Tanker mit Schlagseite
Rund ein Drittel der weltweiten Containerschiffsflotte wurde nach Angaben des Verbands für Geschlossene Fonds von mehr als 1 000 deutschen Fonds finanziert, in die über 275 000 zum überwiegenden Teil deutsche Anleger investiert haben. Das Fondsvolumen betrug mindestens 49 Milliarden Euro bei einem eingeworbenen Eigenkapital von rund 19,5 Milliarden Euro. Nach dem Einbruch im Herbst 2008 ist das geplante Platzierungsvolumen 2009 nochmals um 52 Prozent auf 469 Millionen Euro zurückgegangen. Nach Einschätzung der HSH Nordbank befinden sich die drei großen Marktsegmente Container, Bulker und Tanker bis weit ins laufende Jahr hinein und möglicherweise auch 2011 in einer Abschwungphase. Die Verluste der Linienreeder in 2009 werden von Experten auf etwa 14 bis 17,5 Milliarden Euro geschätzt. Weltweit gibt es derzeit mit rund 4 500 Containerschiffen ein erhebliches Überangebot, nach Fertigstellung der in Bau befindlichen werden es mehr als 5 000 sein.
Steuerliche Anreize und üppige Provisionen
Jahrelang haben Schiffsfonds nicht nur von der starken Zunahme des Welthandels profitiert – auch steuerlich waren Schiffsbeteiligungen interessant. Ab 1999 konnten Schiffsfonds zugunsten der Tonnagebesteuerung optieren, einer günstigen pauschalen Gewinnermittlung, die sich an der Nettoraumzahl orientiert, also an der Tonnage des jeweiligen Schiffes. Allerdings werden Anleger bei Schiffsfonds mit erheblich höheren Weichkosten als bei vergleichbaren geschlossenen Fonds belastet. Nach der deutschen Ratingagentur Scope betrugen die durchschnittlichen Weichkosten bei Schiffsfonds auf das Anlegerkapital inklusive Agio 22,1 Prozent. Bei inländischen Immobilienfonds betragen sie 18,3 Prozent, bei ausländischen 15,6 Prozent. Teil der Weichkosten sind auch die sogenannten Kick-Back-Zahlungen, die als Rückvergütung für die Vermittlung von Fondsbeteiligungen gezahlt werden. Die drei Faktoren starkes Wachstum im Schiffsverkehr, steuerliche Vorteile und hohe Vermittlungsprovisionen haben vor dem Hintergrund einer weltweit expandierenden Liquidität durch „billiges Geld“ zur derzeitigen weltweiten Überversorgung mit Frachtern geführt.
Fonds in Schieflage – Folgen für Anleger
Die Schätzungen, wie viele Schiffe und Fonds sich derzeit in wirtschaftlicher Schieflage befinden, sind je nach Quelle unterschiedlich: Experten gehen davon aus, dass rund 100 Gesellschaften keine Tilgungen mehr leisten. Bei nahezu allen großen Fondsanbietern befinden sich Teile der Flotte in wirtschaftlichen Problemen. Man spricht von 250 der mehr als 1 000 Schiffsfonds. Aktuell sind dreizehn Fonds bereits insolvent. Eine deutliche Besserung der Situation ist nicht in Sicht. Es ist sogar davon auszugehen, dass sich die Lage mit der Ablieferung weiterer Schiffsneubauten und einer nur langsamen Belebung des Welthandels insbesondere für die älteren, kleinen Containerschiffe weiter verschlechtert.
Für die Anleger bedeutet dies, dass sie möglicherweise mit Nachschussforderungen konfrontiert werden, um über die aktuelle Durststrecke hinwegzuhelfen. Nachschüsse zu leisten macht für den Anleger allerdings nur dann Sinn, wenn die wirtschaftlichen Perspektiven des betreffenden Fonds langfristig gesichert sind. Denn bei einer Insolvenz der Fondsgesellschaft muss der Anleger, der sich als Kommanditist beteiligt hat, die erhaltenen Ausschüttungen nach § 172 Abs. 4 HGB bis zur Höhe seines im Handelsregister eingetragenen Haftkapitals zurückzahlen. Die Veräußerung von Beteiligungen über den Zweitmarkt ist für den Anleger meist nicht mehr möglich, da die wirtschaftlichen Perspektiven in den Marktpreis einfließen und die Umsätze auch in diesem Markt drastisch zurückgegangen sind.
