Kombinierte Koordinierungskonferenz der BZÄK in Kiel

Alters- und Behindertenzahnheilkunde

37 Referenten für Behindertenbehandlung, Referenten für Alterszahnheilkunde sowie Referenten für Präventive Zahnheilkunde und diverse Gäste waren auf Einladung der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein ins Kieler Zahnärztehaus gekommen, um sich dort – in einer Koordinierungskonferenz der Bundeszahnärztekammer – zu informieren, zu diskutieren, sich über einzelne Initiativen der Länder auszutauschen und in der Umsetzung der Fachinhalte einen Weg zu finden, damit dieser dann gemeinsam beschritten werden kann.

Trotz der Vulkanaschewolke, die über viele Tage den gesamten Luftraum Europas lahmlegte, war es geglückt, dass der Koordinator vor Ort, Dr. Michael Brandt, Vizepräsident der Landeszahnärztekammer Schleswig-Holstein, rechtzeitig zurück „ins Land“ kam, um dort die Teilnehmer der BZÄK-Koordinierungskonferenz zu begrüßen. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, brachte die Intention der Veranstaltung in seinen Begrüßungsworten auf den Punkt: „Hier soll eine Optimierung der Kommunikation zwischen den einzelnen Kammern im Bereich Alters- und Behindertenzahnheilkunde erfolgen und wir wollen mit dieser Veranstaltung den Informationsfluss weiter verbessern!“

Um alle Teilnehmer auf den gemeinsamen Arbeitstag einzustimmen, hatte Dr. Sebastian Ziller, Leiter der Abteilung für Prävention und Gesundheitsförderung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Mitorganisator, mit Dr. Thomas Gottschalck, Pflegewissenschaftler aus Oschersleben, einen Referenten präsentiert, der das Thema von der Basis aus, nämlich aus der Sicht der Pflege beleuchtete. Er führte verschiedene Aspekte der Mundgesundheit aus pflegerischer Perspektive aus. Er begann seine Ausführungen mit der Definition des Wortes „Pflege“: „Eigentlich definiert sich diese als Pflege der Gesundheit, dient also der Gesunderhaltung und sollte nicht als Krankenpflege verstanden sein, wie es jedoch häufig der Fall ist.“ Heute stehe hinter dem Begriff „Pflege“ meist aber irrtümlicherweise die Überwindung von Defiziten. Damit gemeint sei das „Selbstständigerhalten“, wie Mobilitätsförderung, Förderung zur Selbstpflege des Körpers und der normalen Körperfunktionen wie Toilettengang und mehr.

Pflegesituation in Deutschland mangelhaft

Dass dies so ist, erklärte er folgendermaßen: Die personelle Situation sei in Deutschland erheblich verbesserungswürdig. Personal mit Migrationshintergrund und damit oft mangelhaften Kommunikationsfähigkeiten sei an der Tagesordnung. Dazu komme eine sehr hohe Fluktuation des Personals, eine persönliche Bindung an eine Pflegeperson ist so gut wie unmöglich. Betrachte man die Mundpflege vor diesem Hintergrund, so sei sie unter der Last der sonstigen Pflegeaufgaben deutlich unterrepräsentiert. Zudem werde sie immer noch als Eingriff in die Intimsphäre des Patienten gesehen und gelte damit für das Pflegepersonal generell als unbeliebte Tätigkeit. Da eine starke Einschränkung der „Mund-Selbstpflegefähigkeit“ bei Patienten mit manueller Einschränkung, demenzieller Symptomatik, Psychopharmaka-Abusus oder auch bei intubierten Patienten auf der Hand liegt, sollte das Bewusstsein für die Notwendigkeit dieser Tätigkeiten dringend verstärkt werden. Gottschalck schlug daher vor, dass bereits bei der Aufnahme in eine Pflegeeinrichtung ein orales Assessment durchgeführt wird, über dessen Ergebnisse die Pflegekräfte dann auch unterrichtet werden. Gemeinsam mit geschultem Mundpflegepersonal solle dann mit regelmäßigem Recall unter Konsultation eines Zahnarztes eine Mundpflegebedingung geschaffen werden, die eine akzeptable Mundgesundheit in individuellem Rahmen schafft.

