Leitartikel

Ein enttäuschender Entwurf

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

für uns Betroffene ist das Urteil schnell gefällt: Der jetzt vorgelegte Referentenentwurf des GKV-Finanzierungsgesetzes ist plumpe, in seiner Ausführung weitgehend phantasielose Kostendämpfungspolitik. Angesichts dringend notwendiger struktureller Reformen ist es nichts anderes als ein anachronistischer Rückfall in längst überkommene und nutzlose gesetzgeberische Gefilde.

Obwohl der Koalitionsvertrag, aber auch die von uns geführten Gespräche mit Politikern der Regierungsparteien und im Bundesgesundheitsministerium (BMG) Hoffnung gemacht haben, obwohl der Wechsel von der Großen Koalition zur Regierung aus CDU/CSU und FDP sogar in der Politik selbst als Chance zum Aufbruch in ein von mehr Freiheit und Nachhaltigkeit geprägtes Gesundheitssystem gesehen wurde: Wieder einmal ist nichts anderes passiert als „Kostendämpfung pur“. Da helfen auch die aktuellen Beschönigungsversuche aus dem BMG wenig, hier handele es sich lediglich um die „Begrenzung von Zuwächsen“: Das GKV-Finanzierungsgesetz im jetzt vorliegenden Entwurf ist ein weiteres Spargesetz.

Für uns Zahnärzte ist der Gesetzesentwurf besonders hart, weil uns Entwicklungen, die auf Seiten der Ärzteschaft zwischenzeitlich zur Entlastung beigetragen haben, bis heute vorenthalten bleiben. Ob zusätzliche Vergütungen, die Abschaffung von Budgets oder die Angleichung der Vergütungen zwischen Ost und West: Man hat uns immer auf das jetzt vorgelegte Gesetzespaket vertröstet – mit der Zusage entsprechender Ergebnisse.

Dieses Versprechen wurde leider nicht eingehalten: Die Budgetierung soll für die kommenden zwei Jahre fortgeschrieben und sogar auf höchstens die Hälfte der jeweils festgestellten Grundlohnsummenentwicklung begrenzt werden. Erst in den Jahren 2013 und 2014 will man laut Referentenentwurf die vertragszahnärztlichen Leistungen – ohne Zahnersatz – in den neuen Bundesländern und Berlin um insgesamt fünf beziehungsweise vier Prozent erhöhen. Von einer Abschaffung der Budgets oder einer Angleichung der Vergütung Ost an West kann insofern nicht die Rede sein. Viel eher muss angesichts der halbierten Grundlohnsummenangleichung mit weiteren Einschnitten für unsere Praxen gerechnet werden.

Dieses unreflektierte „Über einen Kamm Scheren“ mit den großen Kostenverursachern stationäre und ambulante Medizin bringt weder dem Gesetzgeber, noch Patienten und Versichern wirkliche Vorteile. Die Zahnmedizin war für die GKV nie ein großer Kostenfaktor. Im Gegenteil: Sie hat durch Eigeninitiative, durch konstruktive Wege wie die Einführung von Festzuschüssen freiwillig zur Entlastung des Systems beigetragen. Kommt der Referentenentwurf des BMG so durch, werden wir als quasi in Sippenhaft Genommene mit abgestraft.

Schon deshalb werden wir jetzt nicht aufhören, unsere Position vehement zu vertreten. Wir haben in einem von allen KZVen und der KZBV unterzeichneten Brief an die politischen Entscheidungsträger in Bund und Ländern protestiert und die überfälligen Änderungen noch einmal eingefordert.

Wir werden es nicht akzeptieren, dass die versprochenen Änderungen im Gesetzesentwurf nicht erwähnt sind oder nur noch in stark abgeschwächter und zeitlich massiv verzögerter Form stattfinden sollen – zumal es sich um Forderungen handelt, die in anderen Versorgungsbereichen längst vollzogen wurden. Wie wenig überlegt der Entwurf in Sachen Zahnmedizin ist, zeigt sich schon darin, dass ausgerechnet der Bereich der Individualprophylaxe, der bisher von der Budgetierung ausgenommen war, künftig ebenfalls durch die Anbindung an die halbierte Grundlohnsummensteigerung gedeckelt werden soll. Hier waren Pauschalisten am Werk.

Dennoch: Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. Wer politisch arbeitet, muss dran bleiben, dicke Bretter bohren und überzeugen. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob sachliche Argumentation und unser berechtigter Protest den Gesetzgeber überzeugen können, einige Schritte noch einmal zu überdenken.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Wolfgang EßerVorstandsmitglied der KZBV

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