Ansatzpunkte für rechtliche Konsequenzen
Ein zentraler Ansatzpunkt für die rechtliche Prüfung ist eine mögliche Inanspruchnahme des Anlageberaters oder -vermittlers bei fehlerhafter Anlageberatung. Dabei lässt sich die aktuelle Kick-Back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei Verschweigen der erhaltenen Rückvergütungen auch auf Schiffsfonds anwenden. Anlageberater haben Zuwendungen in jeglicher Höhe anzugeben. Außerdem können sich Anleger bei unrichtigen Prospektangaben gegenüber den Prospektherausgebern und -verantwortlichen, der Emittentin und der Treuhandkommandistin auf Prospekthaftungsansprüche berufen.
Rückabwicklung einer Beteiligung
Ein Zahnarzt aus dem süddeutschen Raum hatte sich Ende 2004 mit einer fremdfinanzierten Einlage in Höhe von 105 000 Euro inklusive fünf Prozent Agio an einem geschlossenen Schiffsfonds beteiligt. Allerdings war das im Jahre 2004 erworbene Schiff bereits in einem desolaten Zustand und diesem wurde die im Prospekt dargestellte Klassifizierung aberkannt. Zudem gab es hausgemachte Probleme bei der Vercharterung. Das Schiff wurde mehrmals von Gläubigern arrestiert. In diesem Fall ergaben sich aufgrund offensichtlicher Falschangaben verschiedene Ansatzpunkte für rechtliche Schritte:
• Schadensersatzhaftung des Anlageberaters wegen fehlerhafter Beratung.
• Ferner eine Schadensersatzpflicht aus Prospekthaftung sowie eine deliktische Haftung der Prospektherausgeber und Initiatoren.
• Aufgrund der fehlerhaften Widerrufsbelehrung ist zudem an einen Widerruf des Darlehensvertrags zu denken, der zusammen mit der Beteiligung ein verbundenes Geschäft darstellt.
• Sofern eine arglistige Täuschung durch den Berater nachgewiesen werden kann, kommen auch Schadensersatzansprüche gegen die anteilsfinanzierende Bank im Wege des sogenannten Einwendungsdurchgriffs oder als Schadensersatzanspruch in Betracht.
Anwaltskosten und Verfahrensdauer
Bei anwaltlicher Unterstützung ist eine Rechtsschutzversicherung hilfreich, die aber nur dann eintritt, wenn sie bereits bei Schadenseintritt bestanden hat, also bei Zeichnung der Schiffsbeteiligung oder vorher mit dreimonatiger Wartezeit. Anwaltskanzleien, die auf die Vertretung von geschädigten Anlegern spezialisiert sind, rechnen in der Regel ihre Tätigkeit nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ab. Eine mündliche Erstberatung oder schriftliche Erstbewertung ist schon für einen Pauschalsatz von 250 Euro zu haben. Bei einem Gegenstandswert von 50 000 Euro würde eine durchschnittlich umfangreiche Tätigkeit nach RVG eine Gebühr in Höhe von 1 890,91 Euro auslösen. Bei außergerichtlichem Vergleich wird zusätzlich eine Einigungsgebühr in gleicher Höhe abzüglich der Auslagenpauschale erhoben. Großer Vorteil der Bearbeitung durch eine spezialisierte Anlegerschutzkanzlei ist, dass sie bei Massenfällen aus Eigeninteresse umfangreiche Hintergrund-Recherchen durchführt und nicht rechtsschutzversicherte Mandanten kein Klagverfahren bestreiten müssen, wenn genügend andere mit einer Rechtsschutzversicherung für Muster- oder Pilotverfahren zur Verfügung stehen. Bei einer außergerichtlichen Vertretung muss sich der Anleger auf eine Dauer von ein bis zwei Jahren einstellen. Beim Klagverfahren ist pro Instanz im Durchschnitt mit einem Jahr Dauer zu rechnen. In der Regel durchlaufen die Verfahren maximal zwei Instanzen, Revisionsverfahren sind eher die Ausnahme.
Peter Hahn, M.C.L.Fachanwalt für Bank- und KapitalmarktrechtAm Kaiserkai 1020457 Hamburg