Gerade diese individuelle Betrachtungsweise sei wichtig, um eine Ko- oder Polymorbidität mit Auswirkungen auf die Mundgesundheit (wie Oligosalie, Parodontopathierisiko bei Diabetikern, Zustand nach Radiatio und mehr) rechtzeitig therapieren beziehungsweise begleiten zu können.

Nach eingehender Diskussion kamen die Teilnehmer zu dem Schluss, dass es sinnvoll wäre, zukünftig auch prothetische Konzepte für Senioren zu überdenken. „Was nützt eine wunderbare Geschiebesituation, die der Patient nicht richtig reinigen kann, und schon gar nicht das Pflegepersonal?“, äußerte sich ein Tagungsteilnehmer.

Curriculum für Pflegeriege und Zahnärzte

Man empfahl schließlich, ein gemeinsames Curriculum von Zahnärzten und Pflegeexperten zu entwickeln, um entsprechende Lerninhalte zu fixieren. Mit diesen Absolventen wäre dann die Bedeutung zahnmedizinischer Expertise im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung und regelmäßiger Recalluntersuchungen in Pflegeeinrichtungen zu stärken. Zusätzlich war man sich einig, dass zukünftig die Kommunikation zwischen zahnärztlichem Berufsstand, Pflegeexperten, Politik und Wissenschaft weiter verstärkt werden soll.

Einzelprojekte mit Pfiff

Nach diesem Grundsatzreferat und einer ausgiebigen Diskussion mit ambitionierter Zielformulierung ging es zu den einzelnen Länderberichten: Dabei zeigte sich erneut, dass vielerorts Alters- und Behindertenzahnheilkunde seit Langem mit großem Engagement und Erfolg umgesetzt wird. Hier einige Beispiele, die durchaus nach Nachahmung verlangen: In Schleswig-Holstein wurde eine Pflegeanleitung für Heimbewohner erarbeitet, die der Zahnarzt ausfüllt und mit seinen individuellen Angaben und Kommentaren an die Pflegepersonen weiterleitet und die dann gemeinsam mit ihnen besprochen wird. Notwendigerweise geschieht dies direkt nach dem Einzug in die Einrichtung. Die Bayern haben umfangreiches neues Pressematerial erarbeitet („Gesunde Kinderzähne“ und „Prophylaxe in der zweiten Lebenshälfte“) sowie auch zu weiteren Themen wie Parodontitis und Implantologie, das allen Interessenten zur Verfügung gestellt werden kann. Hessen hat das Thema des letzten Jahres (Häusliche Gewalt) aufgegriffen und einen Dokumentationsbogen erarbeitet, der jetzt in Praxen einem Pre-Test unterzogen wird. Auf der Dent-Doc-Card für die Kitteltasche stehen Handlungsanweisungen für diese besondere Situation. Auch Mecklenburg-Vorpommern hat bereits einen solchen Doku-Bogen und einen Info-Flyer für den Umgang mit Gewaltopfern. Besondere Beachtung fand ein Kurzreferat von Dr. Imke Kaschke zu den Special Olympics, über die in dieser Ausgabe der zm (siehe Seite 94) umfangreich berichtet wird.

Baden-Württemberg hat sich um die rechtlichen Aspekte im Behandlungsverhältnis bei älteren und behinderten Patienten gekümmert und verweist bei näherem Informationsbedarf auf die Internetseite:www.lzkbw.de/Zahnaerzte/Alterszahnheilkunde/recht.php.

Während Westfalen-Lippe das Thema Altenund Behindertenzahnpflege über seine Landeszeitung an die Zahnärzte herangetragen hat, informierten die Länder Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen in der Patientenzeitschrift „Zahn-Rat“ in vielen Beiträgen Angehörige und das Pflegepersonal.

Diskutiert wurde in Kiel auch das vertragszahnärztliche Konzept zur zahnärztlichen Betreuung von Pflegebedürftigen und von Menschen mit Behinderungen, das BZÄK und KZBV mit Unterstützung der DGAZ und der AG Behindertenbehandlung im BDO aktuell auf die Schiene gestellt haben, über das aber an exponierter Stelle in den zm 12/2010 bereits berichtet wurde.

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