Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Lebensmittelsicherheit sowie von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie und vom Zentrum für Infektiologie und Reisemedizin der Uniklinik Freiburg der bisher umfangreichste Bericht über den Antibiotikaverbrauch und die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Human- und Veterinärmedizin in Deutschland herausgegeben [17]. Im Vorwort zum Antibiotika-Resistenzatlas (Germap) 2008 weisen die Autoren darauf hin, dass wir für unsere Therapieentscheidungen mehr und bessere Daten brauchen – „data for action“ [17].
Bereits seit 2002 existiert eine Stellung- nahme der DGZMK (Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde) zum „Einsatz von Antibiotika in der zahnärztlichen Praxis“ [3], jedoch wurden diese Empfehlungen unter rein wissenschaftlichen Kriterien ohne Hinweis auf die tatsächliche Verordnungsrealität in Deutschland ausgesprochen. Betrachtet man jedoch die zahnärztliche Antibotikatherapie und -prophylaxe in Deutschland, liegen kaum aussagekräftige und verwertbare Zahlen vor. So haben Mengel und Mitarbeiter [27] Mitte der Neunzigerjahre in einer großen Umfrage bei deutschen Zahnärzten die Verordnungshäufigkeit von Antibiotika und die Auswahl der Antibiotika bei verschiedenen Krankheitsbildern analysiert. Knoll et al. [20] erfassten kürzlich erstmals in einer prospektiven Untersuchung die Zahl der Infektionen in einer zahnärztlichen Praxis. In der Einleitung zu dieser Publikation merken die Autoren an, „dass es bisher noch keine validen Referenzdaten für postoperative Wundinfektionen in zahnärztlichen Praxen“ gibt.
Mangelhafte Datenlage
Ebenso liegen zur Zeit „noch keine systematischen Daten zur Resistenzsituation oder gar zur Resistenzentwicklung in der Zahnmedizin“ vor [6]. Auch im Germap 2008 wird nur an wenigen Stellen auf den zahnmedizinischen Bereich verwiesen. So wird lediglich erwähnt, dass die Zahnärzte bei Antibiotikaverordnungen vor den HNO-Ärzten die vierte Stelle aller Facharztgruppen einnehmen [17]. Aktuelle Daten zu Anzahl und Art der zahnärztlichen Antibiotika- verordnungen in Deutschland und im Vergleich zu anderen Fachgruppen liegen bisher nicht vor.
Aktuelle GKV-Analyse
Jetzt konnte erstmals auf der Basis von Daten der „National Prescription Analysis (NPA)“ der Firma IMS Health (IMS Health, Frankfurt) eine umfassende fachgruppenspezifische Analyse der Antibiotikaverordnungen und -umsätze im deutschen Marktsegment der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) durchgeführt werden. Dazu werden die jeweils gegenüber der gesetz- lichen Krankenkasse eingereichten Rezepte von 30 Facharztgruppen, die über die Apothekenrechenzentren abgewickelt werden, ausgewertet. Es handelt sich also um Echtdaten und keine Hochrechnung! Die Apothekenabdeckung beträgt rund 99 Prozent. Der Anteil der Antibiotikaverordnungen im GKV-Bereich liegt in Deutschland zurzeit bei 86 Prozent des Antibiotika-Gesamtmarkts [46]. Die Rohdaten, die dieser Studie zugrunde liegen, umfassen die Anzahl der entsprechend den Verordnungen abgegebenen Antibiotikapackungen in öffentlichen Apotheken im Zeitraum vom 01.09.2008 bis zum 31.08.2009. Zusätzlich wurde der Jahresumsatz für die ausgewählten Anti- biotikagruppen auf der Basis des Herstellerabgabepreises ermittelt. Der Herstellerabgabepreis ist einer von vier Anteilen des Apothekenverkaufspreises (Grafik).
