Berufsunfähigkeitsversicherung für Zahnärzte

Unverzichtbare Police

Wie die Haftpflicht- und die Krankenversicherung gehört die Berufsunfähigkeitsversicherung zu den wirklich notwendigen Policen. Zwar schließt die Mitgliedschaft im Versorgungswerk einen Basisschutz mit ein. Doch reicht er im Ernstfall bei weitem nicht aus. Eine zusätzliche private Absicherung, um einen eventuellen Verdienstausfall aufgrund einer Krankheit auszugleichen, sollte jeder Zahnarzt haben.

Enorm hohe einseitige, körperliche Belastungen, ein Bandscheibenvorfall, Arthrose im Daumengelenk, ein Ekzem an den Händen, die Folgen eines Unfalls oder zunehmend psychische Probleme können einen Zahnarzt zwingen, seinen Platz am Behandlungsstuhl zu räumen. Kein Zahnarzt weiß in jungen Jahren, ob ihn nicht irgendwann eine Krankheit daran hindern wird, seinen heiß geliebten Beruf auszuüben. Tritt der Fall der Fälle ein – was dann? Neben dem psychischen Schock stellt sich sofort die Frage nach der finanziellen Absicherung. Wovon soll die Familie leben? Plötzlich fallen die festen Einnahmen weg. Oft belasten noch Kredite das Eigenheim und vor allem die Praxis. Die Raten werden fällig, egal ob der Schuldner zahlungsfähig ist oder nicht. Einen Basisschutz im schlimmsten Fall der Fälle bietet das Versorgungswerk. Es springt ein, wenn der Zahnarzt zu 100 Prozent berufsunfähig wird. Stefan Strunk, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft beruflicher Versorgungswerke ABV, präzisiert: „Wenn die Fähigkeit, den Beruf auszuüben, aufgrund geistiger und körperlicher Schwäche nicht mehr möglich ist.“

Allerdings bis die dafür nötigen Voraussetzungen erfüllt sind, durchschreitet der Zahnarzt unter Umständen einen langen Leidensweg. Denn die Bedingungen für die Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) sind hart. „Nur wer mit dem Kopf unterm Arm kommt, hat eine Chance,“ weiß Ralf Seidenstücker, Vorstand des auf Ärzte und Zahnärzte spezialisierten Versicherungsmaklers Nucleus, an dem auch die Bundeszahnärztekammer beteiligt ist. Der Arzt muss seine Approbation abgeben. Überwindet er seine Krankheit, kann er sie später wieder neu beantragen. Gelten im Großen und Ganzen für alle Versorgungswerke einheitliche Regeln, so unterscheiden sie sich bei der Dauer der Rentenzahlung. Manche genehmigen nur eine Rente auf Zeit. Das bedeutet für den Zahnarzt, dass er sich nach Ablauf einer Frist wieder untersuchen lassen muss, ob die Voraussetzungen für eine BU noch gegeben sind. Es ist nicht verwunderlich, dass die Versorgungswerke sich bei der BU so streng geben, liegt ihr Hauptaugenmerk doch auf der Altersversorgung.

Privatversicherung empfohlen

Insgesamt müssen knapp 7,5 Prozent aller Zahnärzte eine Berufsunfähigkeitsversicherung während ihres Arbeitslebens in Anspruch nehmen. Am häufigsten betroffen sind die über 60-Jährigen. Ab 65 Jahren wandelt sich die BU-Versicherung automatisch in eine Altersrente. Die Höhe der BU-Rente hängt vom jeweiligen Eintrittsalter ab und davon wie viele Beiträge der Betroffene bis dahin gezahlt hat. In jedem Fall aber dürfte der Betrag nicht reichen, um alle anfallenden Kosten zu bezahlen. Deshalb raten auch die Ärztekammern zum Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung, wie Makler Seidenstücker, verrät. Sie zahlt schon bei einer Berufsunfähigkeit von nur 50 Prozent.

Bislang kümmern sich viele Menschen, die im Erwerbsleben stehen, nicht ausreichend um ihre finanzielle Absicherung. Insgesamt registriert die Versicherungswirtschaft eine starke Zurückhaltung bei der BU-Versicherung. So verfügen nur 24 Prozent der deutschen Haushalte überhaupt über eine BU-Police. Ende 2009 gab es 16,6 Millionen BU-Versicherungen, aber 70 Millionen Lebensversicherungen. Laut Angaben des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft GdV liegt die durchschnittliche BU-Rente bei 558 Euro. Laut Nucleus-Vorstand Seidenstücker begnügen sich die Zahnärzte im Schnitt mit 2 000 bis 2 500 Euro. „Das ist oft zu wenig. Für die Meisten wäre eine Rente von 3000 bis 4000 Euro realistischer“, so der Versicherungsexperte Seidenstücker.

