Konzentration auf das Wesentliche
„Eigentlich brauchen Senioren nur eine Haftpflichtversicherung – die Krankenversicherung setze ich als selbstverständlich voraus“, so die knappe Antwort von Edda Castelló, Expertin für Versicherungen bei der Verbraucherzentrale in Hamburg, auf die Frage, welche Versicherungen Senioren brauchen. Damit reduziert sie den Versicherungsschutz für Ruheständler auf das Mindestmaß. Die meisten Senioren werden sich mit diesem Minimalschutz unwohl fühlen. Dennoch gehört zur Vorbereitung auf den Ruhestand unbedingt eine gründliche Überprüfung der Policen.
Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt: Die Praxis ist verkauft, die Kinder sind in den meisten Fällen erwachsen und verfügen über ihr eigenes Einkommen. Jetzt kommt die Zeit, in der nicht mehr Beruf und Kinder den Lebensinhalt ausmachen. Die Stunden und Tage werden neu gefüllt mit Hobbies, Reisen, Enkelkindern und einem Ehrenamt. Der Versicherungsschutz muss der neuen Situation angepasst werden. Damit ein Zahnarzt die optimale Kombination findet, sollte er sich den jeweils größtmöglichen Schaden vorstellen, den die jeweilige Versicherung abdeckt. Wenn er diesen Schaden nicht mehr aus eigener Tasche bezahlen kann oder möchte, sollte er diese Versicherung behalten beziehungsweise abschließen.
Einige Policen bleiben sicherlich nach wie vor unverzichtbar:
Basisversicherungen
• Krankenversicherung
Die meisten Ruheständler möchten ihren umfassenden Schutz im Fall einer Krankheit und besonders bei einem Krankenhausaufenthalt behalten. Wer sparen will, kann mit seiner Versicherung über eine Tarifänderung sprechen. Ein Selbstbehalt etwa senkt den Beitrag.
• Haftpflichtversicherung
Diese Versicherung gilt als absolutes Muss. Denn wer anderen einen Schaden zufügt, muss dafür aufkommen. Ohne Haftpflichtversicherung kann ein Schaden schnell zum Ruin führen. Aber sparen lässt sich im Ruhestand vielleicht doch. Ein Zahnarzt, der nicht mehr praktiziert, benötigt auch keine berufliche Haftpflichtversicherung mehr. Vielmehr sollten zum Beispiel die Enkel, die während ihres Besuchs auf der Straße Fußball spielen, in den Versicherungsschutz mit eingeschlossen sein, falls der Ball die Fensterscheibe des Nachbarn trifft. Genau auf die Bedingungen achten sollten auch Versicherte, die ein oder mehrere Ehrenämter ausüben. Nicht immer sichert der Verein seine Helfer ab.
Hausversicherungen
• Wohngebäudeversicherung
Die Wohngebäudeversicherung ist eine Selbstverständlichkeit für jeden Immobilienbesitzer. Ohne diesen Schutz genehmigen Banken keine Hypothek. Die Police schützt gegen Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel.
• Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht
Sie ist Pflicht für alle, die eine Immobilie vermieten oder ein unbenutztes Grundstück besitzen. Wenn im Treppenhaus, im Garten oder vor dem Gebäude jemand zu Schaden kommt, haftet der Eigentümer.
Auto
• Kfz-Versicherung
Wer für sein Auto noch eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen hat, sollte überprüfen, ob sie günstiger ist als eine Teilkaskoversicherung. Für Rentner, die häufig über einen hohen Schadenfreiheitsrabatt verfügen, kann der Vollschutz von Vorteil sein. Viele Ruheständler fahren im Alter weniger Auto. Die reduzierte Jahreskilometerleistung senkt den Beitrag.
• Insassen-Unfallversicherung
Diese Police braucht niemand. Mitfahrer sind über die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrers abgesichert. Den Fahrer selbst schützt seine Kranken- und wenn vorhanden, die Unfallversicherung.
Einige Versicherungen werden dank der veränderten Lebenssituation automatisch überflüssig. Das dafür vorgesehene Geld lässt sich sparen oder für andere Dinge ausgeben:
Berufsunfähigkeit
• Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist kurz vor dem Wechsel in den Ruhestand nicht mehr notwendig. Das Risiko, seinen Beruf nicht mehr ausüben zu können, sinkt rapide. Später gibt es die regelmäßigen Zahlungen aus dem Versorgungswerk und – gegebenenfalls – aus einer privaten Rentenversicherung, die automatisch das Konto füllen. Das Einkommen ist gesichert.
Risikolebensversicherung
• Eine Risikolebensversicherung macht nur Sinn, wenn die Ehefrau abgesichert werden muss. Im Normalfall ist das Eigenheim bezahlt und die Schulden sind getilgt, so dass auf eine Risikolebensversicherung getrost verzichtet werden kann.
Krankentagegeld
• Im Pensionsalter braucht der Zahnarzt keinen Verdienstausfall mehr zu fürchten. Also benötigt er auch kein Krankentagegeld mehr. Die regelmäßigen Einkünfte bleiben vom Klinikaufenthalt unberührt.