In die Untersuchung wurden folgende Antibiotikagruppen einbezogen:
• Tetrazykline
• Breitspektrumpenicilline (ohne parenteral applizierbare Penicilline)
• Cephalosporine (ohne parenteral applizierbare Cephalosporine)
• Trimethoprim/Sulfonamide
• Makrolide
• Fluorchinolone (oral applizierbare Präparate)
• Schmalspektrumpenicilline
• Carbapeneme
• Glykopeptidantibiotika
Aufgrund der besonderen Relevanz für die Zahnmedizin wurden die Wirkstoffe Amoxicillin und Clindamycin für alle untersuchten Parameter separat ausgewertet. Die Klassifikation der Antibiotika entsprach der Standardklassifikation nach therapeutischen Klassen wie sie von der EPhMRA (European Pharmaceutical Market Research Association) festgelegt ist.
Um einen Vergleich der zahnärztlichen Verordner mit anderen Fachgruppen zu ermöglichen, wurden die Daten der HNO-Ärzte und der Praktiker/Allgemeinmediziner separat untersucht. Alle anderen Ärzte wurden zu einer Gruppe (sonstige Fachgruppen) zusammengefasst.
Für jede der vier genannten Gruppen (Zahnärzte, HNO-Ärzte, Praktiker und sonstige Fachgruppen) wurden die vier am häufigsten verordneten Antibiotika/-gruppen (in Millionen abgegebenen Packungen) ermittelt.
Schließlich wurden noch die Gesamtumsätze (in Millionen Euro) sowie der jeweilige Anteil am Antibiotikagesamtmarkt (in Prozent) für die einzelnen Fachgruppen dargestellt.
Sollte ein Arzt ein Rezept ausstellen, das vom Patienten nicht eingelöst wird, geht es bei dieser Erfassung leider verloren. Wie hoch der Prozentsatz der nicht eingelösten Rezepte ist, konnte nicht ermittelt werden. Im Untersuchungszeitraum (ein Jahr) wurden insgesamt 42,5 Millionen Antibiotikaverordnungen (= 100 Prozent) durchgeführt (Tabelle).
Ergebnisse der Untersuchung
Wenden wir uns zunächst der Aufteilung der Antibiotikaverordnungen zu (Abbildungen 1 bis 4). Hier zeigt sich bei den Praktikern eine fast gleich hohe Verordnungshäufigkeit (25 Prozent) von Fluorchinolonen (zum Bei spiel Ciprofloxacin, Ofloxacin, Moxifloxacin) und Makroliden (zum Beispiel Azithromycin, Clarithromycin, Erythromycin). Betalaktam-antibiotika (Cephalosporine und Amoxicillin) sind mit etwa einem Drittel der Verordnungen zu finden. Bei den HNO-Ärzten liegt das Amoxicillin mit fast 30 Prozent an erster Stelle, es folgen andere Präparate und Cephalosporine. Bei den sonstigen Fachgruppen ist das Bild nicht so eindeutig. Hier sind die wichtigsten Antibiotikagruppen mit einem Anteil von 15 bis 21 Prozent vertreten. Im Gegensatz zu den anderen Fachgruppen dominiert bei den Zahnärzten das Clindamycin mit mehr als der Hälfte der Antibiotikaverordnungen eindeutig. Mit weitem Abstand folgen Schmalspektrumpenicilline (zum Beispiel Penicillin V, Propicillin) und das Breitspektrumpenicillin Amoxicillin mit einem Anteil von knapp 20 Prozent. Andere Antibiotika spielen praktisch keine Rolle. Clindamycin hat bei den drei übrigen Fachgruppen einen Anteil von unter zehn Prozent der Verordnungen, während Amoxi- cillin bei allen Fachgruppen unter den vier am häufigsten verordneten Antibiotika liegt.
Interessant ist die Analyse der absoluten Verordnungszahlen von Clindamycin und Amoxicillin (Abbildungen 5 und 6). So verordneten Zahnärzte im Untersuchungszeitraum 1,68 Millionen Packungen Clindamycin, während alle anderen Ärzte zusammen nur auf 940 000 Packungen mit diesem Wirkstoff kommen. Bei Amoxicillin ergibt sich ein anderes Bild. Hier dominieren die Praktiker mit 3,24 Millionen Verordnungen, gefolgt von den sonstigen Fachärzten mit 2,5 Millionen Verordnungen. Zahnärzte und HNO-Ärzte liegen mit 0,65 beziehungsweise 0,67 Millionen Packungen fast gleich auf.
