Medienberichte über PZR

Ein Skandal, der keiner ist

„Abzocke!“ Mit einer Telefonumfrage will ein Internetportal herausgefunden haben, dass die Professionelle Zahnreinigung ein probates Mittel von Zahnärzten ist, um Patienten zu schröpfen – ein gefundenes Fressen für die Medien, die das Thema aufgriffen. Allerdings konnte man auch erkennen, dass Eigen-PR mit fragwürdigen Methoden wohl ein probates Mittel ist, um einen Anbieter im Internet ins Gespräch zu bringen. Wie ein Skandal gemacht wurde, der keiner ist.

Geld.de ist eine Verbraucherplattform im Internet rund um das Thema Finanzen. Es gehört zur Unister Holding GmbH in Leipzig, ein Unternehmen, das noch eine ganze Reihe von anderen Verbraucherportalen im Bereich Finanzen und Reisen unterhält. Geld.de behandelt Themen wie etwa Versicherungen, Baufinanzierung, Geldanlagen, Kredite und Steuern. Im Vordergrund jeder Beratungsleistung des Portals, so kann man es auf der Webseite lesen, stehe ein hoher Qualitätsanspruch. Was bei einem Verbraucherportal, das seriös wahrgenommen werden will, eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, die keiner besonderen Erwähnung bedarf, kippte jedoch bei der Untersuchung zu einem spezifischen zahnmedizinischen Thema ins Gegenteil.

Mittels einer nicht-repäsentativen und keinerlei wissenschaftlichen Methode genügenden Telefonumfrage kümmerte sich das Portal um das Thema PZR. Für die als „Studie“ titulierte Telefonumfrage wurden nach Angaben der Plattform bundesweit 273 Zahnarztpraxen befragt. Dabei stellten die Interviewer die Frage: Wie viel zahlt man als gesetzlich Versicherter für eine professionelle Zahnreinigung? Das Ergebnis: Von den Zahnärzten werden unterschiedliche Honorare verlangt, mal mehr, mal weniger. In einer Pressemitteilung urteilte Geld.de- Geschäftsführer Friedrich Wiedemann: „Eine Zahnreinigung sollte nicht mehr als 60 Euro kosten. Zahnärzte, die mehr als 70 Euro berechnen, zocken die Patienten mit überteuerten Preisen unverhohlen ab“. Die Bild-Zeitung griff das Thema und den Tenor auf, andere Blätter folgten.

In zahlreichen Pressemitteilungen reagierten Kassenzahnärztliche Vereinigungen und Kammern diverser Bundesländer, darunter Schleswig-Holstein, Berlin und Bayern. Stellvertretend sollen hier die Stellungnahmen und Maßnahmen von Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) Erwähnung finden, die die marktschreierischen Falschaussagen widerlegten und sich gegen den Vorwurf der Abzocke verwahrten.

Die Professionelle Zahnreinigung, so stellt etwa die BZÄK klar, sei eine hinsichtlich ihres medizinischen Nutzens wissenschaftlich anerkannte Maßnahme. Sie beinhalte ein komplexes Leistungsgeschehen, das aus Befunderhebung, der Entfernung harter und weicher Zahnbeläge, der Politur und anschließender Fluoridierung der Zahnoberflächen, sowie der Aufklärung des Patienten zur Optimierung der häuslichen Mundhygiene bestehe.

Was für die „Spezialisten“ von Geld.de verwunderlich war, nämlich dass für PZRs unterschiedliche Honorare eingefordert werden, ist für den Berufsstand ganz selbstverständlich und hätte mit einer Zusatz recherche seitens des Portals geklärt werden können. Dass sich das Honorar eben nach dem Aufwand richtet, den eine PZR erfordert. Dieser, so die BZÄK und die KZBV unisono, variiere ganz erheblich: Er hängt vom Alter, der Mundhygiene und dem Erkrankungsrisiko des Patienten, aber auch vom Zustand der Zähne und des Zahnhalteapparates sowie von der Anzahl der Zähne und der Art oder der Menge der vorhandenen Zahnbeläge ab.

