Elektronische Gesundheitskarte

Praktikabilität erwünscht

Am 25. Mai fand auf Initiative von FDP und Grüne im Bundestag eine Anhörung zur elektronischen Gesundheitskarte (eGK) statt. Mit dem Ziel, das Projekt grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen. Wichtigstes Ergebnis: Die Datenschützer sehen zwar keine Mängel mehr hinsichtlich der vormals großen Knackpunkte Datenschutz und -sicherheit – genereller Verbesserungsbedarf besteht nach Ansicht der geladenen Experten aber trotzdem.

Wenngleich der Einsatz der Telematik im Gesundheitswesen für einfachere Abläufe und eine bessere Versorgung sorgen könne, seien mit der Übermittlung und Speicherung sensibler Gesundheitsdaten dennoch Gefahren verbunden, verdeutlichte die FDP und fordert deshalb ein Moratorium. Die Grünen wollen insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbrieft wissen. Entsprechende Anträge im Bundestag werden beide Parteien stellen. Die Sachverständigen betonten allerdings das hohe Sicherheitsniveau – der Datenschutz sei bei der eGK sogar in höchstem Maße gewährleistet.

Gerade im EU-Vergleich sei die von der gematik geplante Telematikinfrastruktur in Sachen Sicherheit und Datenschutz weltweit führend, stellte etwa Prof. Dr. Peter Haas von der FH Dortmund fest. Nichtsdestotrotz bemängelte er, dass man anfangs vor allem Anwendungen vorangestellt hätte, die den Ärzten keinen Mehrwert bringen – siehe e-Rezept. Dass, wie von den Liberalen gefordert, Dritte keinen Zugriff auf die Gesundheitsdaten erhalten sollen, sei im SGB verankert und bereits technisch abgesichert, erklärte Haas. Weil die Medizindaten verschlüsselt abgelegt und nur unter Einsatz der eigenen eGK wieder lesbar gemacht werden können, liege die Verfügungshoheit zumindest technisch gesehen tatsächlich beim Patienten, ergänzte der Landesbeauftragte für den Datenschutz Schleswig-Holstein, Dr. Thilo Weichert. Wichtigstes Ziel bliebe freilich die gesicherte Punkt-zu-Punkt-Kommunikation zwischen Ärzten – darunter fällt zum Beispiel die vertrauliche Übermittlung von Arztbriefen.

Ungewohnt positive Töne hörte man selbst von eingefleischten Kritikern der Karte: „Die elektronische Gesundheitskarte ist insofern vorbildlich, als dass der Datenschutz sehr weit nach vorn gestellt wird“, sagte Andreas Bogk vom Chaos Computer Club (CCC). Dennoch hält er es für bedenklich, dass mit den Krankenkassen ausgerechnet der Player mit dem höchsten Interesse an den Daten die Karte produziert. Und damit entscheidet, wer den Schlüssel erzeugt, mit dem die Daten verriegelt werden. Darüber hinaus sei völlig unklar, wie man jene beim Verlust der eGK sicher erhalten kann. Das Treuhänderkonzept, demzufolge irgendwo ein Duplikat des Schlüssels verwahrt wird, biete statt einer Lösung nur neues Angriffspotenzial.

Die Zahnärzteschaft muss die Einschätzung der Datenschützer und Experten für sich akzeptieren. Eine nachhaltige Überprüfung der Gesamtkonzeption, wie von Liberalen und Grünen verlangt, halten KZBV und BZÄK indes nach wie vor für angebracht. „Gesetze sind das eine. Sie mögen auf den ersten Blick logisch erscheinen“, erläuterte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Günther E. Buchholz. „Viel wichtiger ist aber, wie die dort fixierten Konstruktionen gelebt werden. Das heißt, wie praktikabel sie im Alltag sind.“ Wenn es beispielsweise zehn Minuten dauert, bis man die elektronische Patientenakte (ePA) auslesen kann, gerät die gesamte Terminplanung durcheinander und verschlingt viel Zeit von der eigentlichen Arbeit des Arztes: der Behandlung. Im Praxis-Check versagt auch die sechsstellige PIN – unbrauchbar für Ärzte und Patienten, weil sehr schwer zu merken. „Die Kollegen haben kein Verständnis dafür, dass die Karte nach den ernüchternden Tests in dieser Form ausgerollt wird“, resümiert Jürgen Herbert, Telematikexperte der BZÄK und Präsident der LZÄK Brandenburg. Klar, dass man nur dann bei den Leistungsträgern eine Akzeptanz für die Karte schafft, wenn man sie in die Entscheidungen einbezieht. „Entscheidender Faktor bleibt die Freiwilligkeit der Nutzung – für die Patienten wie auch für die Mediziner“, fügt Buchholz hinzu. Ebenfalls zwingende Voraussetzung für eine Optimierung der Abläufe: geordnete Testverfahren mit gründlicher Evaluation und Nutzung der Ergebnisse. Dabei sollte man spezifische Funktionen der eGK immer im Zusammenhang des Gesamtprojekts prüfen, so Herbert. Damit deckt sich die Haltung der Zahnärzteschaft mit der der Bundesärztekammer: Hauptforderungen der Delegierten auf dem Deutschen Ärztetag 2009 in Mainz waren bekanntlich die freiwillige Nutzung sowie ergebnisoffene Tests der Karte.

Zentrale Fragen ungeklärt

Geklärt werden muss natürlich auch: Wo und wie werden welche Daten gespeichert? Geht es nach dem gesetzlich verankerten Grundsatz der Datenvermeidung und -sparsamkeit, sollte man eben keine riesigen Datenberge zentral anhäufen. Um diese und die damit einhergehenden Begehrlichkeiten zu vermeiden, könnte man neben den Versichertendaten die wichtigsten Infos direkt auf dem Chip ablegen und dazu, die besagte elektronische Kommunikation unter den Ärzten ausbauen. „Was die Gefährdung betrifft, ist es natürlich egal, ob die Informationen auf einem oder 100 verschiedenen Servern verteilt gespeichert sind – Missbrauch ist hier wie dort nicht ausgeschlossen“, erläutert Buchholz. „Wir plädieren deshalb dafür, dass die Daten dezentral in der Hand des Patienten liegen. Möglich ist die Datenaufbewahrung nämlich auch direkt auf der eGK. Karten mit ausreichendem Speicherplatz gibt es bereits.“ Diese Forderung bekräftigt auch Herbert: „Eine dezentrale Datenhaltung ist im Interesse der Patienten wie auch der Zahnärzteschaft.“ Herbert weiter: „Die Anwendungen müssen jedoch freiwillig sein – das gilt besonders für die Online-Anbindung. Wogegen wir uns wehren, ist das Auslesen der verschlüsselten Versichertenstammdaten mit dem Online-Status der Zahnarztpraxen zu verknüpfen.“

Alle weiteren Anwendungen der eGK sind bisher noch komplett ungeklärt – hier ist man in der Pflicht, sämtliche Spielarten vorher zu prüfen. Buchholz: „Nehmen wir die ePA: Es besteht die Gefahr, dass der Mediziner für die Durchsicht zu viel Zeit benötigt – auf Kosten des Patienten.“ Was passiert zudem, wenn der Arzt einen Eintrag übersieht? Muss er dann im Ernstfall haften? Eine indiskutable Lösung – und zwar aus Sicht der Ärzte und Patienten. „Geordneter, sachgerechter und zeitlich realistischer – so sollte das Verfahren für den Rollout aussehen“, bringt es Buchholz auf den Punkt.

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