BGH-Urteil

ZE unterm Hammer

Das Zahnersatz-Auktionsportal „2te-Zahnarztmeinung.de“ verstößt nicht gegen das Gesetz. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH). „Der 1. Dezember ist ein schwarzer Tag für die Patienten“, kommentierte KZVB-Chef Dr. Janusz Rat das Urteil. Er hatte mit seinem Kollegen Dr. Martin Reißig gegen das Portal geklagt.

Darf man Gesundheitsleistungen wie auf einem Marktplatz verhökern? Nein, befanden zuvor das Landgericht München I und das OLG München. Und gaben der Unterlassungsforderung der KZVB statt. Die obersten Richter in Karlsruhe hoben diese Urteile nun aber auf und wiesen die Klage ab. Das heißt: Patienten dürfen Heil- und Kostenpläne „versteigern“.

Nach Ansicht des Gerichts hat nämlich jeder Patient das Recht, mit dem HKP zu einem anderen Zahnarzt zu gehen mit der Frage, ob der nicht ein besseres Angebot in petto hat. Nichts anderes passiere auf der Internetplattform. Zahnärzte, die dort ihre Kostenschätzungen abgeben, handelten daher nicht unkollegial, sondern im Interesse der Patienten, so die Richter. Sie wiesen den Vorwurf zurück, dass der Betreiber dafür bezahlt wird, den Ärzten Patienten zuzuführen – dieses Geld sei nur für den Service, Ärzte und Patienten in Kontakt zu bringen.

Welcher Arzt schließlich den Zuschlag erhalte, stehe nicht in der Verantwortung des Portals. Das Geschäftsmodell 2te-Zahnarztmeinung.de ermögliche dem Patienten sogar, weitergehende Informationen zu den Behandlungskosten zu erhalten.

Patient als Handelsware

Für Rat setzt das Urteil genau deshalb ein grundfalsches Signal: „Der BGH lässt zu, dass medizinische Behandlungen nach dem eBay-Prinzip versteigert werden. Doch Patienten und zahnärztliche Behandlungen sind keine Handelsware, auf die man im Internet ein Gebot abgibt.“ Rat: „2te-Zahnarztmeinung.de ist ein gewinnorientiertes Unternehmen, das sein Geschäft auf dem Rücken von Zahnärzten und Patienten macht. Die Umsätze, die dort erzielt werden, fehlen bei der Patientenversorgung.“ Äußerst bedenklich sei zudem, dass Zahnärzte auf dem Auktionsportal Preise für eine Behandlung angeben, ohne vorher einen Blick in den Mund des Patienten geworfen zu haben. Ein Therapievorschlag ohne vorherige gründliche Untersuchung und Diagnose sei mit der Ethik des Zahnarztberufes nicht vereinbar.

„Wer eine Schnäppchenmentalität in die Medizin einführt, gefährdet die Versorgungsqualität. Das kann nicht im Interesse der Patienten sein“, bekräftigt auch der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz. Zwischen vermeintlich geringfügigen und schweren Eingriffen werde es irgendwann keine Grenzziehung mehr geben. Fedderwitz: „Kommt nach der Zahnbehandlung das Sonderangebot für den Kaiserschnitt und die Herz-Operation?“ Um dem Bedürfnis des Patienten nach Information und Transparenz nachzukommen, brauche man nichtkommerzielle, neutrale Beratungsstellen mit fundierter Fachkenntnis. Fedderwitz: „Die KZVen haben deshalb mit www.zahnarzt-zweitmeinung.de eine Zweitmeinungsinstanz aufgebaut, bei der sich der Patient kostenfrei eine zweite Meinung einholen kann.“

Dass die Entscheidung für einen Zahnarzt von sehr viel mehr Faktoren als dem Preis abhänge, betont BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel. „Vor allem aber verliert der Patient eine auf Kontinuität und Vertrauensverhältnis basierende, gewachsene Beziehung zu seinem Zahnarzt.“ Engel: „Weder der Patient noch sein Heil- und Kostenplan sind Waren. Der schleichenden Vergewerblichung des Zahnarztberufs ist entschieden entgegen zu treten, auch wenn der BGH mit seiner aktuellen Entscheidung hierfür Vorschub leistet.“

BGHAz.: I ZR 55/08Urteil vom 1. Dezember 2010

OLG MünchenAz.: 6 U 1623/07Urteil vom 13. März 2008

LG München IAz.: 1 HKO 7890/06 – MUrteil vom 15. November 2006

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