Der Zahnarzt sei aber auch hier in der Gebührenfindung nicht frei, sondern den Regeln der amtlichen Gebührenordnung unterworfen, stellt die BZÄK klar. Daher sei er verpflichtet, die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten und des Zeitaufwandes sowie der Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen. GOZ-Analysen hätten ergeben, dass im Durchschnitt für die Professionelle Zahnreinigung ein Honorar von 77 Euro berechnet werde. Gerade die individuellen Voraussetzungen der Mundhygiene bei Patienten führten naturgemäß zu Abweichungen von diesem Mittelwert. „Die Behauptung, ab einer willkürlich fixierten finanziellen Grenze sei eine zahnärztliche Rechnung „Abzocke“, ist fachlich wie betriebswirtschaftlich unsinnig“, so die BZÄK.

Aufwand ist honorarentscheidend

Ihr Vize-Präsident, Dr. Dietmar Oesterreich, verwies gegenüber der Presse darauf, dass es schlichtweg nicht möglich sei, am Telefon eine verbindliche Auskunft über die Kosten der Reinigung zu nennen, ohne dass der Zahnarzt den Mundgesundheitszustand des Patienten kenne. Ein Preis könne erst nach der Durchsicht der Zähne feststehen, schließlich sei die Zahnreinigung keine Pauschalleistung wie der Einbau einer neuen Pumpe in eine Waschmaschine. Was für den Berufsstand eine Selbstverständlichkeit ist, ist für Fachfremde ein Skandal. In der Pressemittelung des Portals liest sich das so: „Übel: Oftmals wollten die Zahnarztpraxen am Telefon keine Kosten nennen.“

Die KZBV hat auf die Veröffentlichung einer Pressemitteilung zu diesem Vorgang zunächst einmal verzichtet, auch um einer negativ besetzten Preisdiskussion zur PZR keinen Vorschub zu leisten. Allerdings wurde ein kritisches Schreiben an den Geschäftsführer der Unister Holding gerichtet, um weitere Vorfälle dieser Art in Zukunft zu unterbinden und in dem im Wiederholungsfall die Prüfung anderer Schritte angekündigt werden. Darin wird ebenfalls darauf verwiesen, dass die PZR eine aufwendige zahnmedizinische Leistung sei. Bei dem Vorwurf der Abzocke, wenn eine PZR über dem Honorarvolumen von 70 Euro liege, werde verkannt oder geflissentlich übergangen, dass die PZR ein komplexes Leistungsgeschehen beinhalte, das einen hohen zeitlichen und apparativen Aufwand erfordere und nur durch besonders qualifiziertes Personal erbracht werden könne. Durch die mundhygienischen Besonderheiten jedes Einzelfalls können die Kosten erheblich differieren und über die genannte vermeintlich zumutbare Schwelle von 70 Euro hinausgehen. Regionale Preis-Unterschiede seien angesichts unterschiedlicher Lebenshaltungsund Praxisführungskosten normal.

Aus Sicht der KZBV, so der Brief, werde die Seriosität eines Verbraucherportales, die Geld.de für sich in Anspruch nimmt, durch Veröffentlichungen auf der Basis medizinisch unzureichend bearbeiteter Themen, die ganz offensichtlich kurzfristigen Marketing-Effekten dienen sollen, auf Dauer eher untergraben denn gefördert. Eine Einschätzung, die durch das angewandte Geschäftsmodell untermauert wird, heißt es doch in der Pressemitteilung des Portals zur PZR: „Auf Grund der steigenden Kosten für Zahnbehandlungen, auch für Zahnreinigungen, empfiehlt Geld.de, sich möglichst nach einer Zahnzusatzversicherung umzuschauen“. Und - rhetorische Frage - welches Portal bietet Zahnzusatzversicherungen?

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