfahren

Abzuwarten bleibe, so betont die Studie, inwieweit neue Produktionsverfahren (etwa CAD/CAM-gesteuerte Prozesse) im Inland zu sinkenden Herstellungskosten führen und somit das Produktionsgefälle zwischen deutschen und ausländischen Dentallaboren künftig geringer ausfallen könnte. Zu unterstreichen sei auch, dass die Eingliederung von Zahnersatz eine persönliche und vertrauensvolle Dienstleistung zwischen dem Zahnarzt und seinem Patienten sei. Dies habe zwangsläufig Auswirkungen auf die Entscheidung des Patienten. pr/IDZ

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