Zero Art auf dem Kunstmarkt

Von Null auf Hundert

sg
Nach dem Hype um Neo Rauch und die Leipziger Schule sowie den explodierenden Preisen für Künstler wie Jonathan Meese scheint der Kunstmarkt auf hohem Niveau etwas zur Ruhe zu kommen. Sammler, Museen, Anleger und Galeristen besinnen sich auf die Qualität der Kunst, die vor rund vierzig Jahren die Welt bewegte. Die Zero-Künstler Mack, Piene und Uecker erfahren endlich die längst verdiente Wertschätzung.

Es war ein Zufall, der den Unternehmer Gerhard Lenz und seine Frau Anne zu einer der bedeutenden Kunstsammlung verhalf. Anfang der sechziger Jahre besuchte er eine Ausstellung der Zero-Gruppe in Düsseldorf. Auf Anhieb faszinierte ihn die ganz auf die Schwingungen des Lichts im Raum konzentrierte Kunst. Ihre puristische Erscheinung und die meditative Ausstrahlung nahmen ihn so gefangen, dass er gemeinsam mit seiner Frau eine umfassende Sammlung mit rund 600 Werken der Zero-Künstler und ihrer ausländischen Mitstreiter zusammentrug. Um die Schätze für die Erben zu ordnen und eine Stiftung zu gründen, beschlossen sie, sich von einem Teil der Stücke zu trennen. 49 der Werke kamen am 10. Februar 2010 bei Sotheby’s in London unter den Hammer. Der Schätzwert der Bilder lag bei zwölf Millionen Pfund. Am Ende des Tages hatte die Sammlung ihren Wert mit 23,2 Millionen Pfund beinahe verdoppelt.

Bei vier Millionen Pfund fiel der Hammer für Yves Kleins Feuerbild „F 88“ und für ein Kupferbild des italienischen Künstlers Lucio Fontana „Concetto Spaziale“ von 1962 bei 2,8 Millionen Pfund. Bei den deutschen Zero-Künstlern erzielte Günther Uecker mit seinem Nagelbild „Haar der Nymphen“ seinen bisherigen Preisrekord mit 825 250 Pfund. Mit 223 259 Pfund für ein Rauchbild konnte Otto Piene den Marktwert sogar verdreifachen. Zero hatte sich damit endlich auf dem internationalen Kunstmarkt etabliert. Für Lenz eine Bestätigung. Gegenüber der Kunstzeitschrift „Art“ äußerte er sich nach der erfolgeichen Auktion auf die Frage, ob es noch eine andere Kunstrichtung gibt, die ihn auch interessiert hätte: „Für mich geht’s, wenn überhaupt, nur zurück. Denn Zero hat so eine hohe Qualität, das ist durch nichts, was danach gekommen ist, auch nur annähernd erreicht worden. All die hoch gepushten Namen, die heute Millionen kassieren, wandern in zwanzig, dreißig Jahren in die Keller der Museen.“

Lange unterschätzt

So ähnlich urteilt auch Robert Ketterer, Chef des gleichnamigen Münchner Auktionshauses: „Die Werke der Zero-Gruppe waren lange unterschätzt, doch in der Retrospektive sieht man die Dinge meist viel klarer. So werden die Werke jetzt, ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung, mit der ihnen gebührenden Aufmerksamkeit bedacht.“

Ihren Stellenwert innerhalb der Kunstgeschichte begründeten die drei Künstler mit einem radikalen Neuanfang. Am 24. April 1958 beschlossen die Düsseldorfer Künstler Heinz Mack und Otto Piene, ihren Vorstellungen von einer neuen Kunst einen Namen zu verleihen: Zero. Ihre Idee war es, den Ballast der Nachkriegskunst abzuwerfen und bei „Null“ wieder anzufangen. Zero sollte eine Phase des Schweigens sein, in der der Nachkriegszustand in einen Neuanfang übergeht. Otto Piene formulierte es so: „Wir dachten an den Countdown vor dem Raketenstart – Zero ist die unmessbare Zone, in der ein alter Zustand in einen unbekannten neuen übergeht.“

Die Ideen von Piene und Mack zeigten Einflüsse des französischen Künstlers Yves Klein (monochrome Bilder in Blau) und der beiden Italiener Piero Manzoni und Lucio Fontana, der Spezialist für aufgeschlitzte Leinwände. Mit dazu zählte auch Jean Tinguely mit seinen Maschinen, der „die malerische Geste durch die mechanische Bewegung ersetzt hatte“ (Piene). Alles Figürliche wurde auf die Klarheit der Farbe und die dynamische Lichtschwingung im Raum reduziert.

