DGP-Frühjahrstagung 2010

Möglichkeiten der rekonstruktiven Parodontalchirurgie

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Heftarchiv Zahnmedizin
Anlässlich ihrer diesjährigen Frühjahrstagung Ende April in Berlin gab die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DGP) wieder einem Team von Weltgeltung die Gelegenheit, ihr Therapiekonzept vorzustellen.

Das Thema hatte gut 250 Teilnehmer in das historische Langenbeck-Virchow-Haus der Berliner Medizinischen Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie gelockt. Prof. Dr. Maurizio S. Tonetti, Genua, und Prof. Dr. Pierpaolo Cortellini, Florenz, beleuchteten die rekonstruktive Parodontalchirurgie insbesondere intraalveolärer Defekte aus allen Blickwinkeln. Die beiden weltweit anerkannten Experten im Bereich der regenerativen Parodontalchirurgie bearbeiteten zwei Tage lang ihr Spezialgebiet. Eingangs fand die theoretische Vorbereitung (Modul 1) auf einen zweitägigen praktischen Kurs zur regenerativen Parodontalchirurgie (Modul 2) statt, der im Oktober dieses Jahres bei Cortellini in Florenz stattfinden wird.

Parodontale Diagnose und Behandlungsplanung

Tonetti eröffnete das wissenschaftliche Hauptprogramm mit einem Rückblick auf die regenerative/rekonstruktive Parodontaltherapie: Trotz erfolgreicher Regeneration waren die Therapieergebnisse aus ästhetischer Sicht oft nicht zufriedenstellend, was viele Parodontologen dazu veranlasste, neue Wege zu gehen. Eine gute rote Ästhetik ist nur durch gesunde Verhältnisse aller beteiligten Gewebe zu erzielen, und selbst im parodontal nicht vorgeschädigten Gebiss kann eine ästhetische Rekonstruktion sich als schwierig darstellen, wenn mehr als eine vestibuläre Rezession die rote Ästhetik stört. In der Prognose des Therapieerfolgs muss zwischen Rezessionen der Miller- Klassen I und II, die meist durch mechanische Traumata verursacht sind, und den Rezessionen der Miller-Klassen III und IV, die als Folge von Parodontitis entstehen und deren Therapieerfolg parodontal stabile Verhältnisse voraussetzt, differenziert werden. Das interdentale Attachment geht häufig durch prothetische Restaurationen verloren. Damit kann aus einer einfachen vestibulären Rezession schnell eine Miller-Klasse III entstehen, deren Deckung sich deutlich schwieriger darstellt. Tonettis Schlussfolgerung war, dass man erfolgreich therapieren kann, solange es sich um vestibuläre Rezessionen handelt („If it is only recession – we are in business!“). Unter Berücksichtigung der Klassifikation für den Verlust an Papillenhöhe auf die Therapie von mehrwandigen und kombinierten Defekten kann festgestellt werden, dass alle intraalveolären Knochendefekte das gleiche regenerative Potential haben, dass jedoch unterschiedliche Materialien zur Anwendung kommen müssen, um eine Rekonstruktion möglich zu machen.

Rekonstruktion der roten Ästhetik bei Rezessionen

Anschließend ging Cortellini auf die unterschiedlichen Verfahren der Rezessionsdeckung ein. Es existieren verschiedene Techniken der Lappenpräparation. Allgemein ist die Gestaltung des Lappens in Dicke, Spannung und Positionierung wichtig. Auf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen zu jedem der drei Parameter können eine Lappendicke von mehr als 0,8 mm, eine Spannung auf den repositionierten Lappen von 0 bis 4 g und eine Positionierung koronal der Schmelz-Zement-Grenze als günstige Voraussetzungen für eine vollständige Wurzeldeckung postuliert werden.

Cortellini diskutierte im weiteren Verlauf die Rezessionsdeckung mittels Bindegewebstransplantat (BGT) und die möglichen Techniken der Lappenpräparation. In Fall-Kontroll-Studien werden Lappentechniken mit der zusätzlichen Anwendung eines BGT verglichen. In einer Nachuntersuchung von ein bis fünf Jahren konnten bessere Ergebnisse unter Anwendung eines BGT erzielt werden. Während der koronal verschobene Lappen nach einem Jahr zu retrahieren beginnt, nimmt die Rezessionstiefe nach Deckung mittels BGT nach einem Jahr stetig ab.