Welche Versicherung die richtige ist, hängt von der Höhe der Beiträge und von den Bedingungen ab. Alexander Kohl vom Maklerbüro AKV in Heidelberg rät zum Vergleich: „Für einen Akademiker kann der günstigste Anbieter der Beste sein.“ Der Grund: Die Versicherungswirtschaft hat die Berufe ihrer Kunden in derzeit vier Risikogruppen eingeteilt. Die Zahnärzte gehören in Gruppe Eins. Hier versammeln sich die geringsten Risiken. Vor den Zahnärzten rangieren nur noch die Notare. Das bedeutet, für diese Berufe werden die niedrigsten Beiträge gezahlt. Ein Dachdecker zum Beispiel, findet sich in Gruppe vier wieder. Er zahlt ein Vielfaches. Auch andere Faktoren beeinflussen die Höhe der Prämien: die gewünschte Rente, das Einstiegsalter (hier gilt: je jünger je besser), gesundheitliche Risiken, Geschlechtszugehörigkeit, Raucher oder Nichtraucher.

Stark beeinflusst die Laufzeit der Rente den Beitrag. Darauf weist Seidenstücker hin: „Es macht einen Unterschied von bis zu 25 Prozent, ob ich eine Versicherung bis zum 60. oder bis zum 65. Lebensjahr abschließe.“ Viele entscheiden sich für die BU-Versicherung bis zum Pensionsalter, damit ein reibungsloser Übergang zur Altersrente möglich wird. Doch wer sich mit einer Laufzeit bis zu 60 Jahren begnügt, kann rund 25 Prozent bei den Beiträgen sparen. „Denn“, so Seidenstücker, „ ab 60 steigen die gesundheitlichen Risiken stark an.“ Da kann es sich lohnen, die Zeit bis zur Altersrente mit Ersparnissen zu überbrücken.

Anbieterauswahl

Bei der Auswahl des Anbieters gibt es einige Punkte zu beachten:

• Nachversicherungsgarantie

Damit kann der Versicherte die Rente ohne zusätzliche Gesundheitsprüfung erhöhen, wenn er zum Beispiel eine Familie gründet oder ein Haus kauft. Kunden mit Vorerkrankungen wird die Möglichkeit manchmal verweigert.

• Rückwirkende Leistung

Wird der Versicherungsfall verspätet gemeldet, sollte die Versicherung bis zu drei Jahre rückwirkend leisten.

• Vermutete Berufsunfähigkeit

Kann der begutachtende Arzt keine Vorhersage abgeben, ob die Krankheit zur Berufsunfähigkeit führt oder nicht, sollte der Versicherer nach Ablauf von sechs Monaten rückwirkend von Beginn der Krankheit an zahlen.

• Abstrakte Verweisung

Dieser Punkt sollte unbedingt ausgeschlossen sein. Denn sonst kann der Versicherer den Zahnarzt zwingen, zum Beispiel eine andere Tätigkeit als seinen eigentlichen Beruf auszuüben.

• Verzicht auf § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

Selbstverständlich sollte der Kunde den Antrag gewissenhaft ausfüllen und unbedingt alle Vorerkrankungen angeben. Hat er trotzdem eine Angabe vergessen, wäre es gut, wenn der Anbieter auf sein Recht auf Kündigung oder Anpassung des Vertrags verzichten würde.

• Weltweiter Versicherungsschutz

Der Schutz gegen Berufsunfähigkeit sollte weltweit gelten und im Vertrag festgeschrieben sein.

• Beitragsdynamik

Die Bedingungen sollten eine dynamische Beitragserhöhung erlauben, um die Rentenhöhe anpassen zu können.

Inzwischen berücksichtigen die meisten Anbieter die oben genannten Bedingungen. Die letzte Überprüfung durch Finanztest im vergangenen Jahr ergab, dass von 82 Anbietern rund die Hälfte mit „Sehr gut“ bestanden haben. Welche Versicherung nun für den Einzelnen die Beste ist, muss wohl jeder mit Hilfe eines Beraters selbst herausfinden. Mit der Note 0,9 am besten schlossen im Vergleich die Aachen-Münchener, Generali, Hannoversche Leben, HUK 24 und die HUK-Coburg ab.

Rechtsanwalt Jörg Büchner, von Büchner Rechtsanwälte, Spezialkanzlei für Versicherungsnehmer in Berlin, setzt andere Maßstäbe: „Bei der Auswahl des Versicherers sollten die Kunden auch darauf achten, wer die wenigsten Prozesse führt. Zum Beispiel mit der Allianz und HUK-Coburg führen wir wenige Auseinandersetzungen.“ Die Kanzlei bearbeitet pro Jahr 300 bis 400 strittige Fälle im Bereich BU. Dabei fällt Büchner auf, dass zum Beispiel die Nürnberger Versicherung, die insgesamt über einen Marktanteil von acht Prozent verfügt, an etwa 20 Prozent der Rechtsstreite in seiner Kanzlei beteiligt ist.

