Gesundheitspolitik- Aufbruch oder heiße Luft
„Gesundheitspolitik ist für den Bürger zu wichtig, um zum Spielball der Politik zu werden.“ Wohl jeder der gut zwanzig aus dem Bundesgebiet nach Berlin angereisten Journalisten dürfte mit dieser Forderung des FVDZ-Bundesvorsitzenden Dr. Karl-Heinz Sundmacher konform gehen. Selbst die von Ex- Welt-Chefredakteur Dr. Peter Gillies befragten Bundestagsabgeordneten Dr. Rolf Koschorrek (CDU) und Jens Ackermann (FDP) vermittelten nicht den Eindruck, darüber anders zu denken. Im Gegenteil, Koschorrek will das über 900 Seiten starke SGB V entschlacken: „Da müssen Regelungen weg.“
Keine Änderungen vor dem Jahr 2011
Ackermann möchte am liebsten den Gesundheitsfonds abschaffen und den Krankenkassen ihre Beitragsautonomie zurückgeben. Der FDP-Mann warb für die einkommensunabhängige Gesundheitspauschale.
Dass diese Absichten zur Zeit nicht mit dem politischen Alltag übereinstimmen, ist offensichtlich: Die von den lautstarken Protesten der CSU gerüttelte Koalition tut sich mit der gemeinsamen Umsetzung ihrer jeweiligen Ziele in der Weise, wie es der zwischen den Regierungsparteien abgesprochene Koalitionsvertrag vorgibt, ausgenommen schwer.
Im Detail sind auch CDU und FDP nicht aus einem Guss. Koschorrek beispielsweise hält dem Gesundheitsfonds zugute, dass er Bewegung in die Kassenlandschaft gebracht und hier überflüssige Verbände abgeschafft habe. Auch er will den Kassen die Beitragshoheit zurückgeben, den Gesundheitsfonds allerdings erhalten.
Einig waren sich die beiden Bundestagsabgeordneten auch, dass das Thema Kostenerstattung im Gesundheitswesen einen anderen Stellenwert erhalten soll. Koschorrek: „Das ist nicht auf einen Schlag, aber in Schritten möglich.“ Aber ob Kostenerstattung, Gesundheitsprämie oder andere im Koalitionsvertrag für das Gesundheitswesen relevante Änderungsvorhaben: Beide Parlamentarier sind sich einig, dass das gesetzgebende Verfahren nicht vor 2011 seinen Weg gehen wird.
Wachsende Bedeutung für die Zahnmedizin
Der FVDZ-Bundesvorsitzende bleibt trotz der inzwischen gedämpften Signale aber nicht hoffnungslos. Die Bedeutung des demografischen Wandels sei Motor zum Wandel des Gesundheitswesens und zwinge die Politik zum Handeln. Man müsse sich von der Vorstellung verabschieden, „die finanzielle Versorgung des sozialen Rahmens sei unbegrenzt“. Gerade die Zahnmedizin biete sich als geeignetes Gebiet an, neue Wege zu gehen. Sundmachers Credo: „Eine Gesundheitsprämie ja, aber mit Pflicht zur Versicherung.“
Dass es sich lohnt, gerade auch in der Zahn-Medizin zu neuem Denken anzusetzen, verdeutlichten die Wissenschaftler Prof. Dr. James Deschner (Universität Bonn) und Prof. Dr. Dr. Martin Kunkel (Universität Bochum), die beide auf sehr anschauliche Weise Aspekte der systemischen Zusammenhänge von oraler und anderer körperlicher Gesundheit darstellten.
Die anwesenden Journalisten nahmen als Erkenntnis mit: Gesund beginnt im Mund. Die Zahnarztpraxis spielt als regelmäßiger Anlaufpunkt für die systemische Gesundheit des Patienten eine zunehmend wichtige Rolle. Und der Zahnarzt könne manche Krankheitssymptome oft leichter und direkter erkennen als seine ärztlichen Fachkollegen.
Was für die Journalisten durchaus beeindruckend war, ist in der Konsequenz allerdings auch Auftrag an die Politik. Sundmacher: „Die Zahnmedizin ist ein geeignetes Gebiet, um zu versuchen, ob nicht mit gleichem Einsatz eine Verbesserung möglich ist.“ Klar sei, dass an der Menge der Belastung wenig geändert werden könne. Hier müsse gerade mit Blick auf die demografischen Herausforderungen eine „neue Formel für den richtigen Mix aus Steuern, eigenen Beiträgen und Pflichtbeiträgen“ gefunden werden.