Wirtschaftliche Aspekte
Wie stellt sich die Situation von der wirtschaftlichen Seite dar (Abbildung 7)? Der Gesamtumsatz für Antibiotika bezogen auf den Herstellerabgabepreis liegt im Untersuchungszeitraum bei 255 Millionen Euro. Fast 50 Prozent des Umsatzes entfallen auf Verordnungen der Praktiker (124,4 Millionen Euro), während der Marktanteil der sonstigen Fachgruppen bei knapp 37 Prozent liegt. Immerhin beläuft sich der Anteil der zahnärztlichen Antibiotikaverordnungen auf fast zehn Prozent (25,1 Millionen Euro), die HNO-Ärzte sind mit knapp fünf Prozent am Antibiotikaumsatz beteiligt. Bei Clindamycin zeigen die Umsatzzahlen für Zahnärzte einen Anteil von 64,1 Prozent (entspricht 16,1 Millionen Euro) am Gesamt- umsatz im Marktsegement Antibiotika der Fachgruppe (Abbildung 8). Lediglich bei den HNO-Ärzten liegt der Anteil des Clindamycin bei über zehn Prozent der Verordnungen. Bei den Praktikern und den sonstigen Fachgruppen spielt Clindamycin praktisch keine Rolle.
Amoxicillin steht bei den HNO-Ärzten mit einem Anteil von fast 30 Prozent an der Spitze der Umsatzzahlen für Antibiotika (Abbildung 9). Aufgrund der kleinen Fachgruppe ist allerdings der absolute Betrag von vier Millionen Euro Umsatz im Vergleich zu den Praktikern und sonstigen Fachgruppen recht gering (24,1 beziehungsweise 16,4 Millionen Euro). Bei den Zahnärzten stellen die Verordnungen von Amoxicillin 15,5 Prozent des Gesamtumsatzes dar.
Rechnet man die Daten für Clindamycin und Amoxicillin auf die Einzelverordnung herunter, kommt man bei Amoxicillin auf 5,97 Euro pro Verordnung (bezogen auf den Herstellerabgabepreis), während eine Clindamycin-Verordnung mit 9,57 Euro zu Buche schlägt. Immer wenn in der Medizin Antibiotika eingesetzt werden, ist es notwendig, den Nutzen der Anwendung beim Individuum gegen das Risiko eines Verlusts von ursprünglich antimikrobiell hochwirksamen Substanzen zu stellen [7]. Schon 1969 wiesen Simon und Stille in ihrem wegweisenden Lehrbuch vorausschauend darauf hin, dass die „Verbreitung resistenter Bak-terienstämme [...] eine ernste Gefahr“ darstellt, „der unter anderem durch eine sinnvolle Anwendung der Antibiotika begegnet werden muss“ [41]. Da die Anzahl an neu entwickelten Antibiotika sehr gering ist und die Zahl der antibiotikaresistenten Erreger ansteigt, wird die Therapie von bakteriellen Infektionskrankheiten in Zukunft zunehmend erschwert [8,12,17]. Die geringe Zahl an Daten zur Resistenzsituation in der Zahnmedizin sind uneinheitlich [6,7,13,14,21, 43]. Die vorliegenden, kleineren Studien stammen aus dem stationären Bereich, für die ambulante Zahnmedizin existieren keine systematischen Untersuchungen. Da sich neue Behandlungsverfahren gegen odontogene Keime wie die photodynamische Therapie noch in der Erprobungsphase befinden [9,16], werden wir aber auch in Zukunft auf Antibiotika angewiesen sein.
Verordnungen im internationalen Vergleich
In einer Presseveröffentlichung der europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) und des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) wird bereits eine „globale Strategie“ gefordert, um die Lücke zwischen multiresistenten Keimen und der Entwicklung neuer antibakterieller Substanzen zu verringern [12]. In der Veröffentlichung wird unter anderem darauf hingewiesen, dass der Anteil der antibiotikaresistenten Keime in einigen EU-Mitgliedsländern bereits 25 Prozent und mehr betrage.