1963 schloss sich Günther Uecker dem Bund an. Er fühlte sich und seine Vorstellungen von Kunst in dieser Umgebung am besten verstanden. Zusammen haben sie neue Maßstäbe in der Kunst des 20. Jahrhunderts gesetzt. Der Kölner Galerist Heinz Holtmann, der sich von Beginn an mit Zero beschäftigte, unterstreicht die Bedeutung dieser Kunstströmung und ordnet sie so ein: „Zero war die wichtigste Entwicklung in der Kunst in Europa.“ Seiner Meinung nach kann die Bedeutung dieser Künstler nicht hoch genug eingeschätzt werden. 1966 trennte sich das Trio ganz bewusst mit einer Feier auf dem Bahnhof Rolandseck. Von nun an ging jeder seiner Wege und verfolgte verstärkt seine eigenen Vorstellungen.

Das Licht zum Tanzen gebracht

Besonders der 1928 im westfälischen Laasphe geborene Otto Piene setzte und setzt sich künstlerisch mit dem Element Licht auseinander. Der studierte Künstler und Philosoph präsentierte 1959 seine Werke erstmals in einer Einzelausstellung in der Düsseldorfer Galerie Schmela. Kinetische Objekte, die das Licht zum Tanzen bringen, Gemälde, die ihre Strukturen durch die Bearbeitung mit Feuer und Rauch erhalten aber auch Grafiken, die sich mit dem Thema Sonne auseinandersetzen, machten ihn bekannt. 1964 geht er als Lehrer an die Universität von Pennsylvania und anschließend an das Massachusetts Institute von Pennsylvania (MIT). Dort hat er eine Professur für Umweltkunst. Zur Olympiade 1972 in München konstruierte er einen riesigen Heißluftballon, der sich wie ein Regenbogen über das Stadion spannte. Zurzeit stellt das Dürener Leopold Hoesch-Museum ein Lichtballett aus der der Sammlung von Hubertus Schoeller, Mitbegründer der Zero-Foundation, aus. Noch bis März sind dort keramische Arbeiten zum Thema Feuer zu sehen. Antonia Lindner von der Galerie Bode in Nürnberg ordnet Piene ein: „Ich halte ihn für den wichtigsten Künstler der Zero-Gruppe. Allerdings hat er sich nicht wie seine Kollegen jemals um den Kunstmarkt gekümmert. Deshalb sind seine Werke vergleichsweise günstiger.“ Die Galerie bietet ein Ölbild von Piene von 1988 an, das mit Rauch und Feuer bearbeitet ist. Grafiken aus der Serie „Pax“, Auflage 55, kosten 594 Euro, das Motiv „Butterfly blue“, Auflage 28, gibt es für 1045 Euro.

Strukturiertes Metall und Glas

Galerist und Zero-Spezialist Holtmann räumt besonders Heinz Mack große Bedeutung ein. Im nächsten Jahr bekommt der im hessischen Lollar geborene Künstler zum 80. Geburtstag seine große Retrospektive in der Bundeskunsthalle in Bonn. Licht und Raum bestimmen das Werk Macks. Seit 1969 entwickelt er Lichtreliefs und kubische Objekte aus strukturiertem Metall und Glas, die auf die Brechung des Lichts zielen. Zum Teil sollten Motoren „das Licht zum Vibrieren“ bringen. Spektakulär war sein künstlicher Lichtgarten, den er 1968 auf elf Meter hohen Stelen in der Sahara installierte. Wie seine Zero-Kollegen nahm er an der Documenta in Kassel und der Biennale in Venedig teil. Seine Installationen für den deutschen Pavillon bei der Weltausstellung in Osaka bescherten ihm eine Professur an der dortigen Universität. Seitdem Mack einen Teil seiner Zeit auf Ibiza verbringt, gestaltet er seine Bilder wieder farbig auf Leinwand. Er lässt Farben unmerklich ineinander übergehen – er folgt seinem Prinzip „der farbigen Chromatik“. Wie bei Piene und Uecker liegen die Preise für Werke aus der Zeit bis zum Trennungsjahr 1966 höher als für spätere Werke. Bei Holtmann kostet ein weißes Reliefbild „Weiße Vibration“ von 1958, Acryl auf Holz, 210 000 Euro, die „Silberflügel“ von 1963 liegen bei 30 000 Euro, farbige Grafiken von 1996 in 50er Auflage sind für 2 000 bis 3 000 Euro zu haben. Beim Auktionshaus Ketterer in München brachte ein Unikat mit dem Titel „Structure dynamique noire“, von 1962 im Juni dieses Jahres 73 200 Euro (inklusive Aufgeld).

