Nutzen steht an erster Stelle
Die 598 befragten Ärzte gehen in großer Mehrheit davon aus, dass die Bedeutung der Telematik (86 Prozent) beziehungsweise Telemedizin (87 Prozent) im Gesundheitswesen zunehmen wird. Nur drei Prozent glauben überhaupt nicht an eine Zukunft mit mehr IT.
Was die Bedeutung für den eigenen Arbeitsbereich betrifft, offenbaren sich starke Unterschiede zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten. Letztere sehen zu 90 Prozent die Telematik als einen wichtigen Bestandteil des Krankenhauses der Zukunft. Mit 60 Prozent der niedergelassenen Ärzten ist diese Erwartung für die Praxen zwar auch weit verbreitet, doch deutlich geringer.
Noch fehlt Erfahrung
Dr. Franz-Josef Bartmann, Vorsitzender des Ausschusses Telematik der BÄK, erklärte diese Unterschiede mit der noch fehlenden Erfahrung vieler niedergelassener Ärzte mit den Möglichkeiten der IT-Technik. „In diesem Fall gilt: Marx hatte recht – das Sein bestimmt das Bewusstsein.“ Krankenhäuser seien heute schon nicht mehr überlebensfähig, wenn sie nicht die telematischen Möglichkeiten nutzten – Krankenhausärzte arbeiteten daher heute schon vielfach mit den neuen Technologien. Telematische Anwendungen würden auch umso besser bewertet, je mehr Erfahrung schon damit gesammelt wurde. So beurteilt man die inzwischen schon allgemein akzeptierte Teleradiologie entsprechend positiv: 80 Prozent der Befragten sprachen ihr einen großen oder sehr großen Nutzen zu.
Dabei glauben die Ärzte aber nur bedingt, dass Telematik und Telemedizin tatsächlich einen konkreten Mehrwert für die Therapie und somit den Patienten bringen. Dass die integrierte fachübergreifende Versorgung wesentlich erleichtert wird, erwarten zwar 56 Prozent, doch nur 46 Prozent denken, dass auch die Behandlungsmöglichkeiten von Patienten dadurch verbessert werden. Auffällig ist, dass sich bei diesen Fragen ein großer Teil der Ärzte (jeweils 22 Prozent) unschlüssig ist, wie sich dies in Zukunft entwickeln wird. Frank Ulrich Montgomery, Vize-Präsident der BÄK, betonte, dass die Ärzte Telematik und Telemedizin befürworten, wenn diese „das Arzt-Patienten-Verhältnis in keiner Weise beeinträchtigt.“ Genau das befürchtet aber mehr als jeder dritte Arzt.
Ängste abbauen
Bedenken gegenüber der Telematik und Telemedizin allgemein zeigen sich insbesondere in zwei Bereichen: Dass der Schutz der Patientendaten nicht ausreichend gewährleistet sein könnte (55 Prozent) und in der Zukunft hohe Kosten auf die Ärzte zukommen könnten (58 Prozent).
Wenig überzeugt sind die Mediziner auch davon, dass der Verwaltungsaufwand für Ärzte geringer wird (20 Prozent) und die Kosten im Gesundheitswesen durch mehr Telematik sinken werden (23 Prozent). Bartmann betonte aber: „Die Erfolge der Telemedizin können heute praktisch nicht mehr in Frage gestellt werden.“ Montgomery wies auf die insgesamt sehr positive Bewertung der Technologien in der Ärzteschaft hin.
Praktische Vorteile
Auch die möglichen Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK), des größten Telematik-Projektes, wurden abgefragt. Die Speicherung von Notfalldaten halten die meisten Ärzte für nützlich (76 Prozent), 45 Prozent sehen darin sogar einen „sehr großen Nutzen“. Bartmann spricht sich dafür aus, „Notfalldaten“ weit zu definieren, um Ärzten für den Fall der Fälle möglichst viele Informationen zu geben.
Bei der Elektronischen Patientenakte, die insgesamt 60 Prozent befürworten, zeigt sich, wie wichtig den Medizinern der praktische Wert einer Neuerung ist: Denn während 73 Prozent der Krankenhausärzte diese als große Verbesserung bewerten, tun dies nur 36 Prozent der Niedergelassenen. Erklärbar sei das durch den individuellen Nutzen und die Arbeitsrealität, meint Bartmann: Viele Hausärzte betreuten einen eigentlich gesunden Patienten über Jahre und benötigten keine ePatientenakte. Wenn aber ein Krankenhausarzt Freitag Nacht einen ihm unbekannten Patienten als Notfall behandeln muss, ist er auf jede Information angewiesen.
Weitere Aussagen zu den geplanten Anwendungen der eGK waren widersprüchlich: Während fast 70 Prozent die „Elektronische Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung“ als nützlich ansehen, billigen nur 37 Prozent dem „Elektronischen Rezept“ einen Nutzen zu. Jenes sei aber eine Voraussetzung, um diese Prüfung durchzuführen, erläuterte Bartmann. Er sieht daher noch ein „riesenhaftes Kommunikationsdefizit“ in diesem Bereich.
Man müsse die Sorgen der Ärzte ernst nehmen, sagte Montgomery. “Wenn es nicht gelingt, dieses Misstrauen zu überwinden, dann wird die elektronische Gesundheitskarte nicht eingeführt, denn das kann nicht gegen den Willen der Beteiligen erfolgen“, betonte er. Er sei allerdings „guter Zuversicht, dass die Karte auf lange Sicht kommt, aber nicht so, wie wir sie uns heute vorstellen“.
Weitere Informationen und die komplette Studie unter:http://www.baek.de/page.asp?his=1.134.3421.8696