In Deutschland wurde Ende 2008 die deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (ARS) ins Leben gerufen. Zentrales Ziel dieser Initiative ist die Reduzierung von Antibiotikaresistenzen. Dazu bedarf es unter anderem der Zusammenführung und Bewertung von Daten sowohl aus der stationären Krankenversorgung als auch aus der ambulanten Versorgung [8]. Ein Monitoring des Antibiotikaverbrauchs soll die Überwachung der Resistenzen ergänzen [30]. Die Installation eines „Surveillance Systems“ zur Resistenzsituation in der zahnärztlichen Praxis, begleitet von einem Monitoring der Antibiotikaverordnungen im zahnmedizinischen Bereich wird auch von Sweeney et al. gefordert [44].
Betrachten wir die Verordnungshäufigkeit von Antibiotika liegt Deutschland mit zwei Verordnungen pro Woche im Vergleich zu Ländern wie Kanada (4,5/Woche) und England (3/Woche) recht günstig, wird aber von Norwegen mit 0,6 Verordnungen pro Woche deutlich unterboten [3,15,27,44].
Der Anteil der zahnärztlichen Antibiotikaverordnungen am Gesamtmarkt liegt nach unserer Untersuchung bei 7,8 Prozent. Dies deckt sich mit den wenigen Vergleichsdaten, zum Beispiel aus Norwegen mit acht Prozent [2] sowie aus England mit sieben Prozent [42] und den USA mit neun Prozent [31]. Im Gegensatz zu den genannten quantitativen Daten der Antibiotikaverordnungen, die für Deutschland keine „Ausreißer“ darstellen, weicht die Verteilung der verschiedenen Antibiotikagruppen bei den zahnärztlichen Verordnungen in Deutschland sehr stark von anderen Ländern ab. Während hierzulande Clindamycin mit mehr als der Hälfte der Verordnungen und fast zwei Drittel des zahnmedizinischen Antibiotikaumsatzes eine überragende Bedeutung hat, spielt dieses Antibiotikum in anderen Ländern, wie England [32,34], Spanien [33,35], Norwegen [2] sowie Kanada [15], für die Zahnmedizin praktisch keine Rolle. In allen Studien zur Verordnungshäufigkeit von Antibiotika in der Zahnmedizin liegen Betalaktamantibiotika und hier insbesonders Amoxicillin beziehungsweise Amoxicillin/Clavulansäure an der Spitze der Ranglisten [2,24,32,33,34, 35]. Auch in der Humanmedizin ist Amoxicillin europaweit das häufigste verordnete Antibiotikum [11].
Diskussion
Sowohl in der DGZMK-Stellungnahme [4] als auch in jüngsten Fachpublikationen wird Amoxicillin gegebenenfalls in Kombination mit einem Betalaktamase-Inhibitor (zum Beispiel Clavulansäure) bei Patienten ohne Penicillinallergie empfohlen [7,19]. Ein Wechsel in den Empfehlungen von Schmalspektrumpenicllinen wie Penicillin V zu den Aminopenicillinen erfolgte aufgrund der veränderten Resistenzsituation bei anaeroben Keimen sowie des erweiterten Keimspektrums bei einigen wichtigen pathogenen gramnegativen Spezies [7,13]. Da sich die Resistenzen meistens durch die Induktion der bakteriellen Betalaktamasen entwickeln, ist die Zugabe eines Hemmstoffs wie Clavulansäure sinnvoll [19]. Allerdings kann der zusätzliche Hemmstoff weitere, bisweilen gravierende Nebenwirkungen induzieren [18]. Im Bereich der Antibiotikaprophylaxe wird ebenfalls Amoxicillin oder Ampicillin als Primärantibio- tikum empfohlen [7,29]. Allergien auf Aminopenicilline werden mit 10 bis 15 Prozent angegeben, allerdings tolerieren 75 Prozent aller Patienten mit Penicillin-Allergie in Wirklichkleit alle Betalaktame [45]. Penicilline gelten in Schwangerschaft und Stillzeit weiterhin als Antibiotika der Wahl [38]. Neuere Daten sprechen auch für den Einsatz des Fluorchinolons Moxifloxacin bei ausgeprägten odontogenen Abszessen [5], jedoch wurde das Einsatzgebiet dieses Antibiotikums aufgrund gravierender Nebenwirkungen in einem Sicherheitshinweis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte deutlich eingeschränkt [10].