Mit Nägeln Schwingungen sichtbar machen

Der dritte im Bunde Günther Uecker feierte bereits im März 2010 seinen 80. Geburtstag. Geboren in Mecklenburg-Vorpommern kam er nach seinen Studien der Malerei in Wismar und Berlin 1955 nach Düsseldorf an die Kunstakademie. Dort ist er selbst seit 1974 als Lehrer tätig. Als Künstler beschäftigt er sich mit Lichtmedien, erforscht optische Phänomene, Strukturreihungen und Schwingungsbereiche, die den Betrachter aktiv mit einbeziehen. Bereits seit Anfang der sechziger Jahre, verstärkt aber seit dem Ende von Zero 1966, setzt er Nägel als sein Hauptgestaltungsmittel ein. Er übernagelt Möbel, Instrumente, Haushaltsgegenstände und kombiniert dann die Nägel mit seinem Lichtthema. Typisch für ihn ist die Spirale als Form in seinem Werk. Er will aber die Nägel nicht als solche verstanden wissen, sondern nutzt sie als Mittel um „eine Schwingung zu erreichen, die ihre geometrische Ordnung stört.“ Er orientiert sich stark an asiatischen Kulturen und ihrem Gedankengut. Ein Höhepunkt seiner Karriere dürfte die Gestaltung des Andachtsraums im Berliner Reichstagsgebäude gewesen sein.

Wie seine Kollegen erzielt er auf dem Kunstmarkt hohe Preise. So fiel in der Juni-Auktion bei Ketterer der Hammer für ein Spiral-Bild von 1998 bei 170 800 Euro (inklusive Aufgeld). Der Schätzpreis lag bei 80 000 Euro. Begehrt sind auch seine Grafiken. Diese Prägedrucke entstehen durch das Pressen von Nägeln gegen Büttenpapier. Das besonders schwere Papier erlaubt sehr gute Abdrücke. Die Preise dafür beginnen bei etwas mehr als 2 000 Euro (Galerie Zimmermann & Heitmann in Dortmund). Bilder von Uecker stehen aktuell immer wieder in den Auktionen bei Ketterer in München zum Gebot. Dann dürfte sich der Aufwärtstrend bestätigen.

Auch frühere Werke begehrt

Ob die Preise für die jüngeren Werke gleichziehen werden, wird man sehen. Robert Ketterer, Chef des Auktionshauses, meint dazu: „Solange noch Arbeiten aus den 1960er Jahren auf dem Markt gehandelt werden, werden diese Spitzenstücke von internationalen Sammlern umkämpft sein und jüngere Werke haben das Nachsehen. Verknappt sich aber die Ware, dann stehen sicherlich die in den 1970er Jahren entstandenen Objekte auch bald auf den Einkaufslisten. Azyklische Sammler sehen sich daher schon jetzt die Arbeiten aus den siebziger und achtziger Jahren dieser Künstler sehr genau an.“

Die Kunsthistorikerin und Kunstvermittlerin Ilona Loseck, die einen Teil der Grafiken aus dem Bestand des Sammlers Hubertus Schöller verkauft, hat sich ebenfalls mit der Einordnung von Zero auseinandergesetzt. Sie kommt zu dem Resultat: „Sammler, die sich für die Werke der Zero-Künstler begeistern, bekommen Kunst, deren Wert nicht mehr sinken wird. Wer aber zum Beispiel 250 000 Euro für ein Bild von Jonathan Meese ausgibt, weiß nicht, ob er dieses Geld noch einmal zurückbekommen wird.“

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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