Bei einigen Policen hängt es dagegen stark von der persönlichen Einstellung ab, ob der Schutz, den sie versprechen, Sinn macht oder nicht oder ob er einfach reduziert wird:
Hausratversicherung
• Vielleicht steht der Umzug in eine kleinere Wohnung an. Dann wird ein Teil des Hausrats verkauft oder verschenkt. Die Versicherungssumme sinkt und damit auch der Beitrag. Andererseits kann es auch sein, dass im Laufe der Jahre so manches wertvolle Stück seinen Platz im Haus gefunden hat. Dann sollte die Versicherungssumme ebenfalls überprüft und gegebenenfalls erhöht werden. Kühle Rechner überlegen sich, inwieweit eine Hausratversicherung überhaupt noch Sinn macht. Versicherungsexpertin Edda Castelló meint: „Das ist ein sehr persönliche Sache. Ich muss mich fragen: Wie fühle ich mich bei der Vorstellung, wenn alle diese Dinge verbrennen? Fühle ich mich befreit vom Ballast, dann sollte ich die Hausratpolice kündigen. Hängt aber mein Herz so sehr an diesen Dingen, dass ich sie neu kaufen würde, zahle ich die Beiträge weiter.“
Rechtsschutzversicherung
• Diese Police ist auch eine Sache der persönlichen Einstellung. Eigentlich ist sie überflüssig. Berufliche Streitereien gibt es nicht mehr und einen großen Teil der Verkehrsstreitigkeiten übernimmt die Haftpflichtversicherung. Sie zahlt, wenn jemand unberechtigte Ansprüche aufgrund eines Unfalls erhebt.
Unfallversicherung
• Die Konzepte der meisten Unfallversicherungen für Senioren hält Verbraucherschützerin Edda Castelló für nicht ausgereift. In vielen Angeboten bieten die Versicherungsgesellschaften Zusatzleistungen an, die sich häufig als wenig sinnvoll herausstellen. So organisieren sie zwar verschiedene Dienste wie Putzen oder Einkaufen für den Versicherten, wenn dieser beispielsweise nach der Genesung im Krankenhaus wieder nach Hause kommt und sich noch nicht wieder selbst versorgen kann. Bezahlen muss er diesen Service aber selbst. Stehen dem Kranken aber Freunde und Familie zur Seite, kann er auf diese Leistungen verzichten. Als nützlich kann sich eine Unfallversicherung erweisen, bei der im Schadensfall eine große Summe auf einmal ausgezahlt wird. Erleidet der Versicherte zum Beispiel eine Behinderung, kann er mit diesem Geld Wohnung oder Haus für seine Zwecke umbauen.
Pflegeversicherung
• Wie sinnvoll eine Pflegezusatzversicherung ist, hängt von der persönlichen Einstellung ab. Grundsätzlich sollte die Police am besten bereits bis zum Alter von 40 Jahren abgeschlossen sein, weil später die Beiträge unverhältnismäßig teuer werden. Ein wichtiger Punkt ist, unbedingt darauf zu achten, dass die Versicherung möglichst schon ab der Pflegestufe eins oder zwei zahlt und nicht erst in der dritten Stufe. Außerdem gilt es, zwischen drei verschiedenen Variationen zu wählen: Pflegetagegeld-, Pflegerenten- oder Pflegekostenversicherung (siehe zm 5/2008).
Anlageberater wie Joachim Schwers, der sich auf die Beratung in Versicherungsangelegenheiten von Senioren spezialisiert hat, rät dazu, einige 10 000 Euro auf dem Tagesgeldkonto für die Pflege bereit zu halten. Denn es kann ja durchaus der Glücksfall eintreten, dass der Zahnarzt diese Versicherung gar nicht braucht und er das Geld für schöne Dinge ausgeben kann. Bei der Pflegeversicherung wäre das Kapital in den meisten Fällen weg. Einige Versicherer bieten allerdings ab einem bestimmten Alter die Zahlung einer Rente an, falls der Pflegefall nicht eintritt.
Auslandskrankenversichert
• Wer seinen Ruhestand dazu nutzen möchte, die Welt zu erkunden, der schließt eine gute Auslandskrankenversicherung ab. Das kann sich auch für privat Versicherte lohnen. Denn nicht immer sind in der privaten Police alle Risiken eingeschlossen.
Sterbegeldversicherung
• In der Versicherungsbranche gilt die Sterbeversicherung als sogenannter Türöffner. Der Vertreter setzt den Kunden moralisch unter Druck mit der Frage, ob er seinen Kindern die Kosten für seine Beerdigung zumuten will. Viele ältere Menschen lassen sich davon beeindrucken. Aber wie bei der Pflegeversicherung lohnt sich die Sterbeversicherung nur unter bestimmten Umständen. Wer sich erst in fortgeschrittenem Alter dazu entschließt, zahlt möglicherweise mehr ein als seine Angehörigen später bekommen. Außerdem lohnt es sich, andere Quellen zu prüfen. So gewährt die private Unfallversicherung ein Sterbegeld, wenn der Versicherte bei einem Unfall stirbt. Risikolebens- und Kapitallebensversicherung zahlen nach dem Tod des Versicherten die vereinbarte Versicherungssumme aus. Vorsichtige können beispielsweise eine Risikolebensversicherung über die für die Beerdigung geplante Summe abschließen und den gleichen Betrag parallel ansparen. Entsprechend der wachsenden Sparsumme sinkt die Versicherungssumme. Noch ein-facher ist es, einen für diesen Zweck bestimmten Betrag auf einem Tagesgeldkonto zu hinterlegen.
Bedarf klären
Für jede Versicherung und ganz besonders vor dem Abschluss eines neuen Vertrags sollte sich der Kunde fragen, ob er diesen Schutz wirklich benötigt. Das Geld, das im Versicherungsfall benötigt wird, lässt sich auch auf andere Weise zusammentragen. „Denn“, so Edda Castelló, „eine Versicherung ist nichts anderes als ein Sparvertrag. Das Unternehmen legt das Geld unter anderem in festverzinslichen Wertpapieren und Tagesgeld an. Für den Versicherten ein teures Vergnügen, denn er zahlt dafür hohe Gebühren. Legt er das Geld selbst an, wird es für ihn günstiger.“
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de