Trotz dieser klaren Argumentationskette für Aminopeniclline verschreiben deutsche Zahnärzte in mehr als 50 Prozent der Fälle Clindamycin und in über 22 Prozent der Fälle Schmalspektrumpeniclline, das heißt fast drei Viertel der Antibiotikaverordnungen entsprechen nicht den Empfehlungen beziehungsweise den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Clindamycin wird generell als Reserveantibiotikum bei (vermuteter) Penicillinallergie beziehungsweise als Präparat der zweiten Wahl ange-sehen [6,7,29]. In Schwangerschaft und Stillzeit ist eine routinemäßige Anwendung von Clindamycin nach zahnärztlichen Eingriffen nicht begründet [36,38]. Zudem besteht aufgrund von Strukturähnlichkeiten eine partielle Kreuzresistenz zu Makroliden, die wiederum deren Einsatz als Alternative nach Clindamycin-Gabe deutlich einschränkt
[7,19]. Clindamycin wird durch mehrere Studien eine gute Gewebe- und Knochengängigkeit bescheinigt [25,28]. Es ist jedoch belegt worden, dass Penicilline ebenso wie Clindamycin eine ausreichend hohe antibakterielle Konzentration im Knochen er-zielen [1,22]. Weiterhin gilt die Empfehlung, in der zahnärztlichen Praxis bakterizide Antibiotika mit breitem Wirkungsspektrum anzuwenden [40]. Amoxicillin erfüllt diese Anforderung, Clindamycin als bakteriosta-tischer Wirkstoff nicht. Somit muss Clindamycin bei Erwachsenen zur Erzielung eines begrenzten bakteriziden Effekts die Maximaldosis von 1 800 mg/Tag ausgeschöpft werden [13]. Damit erhöht sich die Gefahr gastrointestinaler Nebenwirkungen, die sich in einer hohen Zahl von Meldungen bei der Arzneimittelkommission der Bundeszahnärztekammer niederschlägt [37]. Bereits vor zehn Jahren wies Loeschke in einer Übersichtsarbeit [23] darauf hin, dass das in der Humanmedizin wenig eingesetzte Clindamycin im Vergleich zu Penicillinen und Makroliden überproportional häufig zu einer antibiotikaassoziierten Kolitis führt. In einem direkten Risikovergleich zwischen verschiedenen Antibiotikagruppen wies Clindamycin nach den Fluorchinolonen die höchste Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhoe auf [26]. In 10 bis 20 Prozent dieser Fälle ist eine pseudomembranöse Kolitis nachweisbar, die wiederum mit einer Letalität von 6 bis 30 Prozent behaftet ist [39].
Zusammenfassung
Der überaus häufige Einsatz von Clinda- mycin bei deutschen Zahnärzten sowohl im Vergleich zu deutschen Humanmedizinern als auch zu zahnärztlichen Kollegen anderer Länder ist sehr auffällig und rational nach den vorliegenden Empfehlungen und Stu-dien sowie ökonomisch nicht zu erklären. Es erscheint denkbar, dass die Verordnungsrealität bei deutschen Zahnärzten durch gezielte Werbemaßnahmen (Vortragsver-anstaltungen, Arzneimuster, Broschüren, Anwendungsbeobachtungen) einiger Pharmaunternehmen doch stärker beeinflusst wird, als es die „scientific community“ bisher wahrhaben will. Diesem Phänomen sollte in Zukunft mehr Beachtung geschenkt werden.
Dr. med. Dr. med. dent. Frank HallingPraxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie– Plastische OperationenGerloser Weg 23a36039 FuldaDr.Halling@t-online.de