Freiberuflichkeit ohne Wenn und Aber
Eindeutiger konnte das Votum der Delegierten auf der BZÄK-Bundesversammlung in München kaum ausfallen: Sie gaben in einer einstimmig angenommenen Resolution ein klares Bekenntnis zur Freiberuflichkeit und zum Schutz des Arzt-Patienten-Verhältnisses als oberstes Ziel zahnärztlicher Standespolitik ab. Damit verbunden will man einen Wertekanon erarbeiten, der national wie international vertreten werden soll. Debatten dazu sollen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungsprozesse geführt werden. Die Interessen des Berufsstandes müssen nach dem Willen der Versammlung mit denen der Bevölkerung sowie mit gesellschaftlichen Wandlungsprozessen in Einklang gebracht werden. Die Kennzeichen von Selbstverwaltung, freier Arzt- und Therapiewahl und eine eigene Gebührenordnung seien für die Zahnärzte untrennbar mit der Erfüllung einer besonderen Verpflichtung für das Gemeinwohl verknüpft.
Grundwerte nicht verlieren
„Was wir nicht verlieren dürfen, sind unsere Grundwerte,“ machte BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel in seinem Bericht zur Bundesversammlung deutlich. Mit Blick auf den Koalitionsvertrag warnte er vor einem vermeintlich „Goldenen Zeitalter“ für Zahnärzte wie Patienten – der Koalitionsvertrag sei nicht mehr als eine Absichtserklärung. Es sei jetzt am Berufsstand, möglichst viel von dem, was die Koalition erklärt habe, mit Inhalten zu füllen. Engel verwies auf die künftigen Herausforderungen für den Praxisalltag, wie etwa die wachsende Feminisierung, den verstärkten Wettbewerbsgedanken, die steigende Bedeutung von Qualitäts- sicherung oder die schwelenden Diskussionen um die Akademisierung der Heil-Hilfsberufe. Es gehe um transparentes und entschlossenes Handeln im ureigenen Terrain der zahnmedizinischen Versorgung. Er nannte als Beispiele die Versorgung älterer und immobiler Patienten oder von Menschen mit Behinderungen. Handlungsbedarf gebe es auch bei der Abwehr von ab-strusen gesetzlichen Beeinflussungen wie etwa den Hygienebestimmungen oder dem Medizinproduktegesetz. Eindringlich warnte er vor einer radikalen Ökonomisierung des Gesundheitswesens, vor Selektivverträgen und damit verbundenen Einschränkungen der Therapiefreiheit oder vor negativen Einflüssen aus der EU. Engel unterstrich die Bedeutung der Selbstverwaltung. Kammern seien Dienstleister nicht nur für den Berufsstand, sondern für die gesamte Gesellschaft.
Mit Nachdruck forderte der BZÄK-Präsident die Novellierung der Approbationsordnung ein: „Wir als Berufsstand werden eine Verflachung der Qualifikation gerade angesichts der anstehenden Aufgaben nicht zulassen.“ Was die Fort- und Weiterbildung angehe, sei die Weiterbildung als höchste Stufe postgradualer Qualifikation eine feste Größe in der Verantwortung der Kammer, der allgemein-zahnärztlich tätige Kollege werde ein wesentlicher Träger der Versorgung bleiben. Die Auseinandersetzung um das Thema Generalist oder Spezialist dürfe sich nicht festfahren, der Disput gehöre auf die Betrachtungsebene einer notwendigen Qualifizierung des gesamten Berufsstandes.
Intensive Beratungen
Die Vielzahl von Anträgen (rund 60) zeugte von einem intensiven Diskussions- und Beratungsbedarf der Delegierten, unter zum Teil auch heftigen Debatten. Der Komplex um die Gesundheitspolitik und den Koalitionsvertrag nahm darin einen breiten Raum ein. So sprach sich das Gremium gegen jede Einschränkung der Selbstverwaltung der Freien Heilberufe aus und bekannte sich zu einer effektiven und transparenten Selbstkontrolle der Berufsausübung im Dienst der Gesellschaft. Strikt lehnte man Selektivverträge ab und wehrte sich gegen Öffnungsklauseln auch privater Versicherungsunternehmer. Medizinisch notwendige Grundleistungen in der GKV sollen unter fachlicher Beteiligung der Zahnärzteschaft definiert werden. Um den Zugang zu hochwertiger zahnmedizinischer Versorgung zu gewährleisten, eigne sich die Kostenerstattung. Ein striktes Nein gab es zur elektronischen Gesundheitskarte, weil Datenschutz und -sicherheit nicht garantiert werden könnten und weil das Grundvertrauen des Patienten in das ärztliche Berufsethos gefährdet sei. Auch die Pseudoakademisierung der Heilberufe wurde von den Delegierten abgelehnt.
Fort- und Weiterbildung
Einen Schwerpunkt der Delegiertenbera-tungen nahm das Thema Fort- und Weiterbildung ein, das zwar auf der Bundesversammlung in Stuttgart 2009 zur Beratung anstand, jedoch aufgrund der damals dringend anstehenden Beratung um die GOZ-Novelle vertagt werden musste.