Gesundheitsfragen

Eine Vielzahl der Probleme befasst sich mit der Beantwortung der Gesundheitsfragen. Dabei sollte nichts vertuscht werden. „Zum einen neigen die Versicherungsnehmer dazu, Krankheiten zu bagatellisieren“, berichtet Büchner, „aber auch der Vermittler denkt bei der Beratung häufig an seine Provision. Da kann es schon einmal passieren, dass er ein LWS-Syndrom des Zahnarztes nicht notiert nach dem Motto: Das ist nicht so wichtig.“

Häufig passiert es, dass sich diese Nachlässigkeit später zum Problem entwickelt. Hat der Kunde dann einen Zeugen für das Vermittlungsgespräch – das kann auch die Ehefrau sein – lässt sich die Schuld des Vermittlers möglicherweise beweisen. Es kommt dann aber zusätzlich darauf an, ob sich die Versicherungsgesellschaft das Verschulden des Vermittlers zurechnen lassen muss, was nur der Fall ist, wenn dieser als so genannter Versicherungsagent und nicht als Makler auftritt. Trägt der Zahnarzt aber selbst die Schuld, weil er Fragen nicht wahrheitsgemäß beantwortet hat, kann sich die Versicherung im Streitfall entscheiden: Sie darf vom Vertrag zurücktreten oder aber den Vertrag anfechten. Nach den Erfahrungen Büchners machen Versicherungen von der Rücktrittsrechtsmöglichkeit immer seltener Gebrauch. Entscheidend ist dort inzwischen das Maß des Verschuldens. Meistens entscheiden sich die Gesellschaften im Fall der behaupteten Anzeigepflichtverletzung für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Nimmt sich der Versicherte im Streitfall einen Rechtsanwalt, so kommt es nicht selten zu Vergleichen; kann man sich nicht einigen, muss geklagt werden. Ein solcher Prozess dauert lange und kostet in der Regel viel Geld. Davor scheuen viele Versicherungsnehmer zurück. Es sei denn, sie haben eine Rechtsschutzversicherung, die sie im Falle des Vorwurfs der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung mindestens drei Monate vor dem Abschluss der BU geschlossen haben müssen. Wie die Klageverfahren ausgehen, hängt immer vom Einzelfall ab, aber auch hier werden mehr als die Hälfte der Fälle verglichen.

Angebote vergleichen

Neben einer geringen Prozessfreudigkeit sollte auch die Erfahrung der Gesellschaft im BU-Bereich eine Rolle spielen. „Junge Anbieter“, darauf verweist Makler Alexander Kohl, „wissen häufig noch nicht, wie sich die von ihnen gestellten Bedingungen auswirken. Unter Umständen verweigern sie im Schadensfall eher die Leistung.“ Mancher Versicherer setzt seine Vermittler so sehr unter Druck, dass bei den Anträgen gepfuscht wird und später deshalb keine Rente gezahlt wird. „Gute Versicherer zahlen auch“, berichtet Kohl aus der Praxis. Wer bereits gesundheitliche Einschränkungen beklagt, kann seinen Makler bitten, eine anonyme Risikovoranfrage zu machen. Auch dabei muss der Antrag vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllt werden. So bekommt der Kunde einen Überblick über die Angebote. Gleichzeitig vermeidet er einen Eintrag in das von der Versicherungswirtschaft geführte Hinweis- und Informationssystem (HIS), in dem die Namen problematischer Kunden gespeichert sind. Kaum eine Chance auf einen Vertrag hat ein Kunde, der bereits eine Psychotherapie absolviert hat – auch wenn sie erfolgreich war. Andere gesundheitliche Einschränkungen wie Schäden an der Wirbelsäule können zur Ablehnung oder zu Ausschlüssen oder Risikozuschlägen führen. Deshalb sollte sich kein Zahnarzt auf die Empfehlung eines Versicherungsvertreters verlassen, der nur eine Gesellschaft anbietet. Neutraler dürfte die Empfehlung eines unabhängigen Honorarberaters sein. Der wird seine Kunden auch noch darauf hinweisen, dass es sinnvoll sein kann, eine BU mit einer Risikolebensversicherung zu kombinieren. So ist die Familie auch im Todesfall des Hauptverdieners abgesichert. BU und eine Kapitalbildende Lebensversicherung in einem Vertrag abzuschließen lohnt sich nicht.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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