Lieber Taten als Worte
Es sei offenbar nicht immer der richtige Weg, dem Motto „Zähne zusammenbeißen – und durch“ zu folgen, sagte der Minister für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, Norbert Bischoff, in seinem Grußwort. Besser sei es, miteinander im Gespräch zu bleiben und unverbissen zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen. Der neu in das Amt berufene SPD-Minister nahm damit Bezug auf das Thema der wissenschaftlichen Veranstaltung, die sich mit der interdisziplinären Diagnostik und Therapie der kraniomandibulären Funktionsstörungen befasste, versprach aber zugleich auch einen kommunikativen und offenen Politikstil.
160 Zahnärzte aus allen Teilen des Landes waren zu der ersten großen Fortbildungsveranstaltung des Jahres gekommen. Sie hörten mit Genugtuung, dass der Minister seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass die berechtigten Forderungen der Zahnärzte sowohl nach einer Angleichung der Ost- Honorare für vertragszahnärztliche Leistungen an das Westniveau als auch nach einer angemessenen Novellierung der GOZ und der Verabschiedung der neuen Approbationsordnung vom Gesetzgeber recht schnell erfüllt würden. Allerdings scheint er sich in diesem Geschehen eher als Beobachter zu sehen denn als ein Akteur, der eingreifen könnte.
Wenig Optimismus
Taten statt Worte forderte stattdessen Kammerpräsident Dr. Frank Dreihaupt in seinem standespolitischen Statement, in dem er ebenfalls auf diese zentralen zahnärztlichen Forderungen einging. Bezogen auf die aktuelle politische Situation in der Bundesrepublik, mochte er allerdings nur wenig Optimismus verbreiten: Es herrschten Mutlosigkeit, Einfallslosigkeit und Gestaltungsschwäche im Kanzleramt, kritisierte er und meinte – in Anspielung auf das zurückliegende und das angebrochene Jahr der Jubiläen –, der selige Blick in die Vergangenheit solle „uns nicht ablenken von einer gewissen Altersschwäche der Gesellschaft, vom Reformstau und der Apathie der Demokraten“. Es dürfe nicht sein, „dass Feierstunden uns den Blick in die Zukunft verkleistern“.
An diese kritische Einschätzung knüpfte der Festredner des Zahnärztetages, der bekannte Staatswissenschaftler Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim, Speyer, in seinem Vortrag „Gemeinwohl und seine Gefährdungen“ an. In dem von Parteien vereinnahmten Staat sei das Volk entmachtet, so seine These. Er forderte grundlegende Änderungen im politischen System der Bundesrepublik, die den Wählern tatsächlich eine unmittelbare Einflussnahme auf die Politik erlauben und die den eigennützigen Machtgebrauch durch Parteien einschränken. Dazu sei aber das Handeln der Bürger unentbehrlich: „Die Politik ist viel zu wichtig, um sie den Berufspolitikern zu überlassen“, ermunterte er sein Auditorium.
Im wissenschaftlichen Programm (Leitung: Prof. Dr. Dr. Klaus Louis Gerlach, Magdeburg) stellten Prof. Dr. Stefan Kopp, Frankfurt/M., und Dr. Gernot Plato, Rendsburg, sehr praxisnah und überzeugend ihr ganzheitliches Konzept der interdisziplinären Diagnostik und Therapie der kraniomandibulären Funktionsstörungen vor. Sie plädierten dafür, bei chronischen Schmerzen durch CMD in die Ursachensuche mögliche Störungen im ganzen Körper einzubeziehen. Der Zahnarzt müsse mit Orthopäden und mit Physiotherapeuten interdisziplinär zusammenarbeiten – so lautete einerseits der dringliche Appell für die Behandlung der CMD. Andererseits aber räumten die Referenten freimütig ein, dass es gar nicht so einfach sei, einen interessierten und entsprechend qualifizierten Orthopäden zu finden. Die Konsequenz: Um kontrollieren zu können, ob der Orthopäde tatsächlich das Richtige veranlasst und der Physiotherapeut das Richtige tut, müsse der Zahnarzt in der Lage sein, einfache Befunde im sakralen und im zervikalen System selbst zu erheben. Wie – auch das wurde im Vortrag demonstriert.
Sabine FiedlerZahnärztekammer Sachsen-AnhaltGroße Diesdorfer Straße 16239110 Magdeburg