Dr. Walther Dieckhoff, alternierender Vorsitzender des BZÄK/DGZMK-Beirats Fortbildung, gab einen aktuellen Sachstandsbericht und erinnerte an den Auftrag der Bundesversammlung von 2007. Demzufolge sollte die BZÄK ein Konzept für die Musterweiterbildungsordnung und die berufsbegleitende Fortbildung unter europatauglichen Kautelen entwickeln. Das Ziel, dass das Studium zu einem berufsfertigen Zahnarzt führt, sollte davon nicht tangiert sein. Unter diesen Maßgaben hatte die BZÄK mit der DGZMK und der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK) einen Musterkooperationsvertrag geschlossen, um die notwendigen Abstimmungsprozesse zwischen Kammern und Wissenschaft zu vereinheitlichen und zu initialisieren.
Dr. Wolfgang Schmiedel, Vorsitzender der BZÄK-Weiterbildungsausschüsse Oralchirurgie und KFO, berichtete über die Zwischenergebnisse auf dem Weg zur neuen Musterweiterbildungsordnung Oralchirurgie und Kieferorthopädie. Die Bereiche seien neu strukturiert und europataug-lichen Kriterien angeglichen worden. Mit den jeweiligen Fachgesellschaften und Berufsverbänden seien entsprechende Abstimmungsprozesse erfolgt. Zur nächsten Bundesversammlung werde man – unter Einbindung bewährter Konzepte aus den Länderkammern – eine neue Musterweiterbildungsordnung vorlegen.
BZÄK-Vizepräsident Dr. Michael Frank, im Präsidium zuständig für die Fort- und Weiterbildung, verwies auf die Notwendigkeit, die aus dem Jahre 1996 stammenden Musterweiterbildungsordnungen regelmäßig den wissenschaftlichen Entwicklungen anzupassen. Dies sei aus fachlichen Erwägungen, aber auch aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit und der Qualitätssicherung erforderlich. Auch der Wissenschaftsrat habe in seinem Gutachten klar strukturierte Ausbildungsgänge auch bei den außeruniversitären Weiterbildungsangeboten angemahnt. Frank stellte der Bundesversammlung einige Eckpunkte der geplanten Weiterbildungsordnung im Bereich Oralchirurgie vor.
Rahmenbedingungen
Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie, Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke, skizzierte Rahmenbedingungen und Inhalte des erasmusbasierten Weiterbildungskonzepts für die Kiefererorthopädie. Das Konzept sei international anerkannt und mache den Kollegen im In- und Ausland wettbewerbsfähig.
Prof. Dr. Peter Rammelsberg, Präsident der VHZMK, umriss die heutigen Rahmenbedingungen in der Hochschule. Sowohl in der Forschung wie auch in der Lehre herrschten Defizite, eine Novellierung der überalteten Approbationsordnung sei dringend erforderlich.
Das Thema Aus-, Fort- und Weiterbildung wurde von den Delegierten eingehend beraten. Sie stimmten unter anderem dafür, die Qualität in diesen Bereichen zu sichern. Ferner forderten sie die Länder auf, der Novellierung der AOZ zuzustimmen und dabei die angedachte Kosten- und Kapazitätsneutralität aufzugeben. In den Weiterbildungsgebieten KFO und Oralchirurgie sollen keine Masterstudiengänge eingeführt werden. Über die bereits etablierten Titel hinaus sollen keine weiteren Fachzahnarzttitel etabliert werden.
GOZ und HOZ
Ein weiteres Schwerpunktthema der Diskussionen in München war der Komplex GOZ/HOZ. Präsident Engel verwies auf die Honorarordnung der Zahnärzte (HOZ), die inzwischen auf ihre fachliche und betriebswirtschaftliche Aktualität überprüft und anlässlich der Bundes-versammlung in einer aktualisierten Neuauflage vorgelegt wurde. Dr. Axel Seidel, Geschäftsfeldleiter Public Management bei der Prognos AG, stellte den Delegierten das Daten-Update der HOZ mit deren Auswirkungen für eine Modellpraxis vor.
Das Plenum diskutierte ausgiebig und fasste mehrere Beschlüsse. Begrüßt wurde unter anderem die im Koalitionsvertrag niedergelegte Ankündigung für die Anpassung einer neuen Gebührenordnung an den zahnmedizinischen Fortschritt und die Berücksichtigung der Kostenentwicklung. Der Verordnungsgeber wurde aufgefordert, die Novellierung der GOZ nun unverzüglich in Angriff zu nehmen.
In den Beratungen über den Haushalt wurde dieser als ausgeglichen festgestellt und dem Vorstand Entlastung erteilt. Für die gute und reibungslose Organisation in München sorgten der Gastgeber, der bayerische Kammerpräsident Michael Schwarz und sein Team, sowie die BZÄK-Verwaltung in Berlin.