Leitartikel

Soziale Verantwortung wahren

Sehr geehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,

als zukunftsweisende Antwort auf die wachsenden Probleme unserer Gesellschaft will uns die Koalition ihre Eckpunkte zur Gesundheitsreform verkaufen. Statt eines großen Wurfs gibt es aber wiederum nur alte Kamellen: Kostendämpfung, weiteren Koalitionsstreit – und viel Stoff für das politische Sommertheater.

Von grundsätzlichen Reformen ist das weit entfernt. Doch wer die zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen meistern will, muss den Blick auf die gesellschaftlichen Realitäten richten und nachhaltige Konzepte anbieten. Medizinischer Fortschritt, eine schrumpfende und älter werdende Bevölkerung, Multimorbidität und die steigende Zahl Pflegebedürftiger bedingen steigende Kosten und erfordern spezifische Lösungen.

Dazu reicht es nicht – wie in den Eckpunkten geschehen –, einseitig auf Markt und Wettbewerb zu schielen und das unter dem Deckmäntelchen des „Sozialen“ zu verkaufen. Sich solidarisch zu zeigen, heißt die Balance zwischen Geben und Nehmen auszutarieren. Unser System der sozialen Marktwirtschaft zielt darauf ab, das Gemeinwohl mit einzubeziehen. Dazu gehört, sich seiner sozialen Verantwortung bewusst zu werden und noch nicht geklärte Probleme aktiv anzugehen. Die zahnmedizinische Versorgung von alten und pflegebedürftigen Menschen und von Menschen mit Behinderungen sind Bereiche, in denen Handeln immer dringlicher wird, wo in der Versorgung aber noch Einiges im Argen liegt.

Das Thema steht bei der BZÄK schon lange auf der Agenda. Zusammen mit der KZBV und der Wissenschaft haben wir jetzt das Konzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ entwickelt, um den oralen Gesundheitszustand dieser Bevölkerungsgruppen dauerhaft und nachhaltig zu verbessern. Es geht um ein risikospezifisches und bedarfsgerechtes Betreuungsangebot an Gesundheitspolitik und Krankenkassen für den vertragszahnärztlichen Bereich. Das Konzept ist bereits auf viel Interesse in der Politik gestoßen. Mit einem Parlamentarischen Abend mit dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages am 26. Oktober werden wir das Konzept weiter in die politische Öffentlichkeit bringen und den Dialog vertiefen.

Soziale Verantwortung zeigt sich in einem weiteren Bereich: Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen gehören zu den Randgruppen, in denen staatliche Fürsorge oft nur mangelhaft greift, auch was die medizinische Versorgung betrifft. Deshalb hat die BZÄK in den vergangenen Jahren verschiedene Initiativen gestartet, um diesen Menschen zu einer adäquaten zahnmedizinischen Versorgung zu verhelfen. Wir unterstützen zum Beispiel die Special Olympics. Vor Kurzem hat die BZÄK eine langfristige Partnerschaft mit dem Healthy-Athletes-Programm „Special Smiles“ (zahnärztliche Beratungen, Screenings und Anleitung zur Zahnpflege bei den Athleten der Special Olympics) besiegelt und eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Besonders hervorzuheben ist die große Gemeinschaftsleistung der vielen freiwilligen

Helfer vor Ort, die interdisziplinäre Vernetzung aller Partner und das hohe Engagement der beteiligten Organisationen, insbesondere der Kammern. Mit dieser Kooperation übernimmt der Berufsstand gesellschaftliche Verantwortung über die Zahnmedizin hinaus.

Wer die hohe Qualität unseres Gesundheitswesens und den Zugang zum medizinischen Fortschritt erhalten will, muss neue Wege beschreiten und eingefahrene Gleise verlassen. Dazu ist klares Handeln angesagt, aber auch eine offene und ehrliche Debatte darüber, was als Motor künftiger Reformen dienen kann. Auch die Kostendebatte steht dabei auf dem Tapet. Hier haben wir Zahnärzte uns bereits erfolgreich eingebracht (Stichwort Festzuschüsse) und können der Politik weitere Modelle und Lösungen anbieten – sozial gerecht und zukunftsgerichtet.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer

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