Vertikale Knochendefekte: bessere Prognose

Tonetti demonstrierte Therapiemöglichkeiten bei vertikalen Knochendefekten mit über 75 Prozent Knochenverlust. In Fall-Kontroll-Studien wurden verschiedene Verfahren verglichen. Wichtig ist, eine möglichst stabile Wundheilung zu erreichen. Einfluss auf diese haben patientenbezogene Faktoren, wie Plaquekontrolle, Nikotinkonsum und genetische Prädisposition, aber auch die Defektmorphologie und die chirurgische Operationstechnik.

Die Prognose eines Zahnes kann verbessert werden, wenn man die verwendete Operationstechnik den biologischen Möglichkeiten der Wundheilung anpasst. In der ästhetischen Zone ist es insbesondere wichtig, dass man die Morphologie des Defekts und der beteiligten Weichgewebe in der Planung berücksichtigt und die zur Anwendung kommende Operationstechnik danach ausrichtet. Regenerative Materialien nehmen heute zwar eine wichtige Rolle in der rekonstruktiven Parodontalchirurgie ein, stellen jedoch kein Wundermittel dar. Zwar haben sich die Operationstechniken in den letzten 15 Jahren stark weiterentwickelt und verbessert, jedoch wird man sich auch in Zukunft auf die Optimierung der grundlegenden Behandlungsschritte wie Lappenpräparation, deren Durchführung und Anwendung von regenerativen Materialien sowie die prä- und postoperative Betreuung konzentrieren müssen. Dazu ist auch ein regelmäßiges Training zur Verbesserung der eigenen chirurgischen Fähigkeiten von Bedeutung.

Interdisziplinär: bei Kamm- und Papillendefekten

Zum Abschluss der Frühjahrstagung ging Cortellini auf regenerative Therapiemöglichkeiten bei Weichgewebsdefekten nach Zahnextraktionen und interdisziplinäre Lösungen mit prothetischen oder prothetischimplantattherapeutischen Versorgungen ein. Mithilfe der Rolltechnik werden im vestibulären Bereich akzeptable Lösungen für die rote Ästhetik an Implantaten geschaffen. Durch sogenannte „Onlay Grafts“ mittels BGT wird der Verlust der bukkalen Knochenwand nach Extraktion kompensiert. Im Zusammenhang mit Brückenversorgungen ist vor allem die Gestaltung der Zwischenelemente von Bedeutung, um das transplantierte Weichgewebe in einer provisorischen Modellierungsphase zu formen und eine optimale Ästhetik der interdentalen Papillen auch an den Brückengliedern zu erzielen.

Die vorgestellten Methoden sind jedoch nur dann erfolgreich, wenn alle beteiligten Faktoren berücksichtigt werden. Ein Konzept kann allgemein nur erfolgreich sein, wenn sowohl den Wünschen und Lebensgewohnheiten des Patienten sowie der Defektmorphologie in ihrer gesamten Dimension, aber auch der Wahl der geeigneten Operationstechnik, der Einschätzung der eigenen Möglichkeiten des Behandlers und der optimalen Nachsorge und Betreuung des Patienten Rechnung getragen wird.

Tonetti und Cortellini gelang das Kunststück, praktische Handlungsanweisungen aus ihrer eigenen wissenschaftlichen Arbeit abzuleiten. Dass es dabei an den beiden Tagen zur Wiederholung zentraler Aussagen und der sie begründenden Studien kam, war kein Nachteil. Die Bedeutung einer Studie wie der, die die regenerative Therapie von 25 hoffnungslosen Zähnen mit der nach Extraktion von 25 ähnlich hoffnungslosen Zähnen erforderlichen Behandlung vergleicht und alle Patienten und Defekte zehn Jahre postoperativ verfolgt, kann man erst auf den zweiten Blick begreifen. Die beiden Tage in Berlin haben Lust auf regenerative Parodontitistherapie und das Modul 2 in Florenz gemacht.

Termine

Am 15./16.10.2010 werden zwei praktische Kurse (Modul 2) mit je 16 Teilnehmern zur regenerativen Parodontaltherapie in Florenz in Prof. Cortellinis Praxis stattfinden. Beide Kurse sind bereits ausgebucht.

Die DGP wird ihr Konzept der Frühjahrstagungen fortsetzen: Am 25./26.02.2011 wird die „Göteborger Schule“ in Frankfurt/Main zum Thema „25 Jahre Implantieren im parodontal kompromittierten Gebiss. Wo stehen wir heute?“ Stellung beziehen.

Susanne ScharfProf. Dr. Peter EickholzPoliklinik für ParodontologieZentrum der Zahn-, Mund- undKieferheilkunde (Carolinum)Johann Wolfgang Goethe-UniversitätTheodor-Stern-Kai 760596 Frankfurt am Mainscharf@med.uni-frankfurt.deeickholz@med.uni-frankfurt.de

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